Während ich der unbekannten Bedrohung und meinem natürlichen Erzfeind folgte, verengte sich mein Brustkorb zunehmend. Die Eingangshalle strahlte mich in Weiß- und Rottönen an. Der mit Marmor besetzte Fußboden hatte das Muster von einem Schachbrett, weshalb ich direkt an Lyndel denken musste. Als er mir gesagt hatte, dass ihm eine Villa fehlte, log er mich eiskalt an. Obwohl ich ihm ohnehin nicht vertraute, hinterließ es eine bittere Gänsehaut, die mich seltsam verstimmte.
In den rotgestreiften Marmorwänden und der prunkvollen, üppigen Golddekoration wurden verschiedene Edelsteine eingebaut. Zwei mit goldvioletten Teppich ausgelegte Wendeltreppen führten zu einer weiteren Etage, von der ich gut auf das Geschehen im Eingangsbereichs blicken konnte. Die gleichen weiß verschnörkelten Geländer der Treppe wurden um den offenen Raum gelegt, um womöglich die Unfallsgefahr zu verringern. In der Musterung erkenne ich einige Teufelssymbole wie die Hörner und dessen Schwanz wieder.
"Ihr müsst selbst als Götter ziemlich hoch angesehen sein, wenn sie euch eine Stadt und eine Villa wie diese überlassen." Meine Worte hallten nach. Ich horchte und nickte anerkennend. Daran könnte ich mich gewöhnen.
"So siehst du uns also..." Sie stockte, blickte zurück und verdrehte ihre Augen. "Das erklärt, warum Lyndel dich nicht in seine Geschichte eingeweiht hat."
Mit diesen Worten schnaubte sie verächtlich und schritt durch eine weitere Flügeltür, die gänzlich aus Mosaik-Glas bestand. Die Tür an sich hatte die Form eines Halbmondes, während das Mosaik ein Gebilde eines Gartenbereiches zeigte. Es war mit Kieselsteine wellenartig verlegt, während rechts und links lebendige Blumen rankten. Bunte Schmetterlinge flogen umher, die wie Glühwürmchen leuchteten. Der Himmel war blauviolett gefärbt, während die rote Sonne langsam unterging und Schatten auf den friedvollen Garten warf. Die Farben glitzerten im Teich, der in Form eines Pentagramms angelegt war, wie ein zusammengemischter Farbeimer wieder.
Mit größter Faszination studierte ich das mir vorliegende Bild, weshalb ich nach einiger Zeit ein Seufzen vernahm. Erschrocken blickte ich auf und erkannte die Frau wieder, die mich mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete. "Soll ich es dir einpacken und nach Hause schicken, damit du es dann nachher weiter anstarren kannst?" Ihre Verbissenheit ließ mich Schmunzeln. Im Gegensatz zu Lyndel war sie direkt und offen, ohne einen einzigen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden. Dadurch war sie einfacher zu handhaben als mein persönliches Pech.
"Es hat mich nur an eine gewisse Hexe erinnert", gab ich ihr mit einem traurigen Lächeln im Gesicht zu verstehen.
"Hexen leben gern in ihrer kleinen Welt, zurückgezogen in ihrer magischen Hütten mit lebendigen Pflanzen, Zaubertränke und jede Menge Bücher. Dabei bemerken sie nicht einmal die Gefahr, wenn sie direkt vor einem steht. Ein Grund mehr, warum sie heutzutage nicht mehr als die größte Bedrohung angesehen werden."
Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Ich knirschte mit den Zähnen. Ihre Worte lösten eine unbändige Wut aus. Womöglich weil sie schlecht über eine Spezies redete, aus der Xanta stammte. Die Trauer und die Hilflosigkeit in mir schürten die kochenden Emotionen, die sich lange in mir aufgestaut hatten. Ich wollte ihr ins Gesicht schreien, dass sie Unrecht hatte.
Xanta lebte zwar zurückgezogen, doch nur weil sie es musste. Sie wusste von jeglicher Gefahr und hatte uns dennoch bei sich aufgenommen und uns beschützt. Nur dank ihr waren wir am Leben. Doch aus meinem Mund kam keine Silbe. Und wenn ich in mich hineinhorchte, verstand ich den Grund. Xanta hatte mitsamt der Pflanzen ihr Leben gelassen. Für Rue und mich.
Obwohl mir bewusst war, was es bedeutete, dass ich bei ihr blieb, hatte ich sie dieser Bedrohung ausgesetzt. Nichtsdestotrotz war ich mit Rue geflohen und hatte sie ihrem Schicksal belassen. Ihr Tod war meine Schuld.
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Was mir einst wichtig war
FantasyEine Geschichte über eine längst vergessene Welt, in der Magie, Naturgeister und Götter über die Lande geherrscht haben. Inmitten des anhaltenden Krieges zwischen Götter und Menschen macht sich der Veteran Rykar Gorian ruhelos auf dem Weg, um der Sp...