Gefürchteter der Meere

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Gefürchteter der Meere

Entgegen der Tiden trieb ein Haifisch gar verloren im Meer
Seiner Familie jüngst beraubt durch des Unholds blutbefleckten Speer
So schien dem einzig Verbliebenen bloß Einsamkeit beschieden
Da Wesen allseits ihm misstrauten und Begegnungen vermieden
Nirgendwo geachtet oder schlicht als Individuum verstanden
Dessen Artverwandte jenen Tiefen derweil gänzlich wohl entschwanden

Obgleich tröstende Wogen die große Fischgestalt umstrichen
War selbst im Atem des Ozeans jede Hoffnung bald verblichen
Doch nach hundert schweren Tagen unter zartblauem Firmament
Schwamm der Suchende nah dem unvertraut pulsierenden Kontinent
Eine Seepassage lud ihn dort in solch wundersame Grotte ein
Mit hochprangendem Gewölbe voll imposant funkelndem Felsgestein

Erstaunt emportauchend aus dem azurn schimmernden Meeresbecken
Spiegelte der Haifisch sich wider in den argwöhnischen Blicken
Jener graugefiederten Nachtwächterin einstiger Waldgefilde
Majestätisch erhoben im Schatten abstrakter Höhlengebilde
Kein leiser Hauch von Furcht erweichte ihr strenges, schier starres Gesicht
Leicht verzerrt bloß durch unsanft hineinströmendes Sonnenlicht

Da besagte Waldeule niemals gute Gesellschaft verschmähte
Und obendrein des Gefürchteten milde Seele längst erspähte
Erbot sie sich, dem Besucher ihren alten Flügel gar zu reichen
Mochte geschwisterlich ihm über seine scheuen Flossen streichen
Woraufhin beide viele traute Tage noch gemeinsam verweilten
Als höchst ungleiche Geschöpfe, die manch ähnliches Schicksal teilten

(2023)

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