27: Ertappt

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"Zwei Großbrände, häufige, mysteriöse Tode, ständig neue Direktoren..."
"...und eine alte Psychiatrie, nicht zu vergessen!"

Wir traten aus dem großen, kühlen Gebäude in die schwüle Hitze. Der Himmel war mit dunklen Wolken bedeckt und man hatte so ein Gefühl, als würde gleich die Welt untergehen. Ich ging zu einer Bank auf dem Rathausplatz und setzte mich seufzend. Sofia und Leo taten es mir gleich.
"Aber wir wissen doch jetzt wenigstens einiges über das Altersheim. Ende 1905 wurde angefangen zu bauen", begann Sofia.
"Mitte 1907 brannte dann der Großteil des Gerüstes ab", ergänzte ich.
"Bis es 1911 endlich eröffnet wurde, jedoch als Psychiatrie", beendete Leonardo.
"Dann wurde es 1957 zu einem Altersheim umfunktioniert", sagte ich.
"Doch 1973 brannte es schon wieder und viele sind dabei ums Leben gekommen", ergänzte Sofia.
"Dazu kommen diese ganzen mysteriösen Tode, die in dem Artikel von Teresa und Flavia gar nicht erwähnt wurden", meinte Leonardo.
Ja, es war merkwürdig. Aber warum wurde die Psychiatrie überhaupt umfunktioniert? Ich meine, gab es ab 1957 keine Menschen mehr, die auf diese Weise Hilfe brauchten?

Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und rannte über den Platz wieder ins Gebäude hinein. Ich blieb im Eingang stehen und sah mich um. Wo war er bloß...da!
Schnell rannte ich auf den Jungen von eben zu, der Schönling.
"Hey!", rief ich und er drehte sich um.
"Was gibt's?", lächelte er, sobald er mich erblickte.
"Du sagtest doch, wir können dich fragen, wenn wir eine Frage haben. Nun hab ich eine." Mittlerweile waren auch die anderen Beiden angekommen und standen hinter mir.
"Schieß los!" Interessiert hörte er mir zu.
"Das Altersheim Monvercellini war früher doch eine Psychiatrie...", begann ich.  
"Schlimmer noch." Sein Gesichtsausdruck wurde von einem Schatten überflogen. "Es war eine Kinderpsychiatrie."
"Das wurde aber nie in den Artikeln erwähnt, die wir gefunden haben", meinte ich stirnrunzelnd.
"Weil es kaum jemand wusste."
"Wie jetzt?", fragte ich verwirrt.  
"Also, Monvercellini war zu Beginn eine Kinderpsychatrie, die einzige in einem riesigen Umkreis und viele Dörfer nutzen diese. Jedoch wussten die Anwohner des Dorfes, heute die kleine Stadt, nicht, was sich in dem Gebäude wirklich befand. Ausschließlich die Mitarbeiter, der Bürgermeister und natürlich die Eltern der Kinder wussten Bescheid."
"Und das ist nie an die Öffentlichkeit gekommen?", fragte Leonardo nicht sehr überzeugt.
"Nein", schüttelte der Junge vor mir den Kopf.
"Aber....hat sich denn nie jemand verplappert oder gewundert?", fragte Sofia nach.
"Eben nicht. Welche Eltern waren schon stolz darauf, dass ihr Kind in eine Psychiatrie eingeliefert wurde? Viele benutzten die Ausrede, es sei eine spezielle Schule. Deswegen kennen die meisten bis heute noch nicht die Wahrheit."
"Mhm...aber wieso wurde es umfunktioniert?", fragte ich.
"Vieles war seltsam dort und man erzählte sich, dass es dort noch weiter spukte, wenn eines der Kinder verstarb. Oft starben Kinder, jedoch auf sehr mysteriöse Weise und damals konnte man sich das halt noch nicht so gut erklären. Damals waren die Menschen viel abergläubischer, was Ritualen oder Sagen anging." Ich dachte nach und nebenbei tippte ich meinen Zeigefinger an meine Unterlippe. Das tat ich oft, wenn ich nachdachte.

"Also hat man gedacht, wenn es zu einem Altersheim wird, dann wäre das sinnvoller?"
"Na ja, anscheinend schon", zuckte er mit den Schultern und schien keine bessere Antwort zu haben.  
"Aber wenn die Menschen so abergläubisch waren, wieso hatte es dann damals mehr besetzte Plätze als heute?", fragte Leonardo.
"Weil viele ihre Großeltern schon dorthin schickten, wenn sie nicht mit ihnen klar kamen, ihnen zu teuer wurden oder auch verrückt waren. Um 1978, nach dem tragischen Brand, wurde das Konzept anders gestaltet. Es wurde ein Altersheim für Leuten mit Geld. Meist viel Geld und das ist heute immer noch so."

Das musste ich erstmal verdauen. "Danke, eh-" Ich wusste nicht mal wie er hieß, doch er verstand sofort.
"Tommaso", zwinkerte er.  
"Danke, Tommaso."
"Gern, aber wieso interessiert ihr euch so dafür?"
"Wir müssen ein Referat halten. In Geschichte. Aber, eine Sache noch: Woher weißt du so viel davon, wenn es kaum einer wusste und die Reporter nichts dazu geschrieben haben?" Er sah mich stumm an und hatte diese Frage bestimmt schon erwartet. Ich wollte es wissen, deshalb blieb ich seinem Blick standhaft. "Bitte, Tommaso", flüsterte ich.
"Meine Großmutter war als Kind dort", meinte er trocken. Ja okay, das hatte ich vielleicht nicht gerade erwartet, aber gut.
"Danke nochmal", sagte ich lächelnd und gab ihm zum Dank einen keuschen Kuss auf die Wange.

UndercoverWhere stories live. Discover now