Kapitel 2

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Okayyy Das hatte ich mir definitiv anders vorgestellt. Kein herzlich Willkommen, keine Leute die mich begrüßen und ihr bedauern aussprechen. Ich war allein. Jedenfalls dachte ich das bis ich schwere Schritte die Stufen runterkommen höre. Ein "Hi" wird mir zugeworfen noch bevor ich eine Person ausfindig machen kann. "Hey?" rufe ich unsicher in den einsamen Korridor zurück. Mitlehrweile bin ich mir doch nicht so sicher, ob das eine gute Idee war. Ich bin hergekommen, weil ich zuhause einsam war, meine Eltern stürzten sich kopfüber in ihre Arbeit und ich blieb auf der Strecke. Allerdings scheint es hier nicht wirklich anders zuzugehen. Das Haus ist riesig. So viele Leute können hier gar nicht wohnen das es sich auch nur ansatzweiße belebt anfühlen würde. "Ich bin hier." Leicht schmunzelnd, kommt ein großer Junge auf mich zu. Jason, ich kannte ihn. Hin und wieder wenn ich mit meiner Schwester geskypte habe, kam er dazu, um hallo zu sagen. Ich strecke ihm meine Hand entgegen. "Freut mich dich endlich kennenzulernen." Doch anstatt sie zu ergreifen, breitet er seine Arme aus und zieht mich an seine Brust. "Mich auch." murmelt er in mein Haar. Für ihn scheint das eine freundliche Art und Weiße sein mich zu begrüßen, doch bei mir springen gerade alle Wahnsignale auf dunkelrot. Anfangs wünschte ich mir nichts sehnlicher als solche Umarmungen. Jemanden der mich hält, wenn ich abends nicht mehr wusste wie es weiter gehen soll. Jetzt sind genau solche Situationen zu meinem größten Feind geworden. Ich musste die Mauer oben behalten, sonnst bricht der Damm. Ich schob Jason schweren Herzens ein Stück von mir weg. Verständnisvoll nickt er mir zu. "Ich nehme an du bist verdammt müde, aber davor muss ich dir unbedingt noch etwas zeigen." Wie ausgewechselt greift der Braunäugige nach meiner Hand und zieht mich hinter sich her. Durch den Gang, neben den breiten Stiegen vorbei, in ein riesiges Wohnzimmer das weiter in ein Esszimmer führt, welches mit einer gigantischen Küche verbunden ist. Schlagartig werden meine Augen gewaltig groß. Langsam schritt ich vor. Die Kochinsel hatte zwei Kochplatten, daneben eine enorme Arbeitsfläche und dann eine Stelle aus Holz. Zwei Backöfen eine Abwasch und Messer die zum Träumen übrig ließen. Ich war in meinem ganz persönlichen Paradies angelangt. "Sie wusste das es dir gefallen würde, nur hat keiner damit gerechnet, dass du es auch zu Gesicht bekommst. Mum und Dad sind viel arbeiten sie steht dir also immer zu Verfügung." Ein kleines Lächeln bahnt sich einen Weg in mein Gesicht und lässt dabei ein verräterisches Gähnen durchdringen. Leicht beschämt schaue ich weg.

Nachdem Jason mich noch durch das Haus, welches sich eher als Irrgarten entpuppt, geschleppt hat, liege ich nun endlich in meinem Bett. Viel von der Umgebung hatte ich nicht mehr mitbekommen. Die Müdigkeit lag tief und würde mich nicht in ruhe lassen ehe ich in einen tiefen schlaf sinke, also tat ich uns beiden den Gefallen.

Ruhiges prasseln weckte mich. Es klopfte gegen die Fensterscheibe und schien um Einlass zu bitten. Der Regen wirkte entspannend auf mich. Keiner würde bei dem Wetter verlangen dass ich auf Sightseeingtour gehe. Kühle, frische Luft strömt in meine Lungen und lässt mich so viel davon aufsaugen, bis ich glaube mein Brustkorb platzt. Vögel zwitschern und eine Sommerbriese weht durch mein Haar. Schmerzhaft erinnerte es mich an die Morgen zuhause. Mühelos schob ich den Gedanken beiseite, davon würde ich mir nicht den Tag verderben lassen. Koffer auspacken, Zähneputzen, Laufen gehen, ankommen, fröhlich sein. Innerlich erstellte ich mir meine To do Liste für den Tag, in der Hoffnung das ich wenigstens ein paar dieser Dinge abhacken kann. Leise schleiche ich ins Bad, um mich fertig zu machen. Ich schlüpfe in Sportgewand und beschloss Laufen und ankommen mit einer Klappe zu schlagen.

Langsam trottete ich vor mich hin. Die Straßenlaternen schalten sich vor meinen Augen aus und kündigen das Licht der Sonne an. Regen prasselt kühl auf meine immer wärmer werdende Haut. In Gedanken versunken lasse ich mich von meinen Füßen forttragen. Ob sie wohl auch hier entlanggelaufen ist und an uns gedacht hat? Hat sie sich hier wohl gefühlt und wenn ja, werde ich es auch können? Sie war mein Anker, jetzt muss ich für mich allein Sorgen. Mit jeder Frage, auf die ich keine Antwort parat hatte, wurden meine Beine schneller. Ich wollte vor meinen Problemen davonlaufen und sie verfolgten mich wie mein eigener Schatten. "Hey, pass doch auf!" Ein Junge der nicht viel älter als ich zu sein scheint rennt an mir vorbei. Schweißgebadet oder vom Regen nass gespült dreht er sich zu mir um und läuft Rückwerts weiter. Sein Blondschopf hüpft bei jedem Schritt auf und ab. Er war breit gebaut und trainierte seinem Aussehen nach zu urteilen regelmäßig, was vermutlich auch die ruhige Atmung erklärt. Als ich meinen Blick wieder hebe, schauen mir zwei meeresblaue Augen entgegen, darin ein Funkeln, welches genau weiß das ich ihn etwas zu genau betrachtet habe. "Tschuldigung!" schreie ich ihm noch hinterher, bevor ich wieder weiterlaufe. "Hey Mädchen, du solltest nicht noch tiefer in den Wald rennen." Geschockt bleibe ich stehen. Wenn das jetzt so ein überaus schlauer ist, der 'nur das Beste will' raste ich aus. "Entschuldigung? Ich glaube ich weiß ganz genau was ich kann und was nicht." Keine Sekunde später hat der Fremde wieder aufgeholt und steht jetzt neben mir. "Das habe ich nie bezweifelt, aber du siehst ein bisschen verloren aus. Deinem Akzent nach kommst du nicht von hier. Wenn du dort drinnen auf einen Perversling triffst, hast du verloren." Seine schnelle Analyse fühlt sich an als hätte mir jemand die Kleidung vom Leib gerissen. Angst kriecht mir den Rücken hinauf und hinterlässt dort mit einem Schlag die wahrhaftigen Erkenntnis. Er hatte recht, ich bin unwillkürlich losgelaufen ohne einen Plan zu haben wohin. Noch dazu habe ich keinem bescheid gegeben das ich unterwegs bin, niemals wäre ich gefunden worden wenn ich mich verlaufen hätte. Aber umdrehen? Einem Fremden glauben, weil er sagt das es so besser ist? In meinem Bauch verkrampft sich alles bei dem Gedanken. Ich wollte hier weiterlaufen, wollte es schaffen. "Ich kann schon auf mich aufpassen." Entgegne ich also allein aus Sturheit und nehme meinen Weg wieder auf. "Alleine lasse ich dich hier sicher nicht!" Und so kam es das wir zu zweit, in angenehme Stille den Wald entlang laufen bis wir wieder bei meinem neuen zuhause angekommen sind.

"Hey, bist du die Kleine von Jason?" Einer seiner Kräftigen Arme zeigt auf das Labyrinth hinter mir. "Ich bin garantiert nicht seine Kleine. Aber wenn du wissen willst ob ich die Auslandsschülerin bin dann ja, 100 Punkte für dich." Darauf schmunzelte er mich an. "Weißt du Nero, war gestern ganz schön genervt von dir." Sprudelt es aus ihm heraus, während er mir hinein folgt. "Er meinte du seist langweilig, humorlos und unausstehlich. Allerdings werde ich ihm vom Gegenteil überzeugen müssen. Ich bin mir zwar noch nicht ob das heute von dir leichtsinnig oder mutig war, aber es gefällt mir. Du hast dich nicht von einem Fremden umstimmen lassen. Allerdings hast du mich gerade einfach eingeladen, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken." Er muss wohl meinen Blick bemerkt haben, den im selben Moment wirft er lachend den Kopf in seinen Nacken. "Kein Stress, ich kenn Jason schon ewig. Ich bin Ryder." Als ich nun zum zweiten Mal jemandem die Hand entgegenstrecke, ergreift dieser sie tatsächlich auch. "Sena!"

Durch ihre Asche zu dirWhere stories live. Discover now