2 Boschus Busch Kerne

516 88 138
                                    

          Der Botschafter trug das Stoffbündel bis unter sein Kinn gestapelt. Er entlud zwei Unterkleider, eine Korsage, lange Unterhosen und dicke Strümpfe auf mein Bett und trat zufrieden zurück, die Hände in die Seiten gestemmt.

Wer wusste, was er hatte tun müssen, um an diese Kleidung zu kommen.
Skeptisch näherte ich mich dem Wäschehaufen und nahm die lange Unterhose herunter. Sie war weiß und an den Knöcheln aufwendig gerafft.
„Abgesehen von der Farbe, könnte ich diese zu Hause mit nichts weiter als einem Oberteil und einem Schleier tragen und niemand würde sich wundern", informierte ich Yessaia, das Zupfen an meinem Herzen ignorierend.

Als ich den Kopf leicht zur Seite drehte, erhaschte ich, wie sich ein Mundwinkel des Botschafters verdächtig hob, was ihn auf Anhieb um Jahre jünger machte.
„Andrew sagt, du machst die Leute schon in deiner grünen Kutte nervös. Und ich kann keinen Aufstand riskieren."

„Ich habe den nagenden Verdacht, dass meine Kleiderwahl nicht viel daran ändern wird." Aber vielleicht ließ sich eine Nevanam so besser vor seinem König verstecken? Ich könnte ihm Bochus-Busch-Kerne verschreiben. Die machten blind. Es war mir immer noch ein Rätsel, dass man mich an seinen Hof gebracht hatte und Yessaia noch keine Konsequenzen getragen hatte. Welche Art von Beziehung hatte er zu seinem Herren, dass man ihm eine Entführung mit politischen Folgen durchgehen ließ?

Mit einem Seufzen legte ich die Unterhose zurück und nahm den grob gewobenen Wollrock hoch. Er war ein wenig kratzig, aber sicherlich wärmer als meine jetzige Kleidung. Und jemand hatte sich die Mühe eines Grau-Roten Karomusters gemacht. Das hier war kein billiger Stoff und ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendjemand ihn Yessaia freiwillig überlassen hatte.
Ein kleines Lächeln zustande bringend, drehte ich mich zu Yessaia um: „Danke."

Er neigte statt einer Antwort nur den Kopf. Im Zwielicht meines Zimmers wurde der ständige Schatten auf seinem Gesicht erst richtig deutlich. Hatte er den bei unserem ersten Treffen in der Stadt bereits gehabt? Ich hatte ihn damals ganz anders eingeschätzt. Vorlauter. Charmant. Bereit für allerlei Missetaten, die mich unweigerlich an meinen Bruder erinnerten.

Nur, dass ich das natürlich nicht sagen konnte. Stattdessen entschied ich mich für: „Und was sind die weiteren Pläne, um den Haushalt deines Königs mir gegenüber gnädig zu stimmen?"

Bei meiner Wortwahl zuckte er beinahe unmerklich zusammen, doch ich konnte nicht sicher bestimmen, woran das lag. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte er sich neben das Fenster und ließ den Blick schweifen. Seine langen Haare waren in einem winzigen Zopf im Genick zusammengefasst und lösten sich um die Schläfen bereits wieder aus dem Band.
„Ich werde dich anstellen", er bemerkte, wie mein Mund schon zu einer Antwort aufging, doch er stoppte mich mit einer einzigen Handbewegung, „Ich weiß, dass du nicht freiwillig hier bist und ...", er holte tief Luft und stellte Blickkontakt her, „...das tut mir leid. Ich wünschte, meine Sorge um meine Schwester könnte mein Verhalten rechtfertigen, aber das tut es nicht."

Er senkte den Kopf, studierte seine Hände, als lägen dort bessere Ausreden und schloss sie schließlich, als sich dort nichts fand. „Ich würde es trotzdem wieder tun."

Und das konnte ich ihm ohne Probleme glauben.

„Die Leute haben Angst, dass du Rache nehmen und sie verhexen wirst", er machte ein winziges kleines Augenrollen, „Aber wenn ich ihnen versichern könnte, dass du freiwillig hierbleibst, um zu helfen-..."

Freiwillig hierbleiben. Mein Daumen fuhr über den rauen Stoff des Kleides. Ein Friedensangebot.
Mein Blick fiel auf meine zerrissene Kutte und den Dreck, der meine dünnen Schuhe verkrustete. Es war alles, was mir momentan aus meiner Heimat blieb. Alles, was mir von Moira geblieben war, deren Mörder ebenfalls hier gewesen war.
„Und was schwebt dir vor, was Teil meiner Anstellung wäre?"

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt