Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.
Einige Tage vergingen. Mittlerweile saß ich, wie die ganzen Stunden, auf dem Fensterbrett und starrte nach draußen. Hier waren nicht nur Tannen, wie bei Duncan, sondern auch Laubbäume; wobei langsam die Blätter herunterfielen. Das Wetter war in der letzten Zeit nicht ganz so prickelnd. Es regnete ständig und die Stimmung war fast genauso beschissen, wie ich mich fühlte. Zumindest was das Einsperren betraf.
Sonst ging es mir einigermaßen körperlich besser, aber die Kotzerei änderte sich leider kaum. Deswegen war ich auch der Annahme, dass mich Duncan doch geschwängert haben musste. Unvermittelt legte ich meine Hand auf meinen Unterbauch und streichelte sanft darüber. Ich durfte niemals zulassen, dass irgendwer aus Jonathans Rudel davon erfuhr und erst recht nicht er.
Ich zuckte zusammen, als sich plötzlich die Tür unverhofft öffnete und mein Vater im Raum stand. Auf der Stelle nahm ich meine Finger wieder weg. Zum Glück bemerkte er es nicht. Er trat auf mich zu und hielt schlagartig mein Handgelenk fest. »Warst du schon fruchtbar?« Die Frage riss sofort meine Aufmerksamkeit auf sich. Scheiße. Ich war gar nicht darauf vorbereitet, dass er nun so etwas wissen wollte, aber was sollte ich tun? Deshalb nickte ich einfach.
»Wann?«, fragte er mich. »Einen Tag bevor ihr mich geholt habt«, sprach ich nüchtern. »Hattest du in dieser Zeit was mit River?«, wollte er misstrauisch wissen und ich sah ihn emotionslos an. Ich konnte doch besser lügen, wie gedacht. »Nein. Wir waren in getrennten Räumen«, log ich gekonnt und er glaubte mir tatsächlich. Zum Glück, denn es musste so ehrlich wie nur möglich herüberkommen. »Wollte River nicht, oder was?«, feixte er prompt und am liebsten hätte ich gekotzt. »Er meinte, dass ein Kind in diesem Moment nicht passt, gerade... wegen dir.«
Seine Augen funkelten belustigt auf, als er seinen Blick nach draußen aus dem Fenster schweifen ließ. »Dann ist das wenigstens ein Problem weniger, denn ein Baby von ihm hätte in meinem Rudel nichts zu suchen. Das weißt du auch. Aber du lügst mich doch nicht an, oder?« und sofort schaute er mir wieder ernst ins Gesicht, doch ich blieb eisern. »Das werde ich nicht tun. Die Konsequenzen wären einfach zu groß« und er nickte. »Du lässt dich schneller beugen, als ich dachte. Das ist gut und es sind auch einige Pluspunkte für dich. Wenn weiter alles so glatt läuft, dann wirst du erst einmal nichts zu befürchten haben.« Trotz dessen zog er diese nur allzu bekannte Spritze aus der Hosentasche.
»Wie lange willst du das eigentlich noch machen?«, fragte ich nun vorsichtig. »Das kann doch nicht gut sein«, aber er setzte sie trotzdem an meiner Haut an. »Das wird dir nicht schaden. Immerhin brauche ich dich noch. Also musst du dir darüber keine Gedanken machen. Geht es dir wieder etwas besser?« Mir war bewusst, dass er extrem misstrauisch mir gegenüber war, aber ich musste ja irgendwie meine Kotzerei erklären. Deswegen sagte ich leise: »Nicht ganz. Das Fieber ist zwar gesunken, aber mir ist immer noch übel und mir tut alles weh.«
Daraufhin nickte Jonathan. »Gut. Wenigstens ein Anfang. Dann kannst du ja nun in das Zimmer von Shane.« Schlagartig wurde ich blass. »Wie jetzt?«, musste ich auf Anhieb wissen. Ich war komplett geschockt. Das konnte er mir doch nicht antun. Wollte er, dass man seine Tochter gegen ihren Willen berührte? »Na, so wie ich es sage. Du wirst bei meinem Beta schlafen. Immerhin habe ich ihm versprochen, dass er dich haben kann und ich halte immer mein Wort.« Das durfte nicht sein. Ich wollte nicht wieder so etwas Schlimmes erleben und prompt musste ich die Erinnerungen abschüttelt. Dennoch war es schwerer wie angenommen.
»Aber...«, begann ich schwer zu schlucken. »Kein Aber. Du warst lange genug hier in diesem Zimmer. So hat er besser ein Auge auf dich. Außerdem wird er dir sowieso irgendwann ein Kind schenken. Deswegen kannst du dich auch schon mal an ihn gewöhnen.« Zugleich traten mir doch Tränen in die Augen und erneut schossen die Bilder in meinem Kopf, wie dieser Mann über mich drüber rutschte. Nun bereute ich es, dass ich ihn nicht selbst in Duncans Keller umbrachte, bevor er entwischen konnte.
Jonathan zog mich herzlos mit sich in einen engen Flur, dessen Wände schon halb zerfielen. Im Anschluss liefen wir rechts durch eine andere Tür. Er klopfte nicht an, sondern ging gleich mit mir hindurch. Shane saß auf seinem Bett und hatte ein Handy in der Hand. Auch dieser Raum war kaum bestückt. Nur ein Bett und ein paar wenige Schränke befanden sich darin. Keine Blumen. Keine Bilder. Nichts Wohnliches. Kurz darauf stieß mich mein Vater unsanft hinein und ich schaute den sitzenden Mann wie ein ängstliches Reh an, obwohl ich ihm eigentlich nicht die Genugtuung geben wollte, meine Angst zu zeigen. »Ab jetzt wird sie bei dir bleiben. Pass auf sie auf. Ich muss dringend etwas erledigen.« Keiner fragte, was er vorhatte und um ehrlich zu sein, interessierte es mich reichlich wenig und Shane traute sich sicherlich nicht zu fragen. Dann verschwand mein Vater auch schon wieder, ohne irgendein Wort zu sagen.
Mit wildem Blick schaute ich mich verstört im Zimmer um und wich zitternd in die entfernteste Ecke des Raumes. Shane hingegen musterte mich mit erhobener Braue. »Was für eine Überraschung. Dass du so schnell hier reinkommst, hätte ich nicht angenommen. Nun ja...« Er klopfte mit der Hand neben sich aufs Bett, worauf er saß. Auf Anhieb nagte eine extreme Angst in mir und auch Shane spürte das sofort, doch davon ließ er sich nicht wirklich beirren. »Komm schon.« Seine Stimme klang ruhig, fast schon lieb. Unsicher und mit bebenden Gliedern, lief ich nun doch auf ihn zu. Es war eindeutig besser, als das er mich wieder schlug.
Trotzdem konnte mich kaum noch beherrschen, so sehr stand ich vor einem Heulkrampf und auch das Tier in mir, verschwand in der hintersten Ecke meines Seins. Durch dieses Zeug, was durch meinen Körper floss, wurde sie so schon in den Hintergrund geschoben und meine menschliche Seite drängte sich viel zu sehr in den Vordergrund, sodass sich meine Empfindungen kaum mehr verstecken ließen. Er lähmte mich regelrecht und alles nur, weil er mir so etwas Schlimmes antat. Verschreckt setzte ich mich von ihm so weit wie möglich weg und wie es das Bett zuließ. Ich hoffte einfach nur, dass er mich nicht berührte.
Plötzlich drehte er sich abrupt zu mir und seinen Gesichtsausdruck konnte ich nicht deuten. »Wo schlafe ich?«, begann ich leise. »Natürlich in meinem Bett!«, sprach er mit gerunzelter Stirn und verdrehte genervt die Augen. »Mein Tag war heute ziemlich übel. Halte einfach nur deine Klappe und tue das, was ich dir sage.« Sofort dachte ich an ihn, wie er auf mir lag und ein Schauer fuhr über meinen Körper. »Bitte nicht!«, winselte ich und sah ihn flehend an. »Bitte tue mir das nicht wieder an« und Shane schien kurz zu überlegen. »Weißt du... bis vor ein paar Stunden, wollte ich dich noch ficken, sodass du keinen Schritt mehr laufen kannst, aber...« Er machte eine kurze Pause und sah mich prüfend an. »Aber?«, hauchte ich leise. »Ich habe heute ein Mädchen am Stand gesehen.«
Ich wartete was nun kam und dachte erst, dass er mir sonst was für eine Geschichte auftischte, doch als er anfing zu sprechen, dachte ich echt vom Glauben abzufallen. »Sie ist meine Mate!« Ich riss die Augen geschockt auf. »Bitte was?«, keuchte ich. Vielleicht war das ja irgendwo gut für mich, doch wenn ich an meinen Vater dachte, nicht wirklich. Aber was war mit ihr? Sie tat mir schon jetzt leid, mit so einem Ungeheuer verbunden zu sein.
»Und nun?«, wollte ich verblüfft wissen. »Dein Vater lässt mir viel Freiraum. Er vertraut mir. Und ich... wie soll ich es sagen... Ich konnte sie nicht zurücklassen. Sie ist im Keller.« Keine Ahnung, warum er das mir sagte, aber wahrscheinlich hatte er hier sonst keinen. Bei den anwesenden Leuten auch nicht zu verübeln. »Du hast sie eingesperrt?«, fragte ich sprachlos und sprang wieder auf meine Beine. »Ich habe ihr nichts getan, falls du das jetzt denkst. Da wir allerdings keine Frauen hier haben, außer dich, musste ich mir etwas überlegen und habe Jonathan erklärt, dass sie neben dir, mein neues Spielzeug ist.« Oh, nein.
»Du kannst sie doch nicht dort unten lassen«, hauchte ich und bekam eine extreme Gänsehaut, weil ich mich wieder an die Kälte und Nässe erinnerte. »Mir bleibt nichts anderes übrig und Jonathan wird sie hier oben nicht dulden. Da ich sie aber in meiner Nähe wissen will, ist sie halt unten.« Das arme Mädchen, dachte ich und wusste nicht, was ich nun tun sollte. Immerhin wurde sie nun genauso wie ich entführt. Doch wollte er überhaupt meine Meinung hören? Egal. Es musste raus. »Du kannst sie da nicht ewig lassen. Es ist einfach viel zu kalt dort unten und das weißt du auch. Außerdem wird sie das verletzen, wenn du mich...« Versteht er überhaupt was diese Verbindung bedeutet?