Nacht der belesenen Seelen
In einsamer Stätte von archaischer Architektur
Schlummern Wissen, Wahrheit und Legende nah beisammen
Dort lebt auch, wie einst Phoenix schien erstanden aus Flammen
Das solch leibhaftige Bildnis einer Märchenfigur
Dies goldgehörnte Ross, im Lichte hellblau schimmernd
Dient dem Bibliothekare wohl nunmehr seit Dekaden
Und frönt in stillen Abendstunden der Lektüre von Balladen
Ein seliges Vergnügen, bloß bisweilen bekümmernd
Nachts dringt es, freudig galoppierend, in die finstren Wälder vor
Und verteilt manches mit Büchern reich befüllte Säckchen
Des Hornes Glanz verborgen unter stramm verschnürten Deckchen
Doch seine Blicke schweifen träumerisch zum fernen Mond empor
Bald schon schwirren die belesenen Elfen in Scharen
Dem irrtümlich als Pferd erkannten Wesen entgegen
Mitternächtlich voll Entzücken ihren Nestern entstiegen
Da magische Seelen gern geistige Wandlung erfahren
Jäh steigt die Waldnymphe hinab vom hohen Birkenthrone
In jenem Trubel ganz allein des schweren Wissens mächtig
Dass dies Einhorn jüngst ist eingekehrt, so unwirklich prächtig
Und bibliothekarisches Geschick ihm innewohne
Stets nach friedvollem Miteinander allen Lebens trachtend
Dankt die Nymphe dem Geschöpf, das ihrem Walde Schätze brachte
Wodurch wohl schon vor vielen Nächten neues Seelenheil erwachte
Sein schier hundertjährig währendes Geheimnis jedoch achtend
Der Bibliothekar ist seines nahen Todes sich gewiss
Und sein Tempel alter Schriften verfällt schleichend dem Vergessen
Als treuer Hüter fürchtet er, längst gar innerlich zerrissen
Den Anbruch einer literarischen Finsternis
So entsendet jener Greis sein wertes Einhorn auf Reisen
Besondere Bücher in allen Welten zu verstreuen
Wann immer das magische Ross sanfte Herzen mag erfreuen
Formt es seither Bündnisse von Träumenden und Weisen
(2024)

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Gesammelte Gedichte
PoetryGesammelte Gedichte, die ich innerhalb des Zeitraums von 2012 bis 2024 verfasst habe. Nicht abgeschlossen, wird ständig erweitert.