B100|) - Tagebuch des Grauens

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Tagebuch-Eintrag 05.07.

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Würde ich sagen ich bin ein verbitterter Mensch? Ein wütender, trauriger, zerfressener oder unausgeglichener Mensch? Nun, ich denke ich beantworte diese Frage mit einem Nein, jeder andere mag jedoch anders darüber denken. Vielleicht bekomme ich ja trotzdem die Chance, euch einen winzigen Einblick in mein ganz persönliches Reich meiner Fantasie zu geben. Wenn ich so zurückdenke, gebe ich wohl allen Psychologen dieser Welt eine ausreichende Grundlage, einen guten Nährboden für Spekulationen über meine Unzulänglichkeiten als sozial funktionierendes Wesen. Da war auf der einen Seite mein Vater, der mich auf…Wisst ihr was? Lasst uns ein wenig später ins Detail gehen. Für jetzt ist nur wichtig, dass ihr wisst, dass der Tod dieser Frau nicht verhindert werden konnte, der der nächsten jedoch in euren Händen liegt. Möchtet ihr, das ich euch erzähle was hier geschehen ist? Es war ein Fest, sage ich euch, meine Hände zittern immer noch ein wenig vor lauter Aufregung, deswegen verzeiht, sollte ich manchmal ein wenig unleserlich schreiben.

Ich habe Anna vor einer Weile in einem Café kennengelernt. Sie war groß, braunhaarig, sehr gutaussehend und sie hatte ein überaus sympathisches Lächeln. In gewisser Weise erinnerte sie mich an meine Schwester und das gefiel mir. Ohne Zeit zu verlieren kam ich mit ihr ins Gespräch und bat sie im weiteren Verlauf um eine Verabredung. Ich hatte Glück, sie stimmte zu und das Spiel nahm seinen Lauf. Wir gingen ein paar Mal essen, auf meine Kosten selbstverständlich, bevor ich sie eines Abends zu mir nach Hause einlud. Sie war ein wenig beschwipst vom Wein, was mir half, sie vorrübergehend ruhig zu stellen. Als sie wieder aufwachte, war Anna auf dem Rücken, fixiert auf einem großen Operationstisch, den ich vor acht Jahren bei einer Auktion erstanden hatte. Ihr hättet den Blick in ihren Augen sehen sollen! Das langsame Aufflackern des Verstehens, in was für eine Situation sie geraten war, war klar und deutlich zu erkennen. Natürlich versuchte sie, sich zu befreien, aber seien wir mal ehrlich, welche Chancen hat sie sich dabei ausgemalt? Diese Schnallen würden selbst einen doppelt so schweren, unweit größeren Mann mit wesentlich mehr Kraft zurückhalten, Anna hatte keine Chance. Wenn ihr das lest, habt ihr wohl schon ihre Leiche untersucht und wundert euch vielleicht, warum sie Hundertfüßer im Mund hat, wo diese doch erst bei einer mumifizierten Leiche auftreten. Nun, ich musste sie ja irgendwie davon abhalten zu schreien, nicht wahr? Demnach habe ich ihr eine Plastikkugel, gefüllt mit diesen wundersamen Tierchen, in den Mund gesteckt, aber Anna hat sie in ihrer Raserei wohl zerbissen. Ihr könnt euch vorstellen, dass sie über das Ergebnis nicht sonderlich glücklich sein konnte. Zumindest glaube ich, dass sie es nicht war, denn danach hat sie brav den Mund gehalten. Möglicherweise lag es aber auch an dem Klebeband, dass ich ihr breit über den Mund geklebt hatte. Die schönen Tierchen, die ich so mühselig eingefangen habe, wären doch sonst entkommen!

„Marie? Ich habe eine Erklärung für die Hundertfüßer gefunden! Dieser perverse Mistkerl hat sie ihr in den Mund gesteckt“, rief Nick seiner Kollegin zu, die gerade den Ort des Geschehens fotografierte. „Wirklich?“, erwiderte diese mit einem angewiderten Gesicht. „Weißt du, als ich heute Morgen aufgestanden bin, dachte ich mir schon dass heute irgendwie ein komischer Tag sein muss. Meine Herren, was sind denn dieses Jahr wieder für Psychopathen unterwegs!“ Nick schüttelte nur leicht mit dem Kopf und wandte sich dann wieder dem Blatt Papier zu, das sie auf der Leiche gefunden hatten.

Um sie zu beruhigen habe ich sie erstmal eine Weile runterkommen lassen, in etwa einen Tag, aber ich habe nicht auf die Uhr gesehen. Ich erwähnte bereits, dass ich kein Unmensch bin, also ging ich hinunter um sie zu füttern. Als ich neben ihr stand und gerade das Klebeband abmachen wollte hat das Biest doch tatsächlich versucht mich zu kratzen. Das konnte ich selbstverständlich nicht auf mir sitzen lassen, ihr versteht, das universelle Prinzip dieses Lebens ist eben ein Geben und Nehmen, Aktion und Reaktion, und so weiter. Noch in derselben Stunde nahm ich eine Zange und entfernte jeden einzelnen Fingernagel an der Hand. Da, ein weiteres Rätsel das ich für euch gelöst habe! Ich hoffe ihr seid dankbar für meine Unterstützung. Wo ich die Fingernägel versteckt habe? Sagen wir, ich brauchte ein kleines Andenken, vorerst habe ich sie noch in meinem Besitz. Kommen wir zum großen Rätsel des heutigen Tages, oder sollen wir lieber sagen, zu den zwei großen Rätseln? Sicher habt ihr euch schon gefragt, warum die Verstorbene so schreckliche Verletzungen an den Augen hat. In gewisser Weise trage ich gar keine Schuld an diesen, hat sie sie sich doch selbst zugefügt! Ja, richtig gehört. Na gut, ich gebe zu, vielleicht bin ich nicht so unschuldig wie ich getan habe. Vielleicht, aber nur vielleicht habe ich ihr versprochen, sie freizulassen, wenn sie sich selbst die Augen ausdrückt. Ihr müsst zugeben, ich habe sie scheinbar an einen guten Punkt der Verzweiflung gebracht, denn wer würde das schon machen? Ich hatte auf jeden Fall nicht damit gerechnet, aber die Kleine hatte Kampfgeist. Selbstverständlich hatte ich niemals vor sie danach wieder gehen zu lassen, aber das konnte sie ja nicht wissen, deswegen wollen wir ihr das einmal nicht zum Vorwurf machen.

Hattet ihr Spaß an meiner kleinen Geschichte? Wie ich bereits erwähnte, liegt es an euch, ob ich sie fortführen kann oder nicht. Ich sprach vorhin von einem zweiten großen Rätsel. Nun, du, wer auch immer du das gerade liest, hast es in der Hand mich zu überführen. In diesem Tagebucheintrag habe ich dir meinen nächsten Eintrag bereits verraten. Jetzt liegt es an dir, mich zu finden. Abschließend möchte ich noch sagen: Das Messer, dass sie letztendlich langsam ausbluten lassen hatte, findet ihr, wenn ihr unter den Tisch seht, auf dem sie liegt. Oder dachtet ihr, ihr Hals wäre normalerweise immer in dieser unbequemen Situation?

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