Sackgasse

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Jisungs Pov: 

Seit unserer Ankunft im Tal der Könige an diesem unerbittlich heißen Freitag ging alles drunter und drüber. Überall waren Ausgrabungshelfer, gestresste Vorarbeiter und viel zu viele Dinge gleichzeitig zu erledigen. Yeosang und ich hatten die wundervolle Aufgabe erhalten, die weniger speziellen Funde zu sichten und schon einmal Beschreibungen vom Zustand der Gegenstände anzufertigen oder das Material zu untersuchen. Eigentlich eine sehr interessante Tätigkeit, doch wenn immer neue Kisten hereingetragen wurden und man langsam aber sicher den Überblick verlor, konnte man das alles nur noch mit dem Wort Chaos beschreiben.

Wir mühten uns wirklich ab, alles der Reihe nach aufzuarbeiten, möglichst exakt zu bestimmen und nichts zu vergessen, was für weitere Tests im Labor notwendig war. Doch leider sahen wir immer noch kein Land, als die Nachmittagssonne unbarmherzig vom azurblauen Himmel herabbrannte und die eineinhalbstündige Ruhezeit für alle Arbeitenden eingeläutet wurde.

Ich war sehr froh, als ich das stickige Zelt verlassen konnte und mit Yeosang im Schlepptau zu unserem Auto lief. Jedoch würden wir uns nun nicht wie die anderen ausruhen und eine Kleinigkeit essen, sondern uns auf die Suche nach dem versteckten Grab machen. Zielstrebig ging ich also zum Kofferraum, öffnete diesen und holte unsere übliche Ausrüstung und die Sicherungsgurte hervor. Auch den kleinen Rucksack setzte ich auf und sah kurz an mir herab. Die kurze beige Hose und das weiße Shirt waren nicht ideal für eine Kletterpartie, aber immerhin würde mir nicht so heiß werden.

„Bist du soweit?", fragte Yeosang und ich nickte knapp. Rasch setzten wir uns in Bewegung und liefen in einem großen Bogen um die aufgebauten Zelte herum, sodass wir zum hinteren Teil des Tals gelangen konnten. Möglichst unauffällig entfernten wir uns immer weiter vom Lager und ich zog eine kleine Karte hervor, auf der die verschiedenen Talabschnitte markiert waren. Wir hatten heute Morgen nochmal mit Professor Shin gesprochen und dabei erfragt, wo genau denn der Grabschacht dieses Bang Chan liegen sollte. Sogleicht hatte der gutmütige Professor wie ein kleiner Wasserfall alle nötigen Informationen hervorsprudeln lassen und eine für uns beschwerliche Suche deutlich vereinfacht.

Nun liefen wir zielstrebig auf einem Nebenpfad zu einem höher gelegenen Taleinschnitt, wo die Wände deutlich rissiger und poröser waren. Vermutlich waren sie der Witterung stärker ausgesetzt und hatten über die lange Zeit einige Grabstätten durch Verschüttungen verschwinden lassen. Was für eine Ironie des Schicksals, dass gerade hier dieses mysteriöse Grab liegen sollte.

„Also los, wir folgen diesem Pfad wie angegeben bis zur nächsten Gabelung und dann nach rechts. Auch wenn wir nicht gleich den richtigen Schacht finden, sollten wir unsere Suche möglichst nahe am Grab dieses Bang Chans beginnen lassen. Er ist die erste Wegmarke."

Wie zu erwarten gewesen war, wurde schon der Anstieg eine kleine Herausforderung und beinahe hätten wir die Abzweigung nach rechts verpasst, da der Pfad so schmal und kaum ausgetreten war, dass davon auszugehen war, dass er kaum genutzt wurde. Und es sollte noch schlimmer werden.

Aus Herrn Shins Erzählungen hatte ich zwar herausgehört, dass der Grabgang direkt mittig in den Fels eingelassen, und nur über einen schmalen Sims zu erreichen war, aber das was sich nun vor mir auftat, kam eher einem schlechten Witz gleich. Wie angegeben endete der Pfad direkt am Fels und nach links führte tatsächlich ein schmaler, in den Stein gehauener Absatz hinüber zu einem kleinen Plateau, das einen rechteckigen Durchgang offenbarte.

„Das ist doch nicht zu fassen", murmelte ich und sah hinab über die Kante, um abzuschätzen, wie tief man fiel, sollte man einen unbedachten Schritt machen. Es waren sicher acht oder neun Meter und ich verstand absolut nicht, warum sich jemand die Mühe gemacht hatte, dieses Grab so anzulegen, wie ich es hier vor mir erblickte. Klar, von hier hatte man einen guten Überblick über einen großen Talabschnitt, aber eine gute Aussicht nützte einem auch nichts, wenn man tot war.

God-king of Egypt | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt