16. Lebenszeichen und Zukunftspläne

1.2K 52 3
                                    

Es war warm. Meine Beine schwer. Ich konnte sie nicht heben. Nach einer Weile verstand mein Hirn, dass etwas auf mir drauf liegen musste. Ich öffnete die Augen und riss sie Sekunden später erschrocken weit auf.

„Ein Wolf!", schrie ich.

„Musst du mich immer so wecken? Ehrlich... Du bist so laut...", murrte der Wolf.

Ich atmete ein paar mal panisch tief ein und aus und versuchte mich krampfhaft wieder zu beruhigen. „Nicky?", fragte ich mit zitternder Stimme.

„Ja", murrte er.

„Wieso liegst du auf mir drauf?"

Er sah mich nicht an. „Ich konnte nicht schlafen", sagte er leise.

Ich lächelte und wuschelte dem Wolf über seinen weichen kuscheligen Kopf. Das war gar nicht so einfach ohne meine Beine dabei zu heben. „Du bist niedlich", sagte ich.

„Ich bin nicht niedlich!", sagte er murrend, streckte mir aber seinen Kopf entgegen und ließ sich streicheln.

Ich legte mich wieder hin und sah nach oben.

Genau in diesem Augenblick fielen mir meine Eltern wieder ein. Sollte ich fragen, ob ich sie anrufen kann? Wollte ich das überhaupt? Aber war ich ihnen das nicht irgendwie schuldig? Ein Lebenszeichen ihrer verschollenen Tochter? Ich wusste, dass Nicky mir zuhörte, aber er sagte nichts. Was sollte ich schon sagen? 'Na, wie geht's? Ich bin übrigens nicht tot. Nur schwer verletzt bei Werwölfen, die mich vielleicht essen. Sonst geht es mir total gut. Ich genieße die Freiheit, nachdem ich verkauft und dann gefoltert wurde. Nicht zu vergessen fast vergewaltigt. Aber hey, ich wurde gerettet und jetzt bin ich irgendwo in Kanada, umzingelt von Wölfen. Ich komme wahrscheinlich nicht nach Hause, also schönes Leben noch!'

Super Idee. Ich seufzte. Ich sah auf den kleinen Wolf als ich sah, dass er zitterte. Ich wollte ihn gerade fragen, was los war, als er anfing zu lachen. Ich hatte noch nie einen lachenden Wolf gesehen und musste zugeben, es sah merkwürdig aus, aber er lachte weiter.

„Ich glaube nicht, dass deine Eltern sich über so etwas freuen würden, wenn du denen das sagst", sagte er als er sich ein bisschen beruhigt hatte.

„Und wieso lachst du dann?"

„Ich weiß auch nicht, aber es ist irgendwie lustig." Wieder begann er zu lachen. Dann atmete er mehrere Male ein und aus und beruhigte sich wieder genug, um mit mir zu reden. „Ich denke außerdem nicht, dass mein Bruder dich essen wird. Er mag gerne Kuh essen, hat er gesagt. Ich glaube kaum, dass du eine Kuh bist."

Jetzt musste ich lachen. Eigentlich war das gar nicht so lustig, aber trotzdem musste ich lachen. „Okay, also isst dein Bruder keine Menschen."

„Die essen hier alle keine Menschen. Die essen nur Tiere und ganz viele Pflanzen. Manchmal essen die sogar Blumen. Verstehe ich nicht. Aiden sagt, du hast zu wenig Fleisch auf dem Bauch und deswegen musst du mehr essen. Dein Fleisch will er aber trotzdem nicht essen."

„Du bist so süß", rutsche es mir wieder raus, während ich weiter lachte. „Gut, ich werde also nicht gegessen. Aber ich bin kein Wolf. Ich kann doch nicht einfach hier bleiben", sagte ich.

„Du kannst nicht gehen", sagte die tiefe Stimme von Aiden ernst.

Ich begann zu zittern. „Was meinst du damit?", fragte ich jetzt mit bebender Stimme.

„Du weißt zu viel", sagte er knapp.

„Über was?"

„Über uns."

Ich sah ihn verängstigt an.

„Aiden! Du lässt sofort meine Patientin in Ruhe! Du machst ihr Angst, du dummer Wolf!" Maggie gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.

Kalte KellerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt