Kapitel 1

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Und da stand sie, meine Traumfrau. Verfilzte Haare, blutunterlaufene Augen, blutendes Zahnfleisch (sicher mit Mundgeruch verbunden) und diese wunderschönen mit Blut verkrusteten Nägel und diese waren dazu noch auf mich gerichtet. Man sah ihren Augen an, dass sie mich zum Fressen gern hatte. Da ich aber leider sehr schüchtern bin ließ sie mir keine andere Möglichkeit, als ihr mein Rohr in den Kopf zu stecken; nicht das was ihr jetzt denkt, sondern ein abgebrochenes Metallrohr welches ich gefunden hatte. Vorne sehr spitz, modisch glänzend, passend zu ihren Haaren.

Aber ich sollte wohl von vorne anfangen. Es begann alles in einem Krankenhaus...nur ein Witz, möglicherweise ein schlechter, aber was bleibt mir außer meinem Galgenhumor naja ok die Zombieepidemie... Aber dazu später mehr.

Übrigens mein Name ist Ryan.

Ich war nicht gerade ein Musterschüler. Meine Noten hatten einen guten Vierer-Durchschnitt, aber solang man durchkommt ist das nicht ganz so schlimm. Und mit 17 hat man ja auch noch vollkommen andere Probleme. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich nicht gerade viele Freunde hatte, deswegen konnte ich mich mehr meinen Hobbys zuwenden; z.B. Lesen, Musik hören, Bogenschießen. Letzteres natürlich eher im Sommer. Musik und Lesen war also im Winter das Wichtigste. Und jetzt kommt der Clou. Diesen Winter bin ich fast ausschließlich auf Zombie bezogene Romane, Comics und Games gestoßen. Ob man sie nun Beißer, wirkliche Zombies oder Stinker nennt. Mit welchen Zombies es wir hier zu tun bekommen? Seid nicht so ungeduldig... also weiter im Text. Es sind ein paar Monate vergangen seit die Medien über „Cloud 9" berichtet haben und die Hoffnungen von mir, dass mein Traum endlich wahr wird, war schon fast vergessen. Die letzten Games, alles Enttäuschungen und die wenig gefundenen Romane, Comics und Mangas über Zombies alle zum 10. Mal durchgelesen. Das einzige Licht am Ende des Tunnels, der neue Zombiefilm, eine vollkommene No-Name-Produktion, keinerlei bekannte Schauspieler, aber ein extrem hohes Budget aus Fanspenden. So saß ich nun in der Schule mit Hoffnung auf einen spannenden Film.

Nach der 3. Stunde hielt ich es nicht mehr aus und meldete mich krank und fuhr mit dem Zug in die Stadt. Und wer steht da vor mir? Mein Schwarm Alex... und... nein, Alex ist kein Kerl, sondern die Kurzform von Alexandra. Hab ich schon erwähnt, dass ich total auf den Namen Alex bei Frauen abfahre? Möglicherweise gibt es ja so etwas wie Namensfetischismus. Sie hatte zu dem Zeitpunkte glänzende, bis weit über die Schulter hängende, rote Haare, passend dazu ihre olivgrünen Augen, die ihrem sonst kantigen Gesicht etwas Sanftes gaben. Sie war immer freundlich und offen. Deswegen wurde sie auch Klassensprecherin. Mir gegenüber war sie aber immer ziemlich zurückhaltend. Meistens trug sie Leggins und einen Pullover dessen Ärmel so lang waren, dass sie ihre Hände bedeckten.

Nachdem ich sie zum ersten Mal alleine antraf, entschloss ich mich zur – nennen wirs privaten Kontaktaufnahme. Allerdings entgegen meiner Überzeugungen, dass man ein Mädchen solange seltsam anstarren muss bis es mich anspricht, tippte ich ihr auf die Schulter und sagte: „ Hey". So einfach wie das jetzt vielleicht klingen mag, so einfach war es dann auch. Wieso hat mir das keiner gesagt? Naja, sie war wohl mehr von der Tatsache überrascht, dass ich – wie sie – im selben Zug auf dem Weg in die Stadt war. Sie wusste ja nicht wo ich wohne, deswegen fragte sie mich, wo ich denn hin will. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich normalerweise für alles eine glaubhafte Ausrede parat habe, diesmal leider nicht. Das ersparte ich mir das um den Brei Herumreden und sagte was ich vorhatte. Darauf fragte sie mich, ob sie mitkommen könnte. Das „Ja" folgte wahrscheinlich etwas zu schnell, aber man wird ja auch nicht jeden Tag von seiner Traumfrau um ein Date gebeten. Dann drehte sie sich um, anscheinend war das Gespräch für sie jetzt beendet.

Diese Atempause nutzte ich dazu den Schweiß wegzuwischen und darüber intensiv nachzudenken wieso sich eine Frau einen Zombiefilm anschauen will. Zu meiner Verteidigung muss ich erwähnen, ich hatte in den letzten 3 Jahren kaum länger als 10 Minuten mit Mädchen gesprochen und dachte, dass Mädchen auf Einhörner und Barbie Puppen stehen würden. Und jetzt will diese Traumfrau mit einem Zombiefreak wie ich es zurzeit war, meist „geschmückt" mit langem, fettigem Haar, in einen Zombiefilm!

Nach wenigen Minuten erreichten wir die Stadt. Sie zog mich an meiner sicherlich verschwitzten Hand aus dem Zug. Auf mein inneres Yang konzentriert um weitere Schweißausbrüche zu verhindern, ging ich neben ihr und konnte einen Hauch ihres Duftes riechen. Ab jetzt war dies mein absolutes Lieblingsparfüm. Ich vermutete es roch nach Rosen, wobei ich nichts über Blumen weiß. So gingen wir nah nebeneinander her. Obwohl es nur einige hundert Meter zum Kino waren, perlte mir schon der Schweiß von der Stirn. Hatte ich schon erwähnt, dass ich nicht der Dünnste bin? Ich war aber auch nicht der Dümmste, da war ich mir der Absurdität, plötzlich Protagonist dieser Frau zu sein, sehr bewusst.

Als wir beim Kino ankamen sah sie enttäuscht, dass es geschlossen war. Mal ehrlich, wer erwartet, dass ein Kino um 11 Uhr offen hat? Ich zog sie in einem heroischen Akt zur Hintertür. Wo meine Eintrittskarte, also mein Kumpel Robert, schon auf mich bzw. uns wartete. Im Allgemeinen ist er so etwas wie mein bester Freund. Er ist 21 Jahre alt, aber ein wahrscheinlich noch ärgerer Zombiefreak als ich. Dazu ist er 2 Meter groß, hat schwarze Haar, braune Augen die von einer Hornbrille umrandet werden und sieht in seinem extrem dünnen und unsportlichen Körper wie der perfekte Mathelehrer aus. Seinen Eltern gehört das Kino, so gab es ab und zu Privatvorstellungen für mich. Ich schaffte es natürlich mit einem gezielten blick Robert zum Schweigen zu bewegen doch schon quoll es aus ihm heraus: "Ich wusste gar nicht, dass du eine Freundin hast". Fast hätte ich vergessen zu erwähnen, dass er trotz seines eher schüchternen Aussehens eine ziemlich vorlaute und provokante Art hatte. Ich, peinlich berührt, wollte natürlich eine Erklärung stottern, aber Alex kam mir zuvor in dem sie meinte, dass wir erst seit Kurzem zusammen wären. Ich fügte mit dem Selbstbewusstsein eines Chihuahua ein „Genau" hinzu bis ich merkte was sie gerade gesagt hatte. Glücklicherweise schob sie mich an Robert vorbei, bevor ich noch vollkommen die Fassung verlieren konnte.

Als ich sie mich fragte was das alles sollte und ich mit einem roten Kopf, der einer Tomate Konkurrenz gemacht hätte, nachdachte was sie mit dieser Frage gemeint haben könnte. Gab sie sich selbst die Antwort. „Du dachtest wohl wir kommen gratis ins Kino, stimmts?" Ja, war meine erleichterte einfache Antwort. Nun ließ sie endlich meine Hand los und ich nutzte die Gelegenheit den Schweiß loszuwerden und sie anzulächeln. Sie lächelte freundlich – oder was es schelmisch? - zurück. Hier soll gesagt sein, ich verhalte mich normalerweise nicht wie ein geistig zurückgebliebener Esel, aber das war heute eine völlig ungewohnte, besondere Situation.

Nachdem mein Freund, der Kinobesitzersohn, uns eine Vorführung zu dieser Stunde ermöglichte, zog ich sie - in einem erneuten Anflug von heroischer Männlichkeit - zuerst zum Popcornautomaten, dann in den Kinosaal.

Es ist zwar klischeehaft, aber als der Film anfing tat ich so als würd mich der Film langweilen, ich begann zu gähnen (ist in dieser Situation sicher authentisch) und legte meinen Arm um ihre Schulter. Es dauerte gar nicht lange, da lehnte sie zu meiner völligen Verblüffung ihren Kopf an meine Schulter.

Ich denke jetzt zwar nicht, dass der Film die besten Voraussetzungen für den ersten Kuss lieferte, besonders als am Ende des Films der Hauptdarsteller den Kopf seiner geliebten küsst und diese ihm die Zunge abbiss. Trotzdem überkam mich der Drang sie zu küssen, was ich dann in einer Welle jugendlicher Dummheit auch tat. Als der eher kurz geratene Kuss zu Ende war, war ich extrem peinlich berührt, denn sie sagte, dass sie eigentlich schon einen Freund hätte.

Das waren eigentlich bei einem Mädchen, das so aussieht, sonnenklar. Jedenfalls sagte sie nach diesem Satz gar nichts mehr. Ich auch nicht. Ich brachte sie zum Bahnhof. Unhöflichkeit wäre jetzt auch nicht angebracht gewesen.

Am Bahnhof angekommen bemerkte sie sofort ihren Freund und rief nach ihm, wobei sie auch einige Schritte auf ihn zuging. Als ich de Typen etwas genauer betrachtete, dachte ich sofort, dass er der Prototyp eines Frauenhelden sei. Braunes, hochgestelltes Haare mit Sidecut. Muskulöse Arme und 1, 80 groß (hab ich schon erwähnt das ich auch so groß bin?). Bei noch näherem Hinsehen erkannte ich seine blutunterlaufenen Pupillen, sein zerrissene Hemd welches den Blick auf seinen Körper zuließ. Der Typ war ein Zombie, der Bauch war offen, man konnte seine kompletten Eingeweide sehen! Ekelig der Typ. Und so einen hielt ich für einen Frauenheld. Und dann musste ich noch mit fasziniertem Entsetzen zuschauen wie er meiner Traumfrau, vor meinen Augen, den Zungenkuss ihres Lebens ihre Kehle drückte. Sofort war ich aufgeklärt was der Begriff die Zunge in den Hals eines Mädchens stecken, bedeutet. Nachdem sich meine Starre gelöst hatte, fasste ich den Entschluss zu verschwinden - wohin war in diesem Moment völlig unwichtig.

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