Tag elf, nachmittags

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Kurz nach der Mittagszeit klopfte es an der Tür. Ich ging und öffnete, davor stand Herr Meurel, in schwarzem Anzug, bunt gemusterter Krawatte und einem Ausdruck, als wären Ostern und Weihnachten auf einen Tag gefallen. Die Haare diesmal nicht streng zurückgekämmt, sondern vom Wind zerstreut und wirr abstehend. Ohne Mappe.

Ohne mich anzusehen drängte er an mir vorbei in die Küche, stellte sich zielstrebig neben die Arbeitsplatte und wartete, bis ich ihm gefolgt war. Als ich ihn so betrachtete, erst von hinten, wie er lässig dastand, die Hände in den Hosentaschen versenkt, dann das Profil, dieser berechnende wartende Ausdruck, und schließlich der Geruch nach alter Ölfarbe, wurde ich unwillkürlich an jemanden erinnert. Ich brauchte einen Moment, den Zusammenhang herzustellen. Wir schwiegen. Herr Meurel, der Verkäufer aus dem Antiquitätengeschäft, der Mann, der mir vor elfeinhalb Tagen Frieda für zwölf Euro fünfundneunzig verkauft hatte, und ich. Ich sah ihn an und folgte seinem Blick. Die alte Kaffeemühle, die ich in so kurzer Zeit so liebgewonnen hatte.

Dann schaute er mich an. Ein Lächeln, selbstgefällig, zufrieden, diabolisch, umspielte seine Lippen und ließ mich zu Eis erstarren. Darf ich Ihnen irgendetwas, setzte ich an, verstummte jedoch. Sein Grinsen wurde breiter, das gesamte Gesicht verzog sich zu einer lächerlichen Grimasse. Tun Sie, was Sie nicht lassen können, sagte er, aber stellen Sie sich dabei nicht mir oder meinen neuen Wohnungen in den Weg. Damit öffnete er sein Jackett, griff in die Innentasche und förderte ein Päckchen Streichhölzer zutage. In aller Seelenruhe schob er das Kästchen auf, nahm eines heraus, schob das Kästchen wieder zu, ratschte an der Seite entlang, bis das Hölzchen Feuer fing. Einen Moment betrachtete er das Flämmchen verliebt, dann schmiss er es von sich, machte auf dem Absatz kehrt und ging davon. Ich betrachtete, wie die Flamme eine Weile lang am unteren Regalbrett züngelte, dann emporstieg, größer wurde und nach und nach meine Gewürzmischungen, Kochbücher, den großen Korb Kartoffeln, eine vergilbte Ansichtskarte, und eine einsame Knoblauchzehe in Besitz nahm und daran wuchs. Ich vernahm ein lautes Aufröhren eines Motors, dann Reifenquietschen auf dem Vorplatz meines Hauses. Die Feuersbrunst erreichte die Dosen-Tomatensuppe, meine Geschirrtücher, eine weitere Gewürzmischung. Und dann nahm sie Kurs auf das Brett mit dem Salzstreuer, dem losen schwarzen Tee im Marmeladenglas und Frieda. Mein Herz setzte einen Schlag aus, doch ich hielt mich zurück. Ich hatte mein Leben lang lieber ruhig abgewartet, und das würde ich jetzt auch tun.

Ich hatte abgeschlossen, mit mir, mit meinem Leben, mit Frieda. Mit dem Meurel, wenn ihn das glücklich machte, was er hier tat, dann sollte es so sein. Ich war fertig.

Ein letzter Gedanke zuckte durch meinen Kopf, eine Erinnerung an schwarzes Pulver, ein ganzes Schublädchen voll, das so überhaupt nicht nach Kaffee gerochen hatte. Dann erreichten die Flammen das Regalbrett, in dem Moment, als die Abendsonne durch das Fenster brach und Friedas Maserung ein letztes Mal im weichenden Licht ihre geschwungenen Linien offenbarte. Es züngelte einige Male, dann sah und hörte ich mit einem Schlag nichts mehr. Frieda, war sie mir doch die gesamte Zeit so nutzlos vorgekommen, hatte ihren Dienst getan.







~ 15. - 19. April 2018

Kaffee mit FriedaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt