Der Sieg des Selbstlosen

918 143 68
                                    

Jisungs Pov:

Der nächste Morgen begann für mich friedlicher als erwartet, was aber auch daran liegen konnte, dass mich niemand weckte, sondern ich selbst recht früh erwachte. Auch das Frühstück verlief ruhig und keiner stellte mir unangenehme Fragen oder schien sich allgemein dafür zu interessieren, dass ich schon wieder in Minhos Gemächer gerufen worden war.

Nun gut, Seungmin und Hyunjin warfen mir ab und an eindringliche Blicke zu, aber beide aus vollkommen unterschiedlichen Gründen. Seungmin versuchte vermutlich einzuschätzen, wie ich mich gerade fühlte und wog ab, ob er später mit mir darüber sprechen sollte, während sich Hyunjin wahrscheinlich den Kopf darüber zerbrach, was Minho an mir so besonders fand. Seine mehr oder weniger offensichtliche Eifersucht machte mich dezent nervös und ich fragte mich, ob ich wohl eines Tages nicht mehr aufwachen würde, weil Hyunjin entschieden hatte, mich im Schlaf zu erdrosseln, um den Herrscher Ägyptens wieder ganz für sich zu haben.

Allerdings verringerte sich Hyunjins Geduldsspanne von vielleicht mehreren Jahren schlagartig auf ein paar Monate, als nach dem Frühstück mehrere Sklaven zwei schwere Kisten hereintrugen und diese neben meiner Schlafstätte platzierten. Einer der Bediensteten trat zu mir und bot mir an, die vom König gesandten Kleidungsstücke und den Schmuck zu betrachten und einiges davon direkt anzuprobieren.

Während Hyunjin sich augenrollend abwandte und den Saal verließ, blieben sowohl Sunoo, Niki als auch Seungmin, um mir bei der Auswahl der richtigen Kleidung zu helfen und den Schnitt, sowie die Verarbeitung der Textilien zu kommentieren.

Es waren insgesamt sechs neue Gewänder und noch etwas mehr Stoff, aus dem man ähnliche Kleidung fertigen konnte oder den man sich an kühlen Tagen zusätzlich umlegte. Größtenteils war der Stoff hellgrau bis cremeweiß, mit bunten Stickereien an den Säumen. An Schmuck hatte der Pharao ebenso wenig gespart. Neben mehreren breiten Gürteln aus Leder, die mit zierlichen Goldbeschlägen und funkelnden Edelsteinen besetzt waren, schickte er mir Armreifen aus massivem Gold oder Bronze.

Eines der Schmuckstücke hatte mich tatsächlich auf den ersten Blick verzaubert. Ein langer, gewundener Armreif, der mindestens meinen halben Unterarm umspannte und die Form einer Schlange hatte und auch noch passend dazu auf meinem Handrücken in einem Schlangenkopf endete. Die Augen des Tieres waren mit kleinen Smaragden besetzt, während die hervorschnellende Zunge mit Rubinen geschmückt war. Außerdem gab es noch einige simple aber ebenso hochwertige Bronzearmreifen mit eingeritzten Mustern und zwei Paar Schuhe – wenn man diese denn so nennen konnte. Ein Paar bestand gänzlich aus weichem Leder, das andere war traditionell mit der Sohle aus Holz gefertigt und wurde nur mit Lederriemen am Fuß gehalten.

Schon jetzt vermisste ich meine bequemen Sneaker, aber vermutlich wären die eigentümlichen Schuhe doch komfortabler, als überallhin barfuß zu gehen. Zwar hatte ich prinzipiell nichts gegen das barfuß Umherlaufen, aber sollte ich diesen Palast je verlassen, wären Schuhe wichtig, um mir auf dem heißen Sandboden nicht die Fußsohlen zu verbrennen.

Erfreut über die erhaltenen Geschenke aber ebenso verschämt über die schiere Menge an Zuwendungen durch den König, saß ich schließlich in einem der neuen Gewänder auf meinem Bett und lauschte Seungmin und Sunoo, die darüber diskutierten, was ich sonst noch brauchen könnte. Schlussendlich wechselten sie jedoch das Gesprächsthema und Seungmin wandte sich an mich.

„Jisung? In etwa einer Stunde gehen wir alle gemeinsam zum Tempel des Ra und bringen dem Gott Opfer dar und bitten um seine Milde und Gunst. Minho hat darin eingewilligt, dass du uns begleiten darfst, so können wir dir gleich einen Teil Thebens zeigen."


Ich hatte nicht lange überlegen müssen, um dem Angebot zuzustimmen, immerhin war das die Möglichkeit, auf die ich in den letzten Tagen gewartet hatte. Theben war groß und sollten wir wirklich durch die Stadt gehen, könnte ich möglicherweise in einem unbeobachteten Moment fliehen.

God-king of Egypt | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt