Kapitel 4

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"Und?", fragten Tucker, Joann und ich wie aus einem Mund, als sich Shannon etwa zwanzig Sekunden später von Madame Laveau löste. Doch sie riss nur ihre Augen auf, die Gott sei Dank wieder normal waren. "Sie wacht auf. Schnell weg!" Anstatt von der Vision zu berichten, schubste mich Shannon zu meinem Platz. Im Laufen wischte sie sich den Blutstropfen von der Stirn. Auch Tucker und Joann sahen zu, dass sie davon kamen. Denn Miss Laveau war tatsächlich im Begriff aufzuwachen. Sie räusperte sich, fuhr sich mit der Zunge über die Lippe, bevor sie die Augen aufschlug. Wie in eine bequeme Jacke, schien sie zurück in die Realität zu schlüpfen. Nie zuvor hatte ich etwas vergleichbares gesehen... Obwohl Melinda ab und zu auch von nächtlichen Visionen gesprochen hatte. Eine Bewegung vor mir, riss mich aus meinen Gedanken. Es war Miss Laveau, deren stechender Blick in meine Richtung, mich zusammen fahren ließ.
Allerdings sagte sie zuerst einmal nichts, sondern läutete nur die goldene Glocke auf ihrem Schreibtisch.
Wenig später kamen Hope, Cynthia und Electra, die stets auf den großen Auftritt setzten, in die Klasse stolziert.
Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her. Ob Miss Laveau etwas bemerkt hatte? Unbestritten war sie eine der klügsten Frauen, die ich kannte.
Voller Unbehagen warf ich Shannon einen Blick zu. Doch die tat so, als seien ihre Fingernägel heute besonders interessant. Na super. Ich würde als bis zum Ende der Night School warten müssen, bis mir Shannon erzählte, was sie gesehen hatte.

Heute stand zuerst Transformationslehre auf dem Stundenplan, was wir aber gern als Verwandlungsunterricht bezeichneten, denn in dieser Stunde lernten wir Pferdeäpfel in Karotten und Knöpfe in Butterbrote zu verwandeln und so weiter. Danach stand Montags Einführung in die Nekromantie auf dem Stundenplan. In dieser Stunde brachte und Miss Laveau unter anderem bei, Projektionen von uns selbst zu erschaffen, so wie Hope es vorhin getan hatte. Später würden wir auch etwas über Totenerweckung und Zombiebeschwörung lernen. Das war allerdings mehr so theoretisch, glaubte ich. Wenn man mal einen Zombie brauchte, der einem half den Garten umzugraben oder so. Dachte ich mir jedenfalls.

Unnötig zu erwähnen, dass ich in beiden Kursen regelmäßig versagte und nichts auf die Reihe bekam, wenn man von Fröschen und Zuckerrüben einmal absah, die ich quasi wie am Fließband produzierte. Seit ich an der Voodoo Hexen -Abendschule unterrichtet wurde, war die Froschpopulation im Sumpf jedenfalls deutlich angestiegen. Was aussschließlich mir zu verdanken war.

Nach einem weiteren prüfenden Blick in Shannons und meine Richtung, der etwas länger als eigentlich nötig auf Shannons Stirn haften blieb, begann Madame Laveau endlich mit dem Unterricht.
"Wir sind vollzählig. Wunderbar. Ich würde sagen, wir beginnen mit den Hausaufgaben von Freitag. Wer möchte anfangen?"
Oh scheiße! Ich rutschte tiefer in meinen Sitz.
Natürlich schoss Hopes Arm sofort in die Höhe. Da sie direkt hinter mir saß, konnte ich sogar den Luftzug spüren.
"Hope. Fang an." Sichtlich gespannt setzte sich Miss Laveau auf ihr Pult.
"Freitag, habe ich am Sumpf eine Silberkette geopfert, mit dem Ritual von Seite 78, Voodoo-Handbuch. Dem mit dem Johanniskraut."
An dieser Stelle stieß Shannon einen Seufzer aus. Im Prinzip war ich da ganz ihrer Meinung. Hops altkluge Vorträge waren wirklich nur schwer zu ertragen. Um nicht einzuschlafen, musste ich in den nächsten Minuten, in denen Hope gestenreich ihr Opferritual beschrieb, meine gesamte Willenskraft aufbringen. Im Grunde genommen hatte Hope folgendes getan: Eine Menge Kräuter verbrannt, Erzulie ein Loblied gesungen, eine Silberkette in den Sumpf geworfen, zur Sicherheit einen Tropfen ihres Bluts auf die Stirn geschmiert - und sicherlich total bescheuert ausgesehen. Ich kicherte.
Hopes und Cynthias Köpfe fuhren herum. "Was ist daran so witzig? Was hast du denn bitte erreicht, Dawn? Immerhin hat Erzulie mir ein Zeichen gesandt!"
"Ach ja?", krächzte ich.
"Ja. Kurz nachdem die Kette im Sumpf versank, haben sich die Flammen des Feuers rosa verfärbt."
Na, wenn das nicht eine optische Täuschung gewesen war... Rosa war zwar die Farbe, die im Voodoo Glauben unserer Loa Erzulie zugeordnet war, aber das mit dem Feuer konnte jeder behaupten. Obwohl die Mambo Lügen normalerweise durchschaute.
Schnell warf ich Madame Laveau einen Blick zu.

Teenie Voodoo Queen ~Leseprobe~Where stories live. Discover now