§ 1, Absatz 3

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We are what we are,

neither as good or as bad as others paint us.

And what we are doesn't change

how truly we feel,

only how free we are

to follow those feelings.

...~Melissa Marr in „Gegen die Finsternis"~...

„Wo liegt Illion eigentlich?", fragte Percy seinen Vater eine Weile später und strich dem schwarzen Hengst, der ihn trug, über den Hals.
Poseidon sah ihn nicht einmal an, als er antwortete: „Im Nordwesten der Türkei. Du kennst Illion unter einem anderen Namen, Percy. Die Gegend in der Illion liegt, wird in dieser Zeit Troia genannt."
Percy stutzte und runzelte die Stirn, „Ist das dein Ernst? Wir erleben den trojanischen Krieg?"
Als sein Vater nicht antwortete, verstand Percy, dass dieser das für eine dumme Frage hielt. Halb verunsichert, halb beleidigt, trieb der Teenager sein Pferd nach vorn neben das des Prinzen.
Hektor wirkte im Gegensatz zu seinem Vater nicht unnahbar. Stattdessen lächelte dieser ihm überrascht zu.
„Lasst mich raten...", meinte der Sohn des Poseidon. „Es ist nicht üblich, dass sich ein einfacher Diener wie ich auf die Höhe seines Prinzen begibt, um zu reden?"
„Nein, es ist nicht üblich.", gab der Blonde zu und warf ihm von der Seite einen interessierten Blick zu. „Aber niemand fragt mich nach meiner Meinung. Ab und zu finde ich eine kleine Unterhaltung ganz gut."
„Ich bin euch untergeben.", Percy zuckte mit den Schultern. „Ihr könntet mir auch einfach befehlen, mich mit euch zu unterhalten."
„Dann ist es aber nicht echt. Nicht natürlich. Das, was wir gerade tun... Es ist unterhaltsam."
„Es ist bedenklich, dass das hier für euch nicht normal ist. Wo ich herkomme...-", Der Jugendliche unterbrach sich selbst. Wie konnte er nur so dumm sein?!
Wenn er nach meiner Herkunft fragt, was soll ich dann antworten?
„Dort wo ihr herkommt, ist es wohl normal?"
Wundervoll... Einfach klasse gemacht, Percy...
„Ähm...", Der Dunkelhaarige schluckte nervös. „Ja, aber wir kommen von sehr weit her. Unser... Königreich liegt im Westen."
Hektor runzelte die Stirn und fuhr sich mit einer Hand über die verschwitzte Stirn, „Was tut ihr dann hier in der Gegend?"
„Wir brauchten mal was neues.", erklärte der Sohn des Poseidon so überzeugend wie er konnte. „Unser Königreich ist sehr groß. Man hat kaum seinen Nachbarn gekannt. Man hat schon Glück, wenn man überhaupt seine Eltern kennt." Unauffällig schielte er zu Poseidon, der die Zügel fest in den Händen hielt und ihn genau im Auge zu behalten schien. „Dad... geht es nicht gut in letzter Zeit. Es ist, als hätte ihm eine fremde Macht Fesseln übergestreift. Eine... Priesterin meinte, es liegt daran, dass er mich zu wenig kennt und hat meinem Vater empfohlen, etwas kleineres zu suchen, damit er eine bessere Bindung zu mir aufbauen kann und zu seiner ursprünglichen Stärke zurückfindet."
Hektor nickte verständnisvoll, „Also geht es hier um deinen Vater... Ich verstehe."
Seufzend biss sich der Teenager auf die Innenseite seiner Wange, „Es geht immer um meinen Vater. Daran wird sich nie etwas ändern."
„Was war das für eine Priesterin?", fragte der Prinz anstatt zu antworten. Als würde er spüren, dass es Percy unangenehm war... „Es klingt nach einer recht ungewöhnlichen Methode."
„Sie dient ... Apollo. Gott der Heilung."
Hektor fuhr sich erneut mit einer Hand über die Stirn, „Wir haben einen Tempel des Apollo. Meine Schwester ist auch eine seiner Priesterinnen. Ich bin mir sicher, sie kann dich mal mit auf die Priesterinsel nehmen."
Percy rang sich ein Lächeln ab, „Das wäre toll."
Der Prinz sah ihn von der Seite an, „Weißt du, eigentlich hätte ich dich als Schreiber einsetzen sollen. Du bist viel zu jung, um als mein Leibwächter herzuhalten."
„Warum habt Ihr dann eure Meinung geändert?"
„Ist das nicht offensichtlich?", Der Blonde nahm sich den Wasserbehälter, der an seiner Hüfte baumelte und trank einen kleinen Schluck. „Ich habe deine Bewegungen gesehen. Du bist eindeutig ein Kämpfer. Es wäre Verschwendung des Talents gewesen, dich mit einem Papyrus rumrennen zu lassen. Außerdem erscheinst du mir nicht wie der Typ, der lesen und schreiben kann."
Kurz starrte ihn Percy irritiert an, bis er vorsichtig antwortete: „In meiner Heimat... ist es normal lesen und schreiben zu können. Es nicht zu können, ist das, was verrufen ist."
Überrascht hob Hektor eine Augenbraue und sah ihn bedauernd an, „Das tut mir leid. Ich wollte dich nicht beleidigen."
„Wo wir gerade beim Thema Beleidigung sind...", fing der Sohn des Poseidon an. „Warum seid Ihr überhaupt hier draußen? Wäre der Palast oder zumindest die Heimatstadt nicht sicherer?"
Der Prinz nickte leicht, „Da hast du Recht. Vor allem in den letzten Jahren ist es dort am sichersten gewesen. Ich werde dich nicht anlügen, Percy. Illion ist von den Griechen besetzt. Wir befinden uns im Krieg und in nächster Zeit wird es wohl wieder heftiger zur Sache gehen. Für diese Zeit brauchen meine Leute Vorräte und meine Kämpfer Waffen. Und die haben wir aus den benachbarten Provinzen geholt. Hätten wir durch den Überfall all das verloren, wäre das wahrscheinlich der Untergang meines Volkes gewesen. Ich hoffe, das schreckt dich nicht ab."
Percy schnaubte, und sah leicht zur Seit, damit Hektor nicht sein Gesicht sah, „Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich habe schon in mehr Kriegen gekämpft, als Ihr vielleicht denkt... Ich bleibe bei euch."

„Es ist uns eine Ehre, Eure Majestät."
Diesmal war Poseidon an der Reihe seinem Sohn den Ellbogen in die Seite zu rammen, als dieser ein bisschen langsamer im Verbeugen war, als er.
Bei den Göttern. Zuerst widerstrebt es ihm, sich einem Prinzen unterzuordnen und jetzt schleimt er gleich bei König Priamos?!
Insgeheim hoffte Percy, dass sein Vater auf seiner Schleimspur ausrutschen würde, aber er wusste, dass das nicht passieren würde. Der Gott wusste ganz genau, wie er sich in dieser Zeit zu verhalten hatte, während Percy vermutlich etwas naiv war, als er Prinz Hektor einfach angesprochen hatte.
„Ich habe gehört, dass ihr meinen Sohn gerettet habt.", Ein Lächeln schlich sich auf das Gesicht des älteren Mannes. „Ich bin dir und deinem Sohn zu Dank verpflichtet. Es ist mir eine Ehre. Willkommen in Troja."
Priamos winkte einen Diener zu sich, „Agápios wird deinen Sohn zu euren Gemächern bringen. Wenn Ihr dafür offen seid, würde ich mich gerne noch ein wenig mit euch unterhalten, Neptun."
Percy warf seinem Vater einen fragenden Blick zu, als er dem Diener folgte, aber er beachtete ihn gar nicht. Der Sohn des Poseidon konnte nicht anders, als die Augen zu verdrehen, als er sich von dem Gott abwandte.

Percy dachte, er wäre froh, dass er sich kein Zimmer mit Poseidon teilen musste, aber er musste schnell feststellen, dass er sich ziemlich einsam fühlte. Egal, wie sehr er es versuchte, er konnte nicht einschlafen.
Immer wieder schweiften seine Gedanken ab zu Annabeth. Was sie jetzt wohl machte? Widmete sie sich wieder ihren Architekturentwürfen? Wusste sie überhaupt, dass er weg war? Wusste irgendjemand, dass er mal wieder von Göttern entführt wurde?
Für ein paar Sekunden schloss er die Augen beim Versuch, seine Sehnsucht zu vergessen. Zwischen Percy und Annabeth lagen nun nicht mehr nur Kilometer. Jetzt gab es auch noch die Zeit. Jahrtausende lagen zwischen ihnen und der Sohn des Poseidon wusste nicht, wie er sie überbrücken sollte, um zu ihr zurückzukommen. Der Schmerz, als ihm das klar wurde, kam in Wellen.
Und Percy selbst fühlte sich, als würde er ertrinken...


Trials of PoseidonWhere stories live. Discover now