Kapitel 1

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Mit einem Knirschen setzte sich der zweite der drei Busse auf dem staubigen Kiesweg in Bewegung und ließ damit die Herzen der vierundvierzig Jugendlichen in ihm endgültig schneller schlagen. Nun gab es kein Zurück.

Ich versuchte ein leichtes Lächeln, um meine angespannte Miene etwas aufzulockern, doch es funktionierte nicht ganz. Sofort hatte ich wieder Falten auf der Stirn und einen zusammengekniffenen Mund, doch meine Augen strahlten.

Obwohl ich innerlich das Gefühl hatte, zu explodieren vor Freude, war ich so nervös, aufgeregt und besorgt zugleich, dass ich nicht still sitzen konnte.

Zwei unbestimmte Wochen lagen vor mir und ich wusste immer noch nicht, ob ich mich nun freuen oder fürchten sollte.

Coco krallte ihre Finger in meinen Arm und ich drehte meinen Kopf widerstrebend vom Fenster weg, aus dem ich die ganze Zeit gestarrt hatte.

Ihr schien es ähnlich zu gehen wie mir, zumindest rutschte sie auf ihrem Sitz hin und her und warf den anderen Gruppen immer wieder halb misstrauische, halb interessierte Blicke zu. Unsere Gruppe, die außer mir und Coco noch aus Ben und Luis bestand, saß relativ weit vorne im Bus, was mich leider dazu veranlasste, dauernd nach hinten zu schauen.

Das Spiel hatte noch nicht einmal angefangen und schon wurde ich paranoid. Die misstrauischen Blicke der anderen Jugendlichen taten ihr Übriges.

In diesem Bus saßen elf Gruppen, die vier Personen jeweils so dicht wie möglich beisammen.

Henry, einer der Organisatoren des Spiels, saß vorne neben dem Busfahrer und starrte auf die staubige Straße.

Finster beäugten sich die Gruppen, teils abschätzend, teils misstrauisch. Ich fühlte mich beobachtet, obwohl jeder nur auf sich selbst zu achten schien. Es war ein unangenehmes, prickelndes Gefühl im Nacken, und je länger ich nach hinten sah, desto schlimmer wurde es.

Mit einem Ruck drehte ich mich wieder nach vorne und schenkte Coco ein Lächeln, um sie zu beruhigen. Dabei flatterte mein Herz jedoch so verrückt, dass ich Angst hatte, es würde mir davonfliegen.

Ich war unglaublich froh, sie dabei zu haben! Zwar verstand ich mich auch mit Ben und Luis überraschend gut, jedoch starrten sie regungslos vor sich hin und zeigten ihre Nervosität nicht, was mich, ohne Coco, schon längst wahnsinnig gemacht hätte.

Ein grünes Schimmern aus dem Augenwinkel lenkte meine Aufmerksamkeit wieder zum Fenster. Den anderen schien es genauso zu gehen. Sofort brach Getuschel aus und alle, die auf derselben Seite wie ich am Fenster saßen, drückten sich – genau wie ich mich – an die trübe Scheibe.

Wir fuhren an einem Wald vorbei. Die großen, grünen Wipfel ragten aus meinem Sichtfeld, doch ich konnte die ganzen kleinen Büsche, Farne, anderen Pflanzen und Baumstämme sehen. Der Wald wirkte unglaublich dicht und sah ganz anders aus, als auf der der Jugendherberge zugewandten Seite. Nach meiner gestrigen Ankunft in der Jugendherberge hatte ich mir den Wald verbotenerweise schon einmal näher angesehen, doch der staubige Kiesweg, den unser Bus entlang dröhnte, befand sich genau auf der anderen Seite des Waldes.

„Wow, wir sind bestimmt fast da", hauchte Coco neben mir. Sie hatte sich über mich drüber gelehnt, um ebenfalls so viel wie möglich von dem Wald zu erhaschen.

„Beruhigt euch, wir sind die nächsten zwei Wochen da drin", lachte Ben und stieß sie freundschaftlich in die Seite.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah sie ihn an.

„Aber ... aber vielleicht sehen wir schon ein Vorg." Beim letzten Wort senkte sie die Stimme und warf einen Blick nach hinten zu den anderen Gruppen.

Gefährliche JagdWhere stories live. Discover now