Kapitel 9 - Das Attentat von LaRuh

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Wenn das Schicksal unbekannt, bleibt das Welken abgewandt.
Wer die Macht der Spinne kennt, kein Zweifel seine Taten hemmt.
Die Kinder, die gesegnet sind. Selbst Götter sind ins Netz gespinnt.
An die Spinne sollt ihr glauben, seht die Herrscher mit eigenen Augen!


~Sabrina~
7. Haluk 80'024 IV - LaRuh, Turdidey, Twos

Eine magische Fiedel, die von zwei kleinen Messingflügeln in der Luft gehalten wurde, war ihnen gefolgt. Ihr Bogen, geführt von unsichtbarer Hand, wiegte sich über den Saiten. Er entlockte ihnen eine leise Melodie, die sich mit ihnen von Raum zu Raum schlich wie eine Katze.

Normalerweise fand Sabrina es schwer erträglich, wenn Menschen ein so ausgeprägtes Charisma hatten wie Deron Drosselbart I. Doch sein Humor war so fröhlich und seine Art so herzlich, dass selbst sie sich in seiner Gegenwart wohl fühlte. Und das obwohl sie ihm misstraute.

»Wie ist eure Verfassung, Kinder?«, fragte der König, während sie zu dritt - wenn auch von einer Handvoll Gardisten eskortiert, darunter auch Eril und Taami - durch einen Flur gingen. Zu ihrer linken Seite befand sich eine weite Fensterfront, welche Ausblick auf die tanzenden Lichter des Stadtfestes bot. Er hatte ihnen irgendwann auf seiner Führung durch die Kongressburg LaRuhs das Du angeboten, wenn auch nur solange sie unter sich waren. »Ich hörte, eure ersten Tage in Twos waren nicht gerade von Drillon gesegnet? Sag mir, Mile, wie geht es dir?«

»Ähm... gut. Es war schon recht heftig«, meinte Mile ein wenig überrascht über Drosselbarts direkte Frage. »Sabrina und ich sind es zugegebenermassen nicht gewohnt, zu solchen... harschen Bedingungen leben... oder viel mehr überleben zu müssen.«

Drosselbart nickte ernst. »Dougal klärte mich über eure Herkunft auf. – In Twos gibt es viel Geschwätz über das Leben der Menschen in Modo. Vieles davon halte ich für Unfug, doch der Konsens scheint zu sein, dass das Leben dort sehr sorglos sein muss.«

»Es sind andere Sorgen und es ist nicht überall gleich«, wandte Sabrina da ein. »Aber da wo wir herkommen, leben die meisten Menschen ohne jeden Tag um den Tod bangen zu müssen.«

»Klug gesagt, Sabrina.« Der König wandte sich ihr zu, Sorgenfalten auf der Stirn. »Sag, wie geht es dir, mein Kind? Ich hörte, du hattest eine Begegnung mit den Inkern?«

Etwas überfordert mit der beinahe schon väterlichen Zuwendung des Königs, antwortete sie nur knapp: »Na ja, Narben werden bleiben. Aber geht schon. Ich komme klar.«

Drosselbart brummte zustimmend und blieb stehen, um den Geschwistern je eine seiner grossen Hände auf die Schultern zu legen. Jeder Finger war mit einem schweren Siegelring versehen. »In Zeiten wie diesen ist es schwierig, ein Versprechen zu halten, doch ich will es versuchen: Hiermit verspreche ich«, verkündete er, »dass ich es als mein Schicksal sehe und alles in meiner Kraft stehende tun werde, die Geschwister Beltran vor Pein und Harm zu bewahren. Dieses Versprechen soll gelten, so lange ich lebe!«

Die Geschwister blinzelten einander erstaunt an.

»Euer Vater war mein bester Freund«, erklärte der König, als er ihre Reaktion bemerkte. »Ich mag nicht mit seinen Entscheidungen einverstanden gewesen sein, doch ich fühle mich ihm gegenüber noch immer verpflichtet.«

»Also wirst du uns nicht zwingen, in eurem Krieg zu kämpfen?«, konnte Sabrina sich nicht verkneifen zu fragen.

Deron Drosselbarts Lachen hätte den Weihnachtsmann vor Neid erblassen lassen. »Oh Sabrina, deine Bestimmung wird nach dir rufen und du wirst diesem Ruf folgen. Ich werde dich zu nichts zwingen, du wirst den richtigen Weg von selbst gehen.« Er sagte das in seiner gewohnten Herzlichkeit, dennoch liess es Sabrina kalt den Rücken runterlaufen. »Keine Sorge«, brummte der König. »Hab Vertrauen in die Spinne.« Und damit stapfte er weiter, Mile hinterher.

Twos - Ein Märchen von Sommer und Winter  - Neue Fassung (3)Where stories live. Discover now