Kapitel 7 - Der Sommermacher

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Das Recht zu richten obliegt der Spinne, so handelt und denkt in ihrem Sinne.
Deserteure und Erben der Verräter, unter ihnen keine Missetäter.
Der Donner ruft die Botin her, in Twos herrscht nun kein Winter mehr.
Für die Antagonisten eine Warnung, die Rebellion wird Teil der Planung.


~Mile~
6. Haluk 80'024 IV

»Steh auf!« Mile packte seine Schwester an den Schultern und zog sie auf die Beine. Beim Anblick des Drachen war sie zur Salzsäule erstarrt und er musste zugeben; erst war es ihm genauso ergangen. Nun hatte er sich aber wieder besonnen. Ohne das Ungeheuer, das in Schräglage dicht über dem Eis seine Kreise um sie zog, aus den Augen zu lassen, lotste er Sabrina über das Packeis hinter sich her, bis er an Reds Seite war.

Die rote Kriegerin hatte ihre Armbrust gesenkt. Auch sie starrte den Drachen an, jedoch nicht überrascht oder ängstlich; sie wirkte nur sehr zornig.

»Drache! Wir müssen hier weg!«, versuchte Mile, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und als sie nicht reagierte, rüttelte er ihre von Blut und Tran bedeckten Schultern. Doch Red ignorierte ihn. Als hinter ihnen Hänsel zu schimpfen begann, wandte sie sich um.

»Warst du das?«, donnerte der Garraeli gerade. Die Geschwister Björkson stapften in ihre Richtung, der Hüne den verwundeten Oskar durch den Schnee zerrend, seine Schwester die eingewickelte Kinderleiche tragend.

»Jemand musste ja vernünftig sein!«, antwortete Gretel ihrem narbigen Bruder und warf Pinocchios Kadaver achtlos in den Schnee vor Miles Füsse.

»Du warst das?!« Nun richtete sich auch Reds Wut gegen die Monsterschlächterin. »Meine Befehle waren ausdrücklich, den Rat nicht zu informieren!«

»Reeed!«, brummte Mile gedehnt. Wie ein Kind zupfte er an ihrem durchweichten Ärmel und deutete auf das riesige, geschuppte Monster. »Da ist ein Drache!«, knurrte er, doch noch immer ignorierte sie ihn.

»Dann steht der Rote Kommandant neuerdings über dem Willen der Herrscher der Harmonie?« Gretel grinste so breit, dass sie dabei einen Silberzahn entblösste, der Mile zuvor nicht aufgefallen war. Sie nickte in Sabrinas Richtung. »Ich half nur Ihrer Majestät, sich durchzusetzen.«

»Drache!«, wiederholte Mile, der einfach nicht fassen konnte, wie wenig die Tatsache, dass eine geflügelte und wahrscheinlich feuerspuckende Riesenechse sie umkreiste, seine Mitstreiter zu jucken schien. »Da ist ein riesiger Drache, der uns fressen wird!«

Tatsächlich mass der grün geschuppte Riese vom Nasenhorn bis zur Schwanzspitze rund sechs Meter, was die Spannweite seiner Flügel sogar noch übertraf, das schätzte Mile jedenfalls auf die Entfernung. Der Kopf sass auf einem langen Hals, die vier Beine waren im Flug an den kräftigen, aber schlanken Rumpf angezogen. - Der Anblick des Drachen, der so nah über dem Eis flog, dass er den Pulverschnee aufwirbelte; war atemberaubend. Und furchteinflössend.

»Nur die Ruhe, Mylord«, versuchte Hänsel Mile zu beschwichtigen. »Niemand wird-«

Auf einmal brach der Drache aus seinem Kreisen aus. Mit weit ausgebreiteten Schwingen segelte es aus seiner Schräglage und glitt auf sie zu.

»Er kommt!«, brüllte Mile und taumelte rückwärts, wobei er das Gleichgewicht verlor und in den Schnee fiel.

Der Drache setzte vorsichtig auf dem Eis auf, ganz sanft, damit es nicht brach. Der Untergrund gab ein Knirschen und Knacken von sich, doch er hielt. Etwa zweihundert Meter von ihnen entfernt kam der Drache zum Stehen und begann, den Akhlut zu verspeisen.

»Jetzt beruhige dich, der Drache wird uns nichts tun!« Red zog ihn auf die Füsse und legte ihm beruhigend die Hände auf die Schultern. »Niemandem wird etwas passieren.« Sie deutete auf das Ungeheuer. »Siehst du diesen Kasten, der an den Bauch geschnallt ist und das Wappen darauf? Das ist eine Gondel. Der Rat hat ihn geschickt.«

Twos - Ein Märchen von Sommer und Winter  - Neue Fassung (3)Where stories live. Discover now