Kapitel 20 - Das verkaufte Schicksal

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Was den Elfen prophezeit, die Bevölkerung entzweit.
Viele Jahre abgeschottet, versteckt, was zu den Wurzeln rottet.
So sehr man sich zur Wehr auch setzt, der Elfen Ende beginnt jetzt.
Fauler Kern, vergiftete Quellen, aufgeschoben, den Baum zu fällen.

~Sabrina~
27. Moja 80'024 IV ~ Dom Askur, Om'agri, Twos

Ihre violette Robe war alles andere als unauffällig. Die Komplementärfarbe der gelben Créera liess sie hervorstechen und nun konnte Sabrina wirklich nachvollziehen, wie ausgestellt Brée sich zuvor im Palast gefühlt haben musste. Von allen Seiten wurde sie verwundert angestarrt, aber sobald sie näherkam, brach das Getuschel ab oder die Gruppen lösten sich auf. Doch keiner der Dienstboten oder Handwerker, die ihren Weg kreuzten, verpassten es, mindestens eine Verbeugung anzudeuten.

Da überall auf den Stegen die Imperi patrouillierten, bemühte sie sich gestresst, die Anmut der Elfen nachzuahmen. So leichtfüssig sie konnte, stieg sie in ihren Wiruri-Sandalen den Steg hinab. Sie hatte so gar keine Lust darauf, entdeckt zu werden und mit den Imperi diskutieren zu müssen. – Würde ohnehin nur an der Sprachbarriere scheitern...

Auf ihrem Weg kamen sie an bemalten Tierhäuten vorbei, die wie Plakate auf die Stege gehämmert waren. Lesen konnte Sabrina sie zwar nicht, doch die Bilder sprachen Bände: In weiss gekleidete Frauen, die pausbäckige Neugeborene in den Armen hielten. Soldaten in roten Rüstungen, die Fahnen mit dem Raben der Rebellen schwangen. Hässliche Gestalten in den Roben der Ramos, die von einer stattlichen Elfe in den Seidengewändern der Wiruri davongejagt wurden.

›Ob das die Leute hier überzeugt?‹, fragte Sabrina sich. Viel beeindruckender fand sie den Anblick der riesigen Falter, die hier überall abhoben und landeten. Die Stege und Plattformen, welche die Elfen um ihre Pilzsiedlungen gezimmert hatten, waren wohl so etwas wie Flughäfen für die Seidenspinner. Zudem fiel ihr auf, dass auch hier jeder der Mottenreiter ein Imperi zu sein schien. – Wie schon auf dem Stege ausserhalb des Nets um den goldenen Palast. - Die einzige Elfe, die Sabrina bisher auf einer Motte, aber nicht der blaue Seidenuniform der Imper gesehen hatte, war Brée gewesen. Sie würde sie danach fragen, wenn sie ihr das nächste Mal begegnete. Ihre geheime Nachricht hatte sie in der Tasche ihrer Robe verwahrt. Noch zügelte Sabrina ihre Neugierde, sie würde den Zettel auf der Jolly Roger lesen...

Als sie sich dem Schiff näherten, hörten sie schon von Weitem Jeremy Toppers Zetern. Er sprach auf Feléen, weshalb Sabrina ihn nicht verstehen konnte. Doch die Szenerie reichte, um zu erkennen, worum es ging: Eine Reihe Imperi hatte sich vor dem Fallreep aufgebaut, das vom Schiff auf den Steg führte. So versperrten sie Topper, Hänsel und den Verlorenen den Weg.

»Siehst du?«, zischte Falk. »Die lassen niemanden in die Stadt!«

»Und jetzt?«, flüsterte sie zurück. »Wie kommen wir aufs Schiff?«

»Mein Feléen ist nicht gerade gut, aber einen Befehlshaber kann ich imitieren«, brummte er mit einem bitteren Grinsen. »Ich kann es versuchen, was meinst du?«

Sie zuckte die Schultern. »Eine andere Wahl haben wir wohl nicht.«

Der Pirat nickte, zupfte seine Kapuze zurecht und liess seinen Armstumpf hinter dem Seidenumhang verschwinden. Dann marschierte er schnurstracks auf die Soldaten zu. Sabrina blieb in seinem Schatten.

»Murah or solur!«, bellte er und baute sich hinter den drei Stadtwachen auf. »Wiruri'dél mitiri ir.«

Verwundert drehten sie sich zu ihm um. Eilig salutierten sie, als sie seine Orden sahen. Einer von ihnen begann, auf den vermeintlichen Wachtmeister einzureden, doch Falk schüttelte den Kopf.

Twos - Ein Märchen von Sommer und Winter  - Neue Fassung (3)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora