Jonathan und die alte Frau

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Jonathan – der damals ungefähr so alt war, wie ihr es heute seid - war kein Feigling, bei Leibe nicht! Aber als es langsam finster wurde und ihm der Schneesturm immer stärker ins Gesicht blies, da bekam er es doch langsam mit der Angst zu tun. Er konnte kaum noch den Weg erkennen und er wusste, dass er noch mindestens eine Stunde bis nachhause brauchen würde.

Natürlich gab es da noch die Abkürzung durch den Wald. Jonathan war sie aber bisher nie gegangen, denn sein Vater hatte ihm das ausdrücklich verboten. „Gehe nie in diesen Wald!" hatte er gesagt. „Dort geschehen schreckliche Dinge! Viele, die in ihn hineingegangen, sind nie mehr heraus gekommen. Und wenn doch, waren sie nicht mehr die Selben."
Doch Jonathans Sachen waren pitschnass, und er fror erbärmlich. Wenn er durch den Wald gehen würde, könnte er sich schon bald am Ofen wärmen. Seine Furcht war zwar groß, doch die Aussicht, bald zuhause zu sein, war zu verlockend und so kam es, dass Jonathan den sicheren Weg verließ und hinein in den tiefen, dunklen Wald ging.

Tatsächlich hatte der Wald etwas Unheimliches an sich. Die Bäume waren viel größer, sie mussten uralt sein. Die Luft roch vermodert und kein Laut war zu hören. Es schien fast so, als ob sich schon seit Jahrhunderten kein Mensch an diesen verwunschenen Ort verirrt hätte. Jonathan überlegte kurz, ob er umkehren sollte, doch dafür war er schon zu weit gegangen.

Doch plötzlich, wie aus dem Nichts kommend, durchbrach ein schauerliches Rufen diese Stille. „Jonathan! Jonathan!!" Jonathan hielt den Atem an und lauschte in den dunklen Wald hinein, doch nichts war mehr zu hören. Vorsichtig ging er weiter. Aber dann, er war noch nicht weit gekommen, hörte er das Rufen erneut. „Jonathan. Jonathan komm her zu mir!" Sein Herz schlug immer lauter in seiner Brust und er begann zu zittern. „Wer konnte das nur sein? Vielleicht..." Jonathan wurde für einen Moment ganz froh, „vielleicht sind mir meine Eltern entgegen gegangen." Also rief er zurück: „Papa? Mama? Wo seid ihr?"
„Hier... hier bin ich." Jonathan konnte ungefähr ausmachen, woher die Stimme kam und ging auf sie zu. Immer tiefer kam er dabei in den Wald hinein und kämpfte sich durch den tiefen Schnee.

Da! Da war es wieder. „Jonathan! Jonathan, hilf mir." Der Schneefall war zu dicht, um gut zu sehen, aber trotzdem konnte er eine Gestalt ausmachen, die langsam auf ihn zukam. Zuerst konnte er noch nicht genau erkennen, wer oder was das war, aber als sie näher kam, sah er, dass es eine alte Frau war, die hinter sich einen Schlitten herzog. Jonathan war enttäuscht, dass es nicht seine Eltern waren. Doch auch erleichtert, denn diese Alte würde ihm wohl nichts Böses wollen.
„Ich habe dich noch nie gesehen, alte Frau." sagte Jonathan, „Woher kennst du meinen Namen?"
Da lachte die Alte, dass man ihre schiefen, gelben Zähne sehen konnte. „Hä, hä, hä. Wenn man so alt ist, dass man alle Bäume des Waldes hat aufwachsen sehen, weiß man alles, auch den Namen eines kleinen Jungen, wie du einer bist." Sie war uralt und hässlich! Ihr langes, weißes Haar fiel ihr über das faltige Gesicht, sie hatte einen riesigen Buckel und stank furchtbar, fast wie Schwefel.
Fortsetzung folgt...

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