4

3.8K 164 20
                                    

Ophelia pov.
Es war ein Leichtes gewesen ins Institut zu gelangen. Niemand hatte mich gesehen und wenn, dass hatten sie mir keine Beachtung geschenkt. Kein Wunder, unter all den schwarz gekleideten Gestalten fiel eine weitere nicht auf. Niemand würde darauf kommen, dass sich kein Shadowhunter unter dem lockeren, schwarzen Kleid befand. Herrgott, ich hatte es sogar geschafft in sein Zimmer zu gelangen, ohne dass irgendjemand verdacht schöpfte.

Ein kahles Zimmer, typisch für einen Selbstmordgefährdeten, in diesem Punkt unterschied er sich also nicht von den unzählig anderen Suizidopfern. Keine Bilder, keine Farbe an den Wänden, ein paar Waffen, ein Schreibtisch, ein grosses Bett und ein Schrank, mehr nicht. Nur das Nötigste. "Sag mir eines, Shadowhunter, was sind deine Beweggründe... wieso willst du all das hier aufgeben.", murmelte ich fasziniert und drehte das einzige Foto, dass sich im ganzen Zimmer befand, in meinen Fingern. Das Mädchen von zuvor... ihrer Ähnlichkeit zu ihm nach zu deuten, seine Schwester, das Mädchen, dass bei einem Forsaken-Angriff sterben würde. Beide lachten auf dem Foto und es sah so aus, als würde er seine Schwester über alles lieben. "Wieso solltest du sie alleine lassen wollen?", wisperte ich und beugte mich schliesslich über ihn. Dieser Typ hatte wirklich einen verdammt tiefen Schlaf, wenn er es nicht einmal mitbekam, dass ich nur wenige Zentimeter neben ihm stand. Ich bekam es nicht in meinen Kopf. Er passte nicht in die Vorstellung eines Depressiven. Zum einen hatte er seine Schwester, eine grosse Familie und zum anderen war er gesund, jung und gutaussehend, es passte einfach nicht.

Ich war neugierig und im Moment war diese Neugier nicht mehr aufzuhalten, langsam hob ich meinen Finger und bevor ich länger darüber nachdenken konnte, fuhr ich ihm die Haare aus der Stirn und legte meine mittel und Zeigefinger auf seine beiden Schläfen. "Du bist wirklich unglaublich interessant, mein Shadowhunter.", wisperte ich, bevor ich meine Augen schloss und mich konzentrierte. Er begann sich leicht zu bewegen, wachte jedoch nicht auf und so durchführte ich das, was ich vorhatte. "Ophelia."

"Alec... Alec, Nein!" Eine Stimme durchbrach die Dunkelheit, bis sich nach und nach das Bild aus einzelnen Farbpunkten zusammensetzte und die Dunkelheit verschwand. "Alec! Was tust du, du machst mir Angst..." Das Bild wurde scharf und da war es. Alecs Todestag. Der grosse, taffe Shadowhunter stand verzweifelt auf dem Geländer einer Terrasse, einen Schritt davon entfernt, in die 50 Meter tiefe Tiefe zu fallen, ein rothaariges Mädchen daneben. Besorgt und ängstlich um ihn, Alec, der den Anschein machte, als würde er tatsächlich springen wollen. "Alec, bitte, komm da runter!", sprach sie darauf bedacht, nur langsam auf ihn zuzugehen und möglichst beruhigend zu sprechen. "Ich weiss... du wünschst dir ich wäre tot und nicht Jocelyn...", flüsterte er verzweifelt und starrte auf den Ausblick vor ihm. Ein ungutes Gefühl überkam mich, ich wusste bereits, wie das alles hier enden würde. "Keine Sorge... nimm meine Hand...", versuchte sie es erneut, jedoch ohne Erfolg, er drehte sich quälend langsam um und mit einem letzten Aufschrei aus dem Mund der Rothaarigen stürzte er sich selbst in die Tiefe. Ein leiser Aufprall erklang und ohne hinunterblicken zu müssen, wusste ich, dass er tot war.

Mit einem Keuchen riss ich meine Augen auf. Ich schnappte nach Luft, blickte angestrengt nach oben, bis das Bild vollkommen verschwand und meine Sicht wieder scharf wurde, mir die weisse Zimmerdecke oberhalb von mir zeigte. Sofort schnellte mein Blick zu Alec, der noch immer schlief, seelenruhig. Ich lehnte mich gegen das Bettgestell und fuhr mir durch die Haare. Für eine kurze Zeit schloss ich meine Augen, bevor ich sie wieder öffnete und ihn ansah.

"Vielleicht hast du Glück, dass du nicht länger lebst, Shadowhunter.", seufzte ich auf und legte mich neben ihn auf sein Bett. "Vielleicht... auch nicht, vielleicht ist der Tod eine Strafe, vielleicht etwas Gutes... wer weiss das schon. Aber weisst du was, Shadowhunter? Ich habe schon unzählige sterben sehen, Kinder, die noch nicht einmal 5 Jahre alt wurden, Mütter, die bei der Geburt ihres Kindes starben, verzweifelte Menschen, wie du, die es alles selbst enden lassen. Alles hat seine Richtigkeit, alles gehört zu einem Plan, der so viel grösser ist, als ihr kleines Wesen. Alles ist vorprogrammiert, dein Leben ist vorprogrammiert und all das hier, was jetzt wie ein Fluch erscheint, ist nur ein Opfer, das eingegangen werden muss... jedenfalls... denke ich das. Es hat seine Richtigkeit!", murmelte ich zu ihm, mir war allerdings klar, dass ich mich selbst zu überzeugen versuchte. Wenn man so viele harte Tode miterlebt hatte, war es vollkommen normal, manchmal zu zweifeln. "Es hat seine Richtigkeit.", flüsterte ich nochmals, stand dann auf und verliess dann sein Zimmer.

Ophelia (Alec Lightwood)Where stories live. Discover now