Senieren-Beeren

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Affectu Inundantalé; wenn
der Körper zu schwach für die empfundenen Emotionen ist.
Oft mit weiblicher Hysterie verwechselt. Kann das Herz 
oder die Atmung stoppen.
(- Med. Incapite)
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          Wenn ich nicht nach dem kranken Jungen hätte sehen müssen, wäre ich im Bett geblieben. Und wäre ich mit seinem Zustand nicht wenigstens ein winziges bisschen zufrieden gewesen, ich wäre wieder ins Bett gegangen und nicht mehr aufgestanden.

Andrew war mit anderen Dingen beschäftigt, weswegen nur Lichi mich zu meinen Patienten begleitete. Uns beiden war bewusst, dass das eigentlich nicht nötig war, doch irgendwie schien sie heute in dem Geflüster der Leute zu baden, die uns auf den Gängen begegneten.

Vielleicht lag es an meiner Stimmung, doch kein einziger Patient war heute schwierig. Merkwürdig still vielleicht. Sie starrten mich auch immer noch an. Aber keiner bezeichnete mich als Hexe und das hätte ich ihnen heute auch nicht geraten. Alles war beinahe schon beunruhigend friedlich.

Das war- bis wir aus Loriks Zimmer kamen. Ich sah das Kind sofort. Ein kleines Mädchen mit blonden Zöpfen, das an der anderen Seite des Ganges hockte und mit einem Holzpferd spielte. Als sie das Schloss der Tür hörte, hob sie den Kopf und kam eilig auf die Füße. Staub hatte sich an ihrem Rock gesammelt und sie klopfte ihn noch immer aus, als sie vor Lichi zum Stehen kam.
Mama schickt mich. Sie fragt, ob du die Heilerin mitbringen kannst. Unserem Hund geht es nicht gut."

Zweierlei Dinge gingen mir gleichzeitig durch den Kopf und mir wurde prompt wieder schlecht. Das war das erste Mal, dass mich jemand um Hilfe bat. Ich griff nach dem Ring in meiner Hosentasche, doch meine Finger ertasteten nur Leere. Und: Ich durfte das nicht zerstören.

Mit verkrampften Muskeln folgte ich Lichi hinaus auf den Hof und in den Stall hinein. Nebenbei versuchte ich zu erfahren, was dem Tier denn fehlte.
Er habe etwas gefressen. Nein, sie wusste nicht was, aber das Mädchen sagte, es habe bei den Trauerweiden gespielt. Bei der einen, die trotz des schlechten Wetters blühte.

Mein Herz sackte gefährlich ab. Lichi wusste offensichtlich nicht, dass es ihr König gewesen war, der den Baum zum Glühen gebracht hatte. Warum hielt er es vor all seinen Leuten geheim? 
Und beinahe noch wichtiger: Wer wusste trotzdem davon? 

Die Magd führte mich in den Stall hinein, den ich bis dato noch überhaupt nicht betreten hatte, und öffnete mir die letzte Box an der linken Seite.
Das Gebäude war erstaunlich groß und warm. Keines der Pferde war angebunden, wie in meiner Heimat, sondern bewegte sich frei in seiner Box. Ein stetiges Rascheln ging vom strohgedeckten Boden aus und der Geruch von Leder und Tieren stieg mir in die Nase und schickte mich für einen kurzen Moment zurück in meine Kindheit.

In der Box selbst fand ich Andrew und eine ältere Frau, deren Falten noch mehr Anspannung betrog, als ich in mir selbst spürte. Der Steward kam zuerst auf die Füße. Er sah grimmiger aus, als ich ihn zuletzt kennengelernt hatte.
Dieses Mal liegt es nicht am Wasser. Ich habe es probiert und du schmeckst den Unterschied. Jeder im Hof schmeckt den Unterschied", er schüttelte den Kopf und strich sich die grauen Haare aus den Augen, „Ich weiß nicht, wie sie das gemacht hat und ich werde Kaar dafür danken, dass er sie geschickt hat." Wie um seine Worte zu verdeutlichen, berührte er den Stern an seiner Kette. 

Ich runzelte die Stirn. Lichi schnaubte.
Du brauchst dem dämlichen Ziegengott nicht zu danken. Dank Yessi, dass er sie entführt hat", und damit trat sie zur Seite und ließ mich in die Box hinein.

Die letzte NevanamWhere stories live. Discover now