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Kapitel 3

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Ich zitterte am ganzen Körper. Nur mit viel Beherrschung konnte ich meine Zähne noch davon abhalten, zu klappern. Ich war ein verdammter Feigling – schon immer gewesen. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich einen gewissen Stolz verspürte, endlich vor diesem bloßen Meisterwerk zu stehen, war mir gleichzeitig klar, dass mein Leben jeden Moment ein nicht sehr glorreiches Ende nehmen konnte.

Es war eine absolut dumme Idee gewesen, zu diesem Schiff zu gehen, sich ihm überhaupt erst zu nähern. Es war naiv, alles andere als verantwortungsvoll und töricht. Aber anscheinend waren diese Eigenschaften in dieser Nacht zu meinen besten Freunden geworden. Denn obwohl mein gesunder Menschenverstand mir mehrmals gesagt hatte, dass ich mich einfach wieder in mein Bett begeben und diese hirnrissige Aktion vergessen sollte, hatte ich nicht darauf gehört. Ob es mich mehr beunruhigte, dass mir das gar nicht ähnlich sah oder dass dieser Umschwung meines Verhaltens mit diesem Schiff zusammenhängen musste, wusste ich nicht.

Ich atmete tief durch, bevor ich mich schließlich nach einer Möglichkeit umsah, um endlich an Deck zu kommen. Ein einziges Mal würde ich etwas Dummes tun, danach konnte ich weitermachen wie zuvor. Je schneller das Ganze über die Bühne gehen würde, desto besser. Während ich langsamen Schrittes neben dem Schiff entlanglief, streckte ich einen Arm in dessen Richtung aus, doch kam nicht ganz heran. Stattdessen fühlte es sich so an, als würde eine ungewöhnliche – vielleicht sogar etwas unheimliche – Wärme von dem Holz ausgehen. Das Leuchten, das blaue Schimmern hatte sich, je näher ich gekommen war, immer mehr verflüchtigt. Was war das nur? Eine optische Täuschung? Magie? Aber ich hätte schwören können, dass es dagewesen war. Schon damals, als ich es mit Lero auf dem Meer beobachtet hatte. Sollte es sich tatsächlich um Magie handeln, fragte ich mich, was sie wohl bewirkte. Hier in Iskarús, einem Land, welches nicht sonderlich aufgeschlossen gegenüber jeglicher Magie war, war ich noch nie mit ihr in Berührung gekommen. Und dabei stellte ich es mir unheimlich faszinierend vor – immerhin gab es einige Arten; Kristallmagie, Pulvermagie, Wassermagie und noch viele mehr.

Liebend gerne hätte ich einen der Männer gefragt, schließlich mussten diese doch eine Ahnung haben. Leider war das aber nicht möglich. Ich hatte zwar festgestellt, dass ich etwas lebensmüde war – doch so lebensmüde nun auch wieder nicht.

Nach einigen Metern entdeckte ich schließlich die Strickleiter, die an der Reling des Schiffes und gleichzeitig auch an Holzpfählen auf meiner Seite angebunden war. Die Vorstellung, von dieser herunterzufallen, löste ein unbehagliches Gefühl in meinem Inneren aus. Irgendein sehr kleiner Teil von mir hatte eigentlich gehofft, keine Möglichkeit zu finden, um auf das Schiff zu gelangen. Doch mit der Strickleiter vor mir schien das wohl nicht mehr zur Debatte zu stehen. Für einen Moment blickte ich gen Himmel, an dem nur ein paar wenige Sterne zu sehen waren, aber das wunderte mich nicht – es war bereits den ganzen Tag bewölkt gewesen. Es schien, als würde mir ein perfekt ausgelegter Weg präsentiert werden, Hauptsache, ich beging den Fehler und begab mich auf das Schiff. War es das, was man Schicksal nannte?

»Du gehst einfach nur für zwei Sekunden nach oben und verschwindest dann wieder. Es kann nichts schiefgehen«, versuchte ich mich zu beruhigen, während ich mit zittrigen Händen nach der Leiter griff. Ich stellte den ersten Fuß auf eine der Holzsprossen und drückte mich nach oben. Bevor ich einen weiteren Schritt tätigte, schloss ich für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Ich wusste, dass direkt unter mir ein relativ großer Spalt war, durch den ich mit Leichtigkeit fallen konnte, bevor ich dann in die Kälte Rhonirs, dem Meer, eintauchen würde. Ich riskierte nicht einen einzigen Blick nach unten, mit dem Wissen, dass dieser mich nur noch mehr zum Zittern bringen würde.

Als ich mich einigermaßen zusammengerissen hatte, fasste ich schließlich weiter nach oben und legte, so schnell es ging, den Abstand zurück, der mich vom Deck des Schiffes trennte und größer war als gedacht. Oben angekommen, schwang ich ein Bein über die Reling und kam mit einem dumpfen Ton schließlich zum Stehen.

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