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Kapitel 4

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Als ich unsere Wohnung wieder verließ, um mich auf den Weg zur Backerei zu machen, sah ich ein letztes Mal auf Emilys Wohnungstür, vor der sie mich Minuten zuvor perplex stehengelassen hatte. Ich wusste immer noch nicht, wie ich mit ihrer Art umgehen sollte. Komischerweise mochte ich sie auf eine schräge Art und Weise, denn sie schien mich zu verstehen. Also überlegte ich mir, ob ich ihr vielleicht doch eine Chance geben sollte. Vielleicht war sie ja ganz erträglich?

Womöglich war ich selber immer das Problem gewesen. Schließlich erwartete ich, dass Menschen mich verstehen würden, aber gleichzeitig war ich nie bereit gewesen, mich zu öffnen. Es gab nun mal nie einen Menschen, bei dem ich das Gefühl hatte, dass es sich lohnen würde. Schließlich bestanden Freundschaften auf unserer Schule mittlerweile daraus, über den anderen zu lästern. Und sowas wollte ich wirklich nicht als Freundschaft ansehen, also hatte ich mich bisher immer gegen diese Menschen gesträubt. Denn, mal ganz ehrlich, wer wollte schon Feinde als Freunde haben?

Ich spürte, wie meine blonden Haare im Wind herumflatterten und diese leichte Freiheit genossen. Heute war ein warmer Tag, aber der Wind verschaffte mir zwischendurch die Abkühlung, die ich so dringend brauchte. Und ich bemerkte sofort, wie schnell die Wolken sich von heute Morgen bereits verzogen hatten. Übrig blieb ein strahlend blauer Himmel, der leuchtete und die Sonne in den Vordergrund rückenließ. An diesem Tag versteckte sich keiner hinter den Wolken. Nein, an diesem Tag präsentierten sie sich stolz wie nie zuvor.

Als ich von weitem die Bäckerei im Schein der Sonne strahlen sah, fing ich bereits glücklich an zu lächeln. Ich verband so viele Erinnerungen mit diesem Laden, dass ich nicht wusste, ob es mehr negative, oder mehr positive waren. Ich würde behaupten, dass ich immer mit negativen Gefühlen hereinkam und mit positiven herauskam. Und das alles nur wegen einer Person. Alles nur wegen Ella.

Ich betrat endlich die heimische Bäckerei und hörte sofort das Glöckchen läuten. Ella kam aus dem hinteren Raum und strahlte mich glücklich an.

„Hallo Madison, schön dich zu sehen. Was möchtest du haben?" Ich lächelte ebenfalls und ging näher an die Theke heran.

Am liebsten hätte ich die Hälfte der Backwaren mitgenommen und zu Hause vernascht. Das war allerdings nicht der Grund, warum ich hierherkam, deswegen stellte ich mein Verlangen hinten an und bestellte das gleiche, was wir jedes Mal holten.

„So wie immer, bitte." Sie nickte und fing an es in die Tüte einzupacken, die ich bereits seit meiner Kindheit kannte. Schon immer hatten meine Eltern hier das Brot gekauft, weil Ella seit dem ersten Mal so unfassbar freundlich gewesen war, dass wir sie seitdem unterstützen wollten.

„Sonst noch etwas?" Ich schüttelte nur meinen Kopf und gab ihr anschließend das Geld.

„Sag, wie geht es deiner Mutter? Ich sehe sie kaum noch", erwähnte sie und überreichte mir das Brot.

Ella war mittlerweile eine gute Freundin meiner Mutter. Sie kannte mich eben schon, seitdem ich ein kleines Mädchen war und wusste natürlich, was damals mit meinem Vater passiert war. Sie hatte immer versucht mich aufzuheitern, als ich sie besuchte. Irgendwann wurde es zur Gewohnheit, dass ich jeden Tag hierher kam und mit ihr redete. Ich durfte Backwaren essen, ohne dafür zu bezahlen und vermisste sie bereits, als ich nur eine Minute aus der Bäckerei gegangen war. Früher waren sie und Mom meine Rettung gewesen, denn sie waren die einzigen, die mich auffingen.

Mittlerweile sah ich Ella wieder seltener, weil ich einfach viel für die Schule zu tun hatte. Und irgendwie konnte ich nun besser mit dem Tod meines Vaters umgehen, als noch vor einigen Jahren. Ich war Ella immer noch so unfassbar dankbar, dass sie uns immer beigestanden hatte.

„Sie arbeitet sehr viel." Ich wollte nicht, dass Ella sich Sorgen machte, sie war genauso emotional wie meine Mutter.

„Wenn sie mal wieder Zeit hat, dann sag ihr, dass sie mich gerne anrufen kann. Ich lasse hier sofort alles liegen und stehen und sprinte zu euch. Naja.. so gut, wie ich in meinem Alter noch kann." Ein Lachen entwich mir und sie guckte mich liebevoll an. Sie hatte es lange nicht mehr gehört.

EiskaltWhere stories live. Discover now