Kapitel 3

35.9K 1.9K 364
                                    


Mit weit geöffneten Augen, um in dem Dämmerlicht besser sehen zu können, kroch ich vorwärts und kam in einen kleinen Hohlraum unter den ganzen Ästen. Vorsichtig setzte ich mich auf und konnte nicht anders, als zu staunen: An manchen Stellen drangen Lichtstrahlen durch die dichten Zweige und erhellten den Raum, der gerade groß genug für vielleicht vier, fünf Leute war. Auf dem Boden lag kein Laub, wahrscheinlich hatten die Spielemacher es extra entfernt. Die Erde war nicht kühl, sondern angenehm warm. Die Höhle war zwar nicht sonderlich hoch, Ben konnte wahrscheinlich nicht mal knien, für mich war es jedenfalls kein Problem. Nur die Luft war etwas stickig hier drin.

„Es ist super, kommt rein", sagte ich und spähte durch den kleinen Eingangstunnel nach draußen.

Auf der anderen Seite erschien Luis' Gesicht und ich wich ein Stück zurück, als er begann, hereinzukriechen. Nach Luis kam Coco und zum Schluss Ben. Wir saßen alle so weit wie möglich an der Wand, doch es war trotzdem recht eng. Für drei Leute wäre es ganz gemütlich gewesen, wir mussten alle ziemlich zusammenrücken.

„Mist, ich dachte es reicht für vier", seufzte ich und zog meine Knie an, damit Luis seine längeren Beine etwas ausstrecken konnte.

„Es ist für den Anfang doch schon mal was", widersprach Coco. „Aber wir sollten noch nachsehen, ob es einen Fluss hier in der Nähe gibt. Ich habe Durst, und was meint ihr, wie viel Zeit wir noch haben?"

Ich sah ratlos von einem zum anderen.

„Hoffentlich noch eine viertel Stunde", antwortete Ben besorgt. „Aber du hast recht. Suchen wir erstmal einen Fluss. Vielleicht finden wir auch gleich eine Station mit Essen in der Nähe."

Einer nach dem anderen robbte wieder nach draußen, wobei ich unendlich froh war, als sich meine Lungen wieder mit frischer, kühler Luft füllten.

Erst jetzt merkte ich, wie beengend es da drin wirklich gewesen war, und hoffte, dass ich mich daran noch gewöhnen würde.

Vor allem da drin zu schlafen, stellte ich mir schrecklich vor. So zusammengekrümmt und im Sitzen. Ich verdrängte erst einmal die Gedanken daran. Das Problem würden wir, wenn es so weit war, lösen.

„Wollen wir uns aufteilen?", fragte ich, als alle draußen waren, doch Ben schüttelte den Kopf.

„Es ist sicherer, wenn wir zusammenbleiben, vor allem, weil wir nicht wissen, wie lange wir noch haben bis zum Gong."

„Am besten wir gehen da lang", sagte Luis und deutete in die entgegengesetzte Richtung, als der, aus der wir gekommen waren.

Da wir auf dem Hinweg an keinem Fluss vorbeigekommen waren, war das wohl die beste Lösung. Der Wald war in diesem Bereich wirklich angenehm: Die Bäume standen etwas weiter auseinander, es gab keine piksenden Dornen oder Brennnesseln. Noch nicht mal Wurzeln, über die man stolpern konnte. Wir liefen recht zügig, lauschten angespannt und voller Angst auf den Gong. Hofften, dass er erst kommen würde, wenn wir Wasser gefunden hatten und wieder in unserem Versteck waren.

Wir marschierten einen Hügel hinauf, als ich plötzlich ein leises Rauschen hörte.

„Hört ihr das?", fragte ich in dem Moment, in dem Coco „Da ist ein Fluss!" sagte.

Begeistert rannten wir los, dem Rauschen entgegen.

Der Fluss war ziemlich breit und befand sich in einer leichten Senke, in die wir ohne anzuhalten hinunter liefen.

Das Wasser war angenehm kühl und ich trank gierig ein paar Schlucke. Das Laufen war etwas anstrengend gewesen und so war ich über das kristallklare Wasser nur noch glücklicher.

„Der Fluss ist ungefähr zwei Hügel von unserem Versteck entfernt", sagte Ben und sah sich für einen Moment wachsam um. Dann lächelte er.

„Unser Versteck ist wirklich perfekt."

Ein breites Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Die zwei Wochen würden ein Klacks werden. Warum hatte ich mir auch Sorgen gemacht?

„Wir sollten langsam ...", meinte Coco, jedoch wurde der letzte Teil ihres Satzes von einem lauten und dröhnenden Gong übertönt. Er hallte noch einen Moment zwischen den Bäumen nach, dann war er nicht mehr zu hören.

Alle Farbe wich aus meinem Gesicht und ich sah das gleiche Entsetzen in den Augen der anderen.

„Verdammt, der Gong! Die Jäger sind da!", fluchte Ben.

,,Zurück, kommt schon!" Luis sprang auf und wir rannten. Rannten so schnell uns unsere Beine trugen. Es war nicht wie auf dem Hinweg, als wir, mal langsam, dann wieder etwas schneller vorankommend, gemütlich durch den Wald gejoggt waren. Nein, diesmal rannten wir und merkten kaum, wie die Bäume an uns vorbeiflogen, während wir durch den Wald preschten, im Weg hängenden Ästen notdürftig ausweichend.

Die Jäger waren da, mit Pech nur ein paar Hügel weiter hinten gestartet, ab jetzt hieß es entkommen oder nahezu sicher das Ende des Spiels. Keine sichere Minute mehr.

„Das Spiel hat begonnen", dachte ich und musste mit aller Kraft ein Lächeln unterdrücken. Schon seit Wochen hatte ich mich genau auf diesen Moment gefreut.

Natürlich hatte ich Zweifel gehabt, hatte Angst, doch das Gefühl von Adrenalin, Kraft und der frischen Luft, die ich gierig einatmete, als ich den Hügel hinaufstürmte, war einfach wunderbar.

Und da war wieder das Kribbeln in meinem Bauch, schon bei der puren Vorstellung, dass sie jeden Moment kommen und uns finden konnten.

Jeden Moment. Plötzlich war die Freude vorbei. Es konnte schon in wenigen Minuten aus sein. Mein Heimfahrtticket. Um meine Freunde wiederzusehen und ihnen zu sagen, dass ich gescheitert war.

„Hör auf!", dachte ich verärgert und schüttelte den Kopf, versuchte die dunklen Gedanken aus meinem Kopf zu verdrängen. Meine Gruppe war stark! Zwar bestanden die Jägergruppen immer aus fünf Leuten und nicht wie die der Gejagten aus vier, doch wir würden das schaffen!

„Maria. Komm!"

Ich hob den Kopf und bemerkte, dass ich langsamer geworden war und die anderen mich schon ein ganzes Stück abgehängt hatten.

„Die zwei Wochen werden toll, keine düsteren Gedanken mehr", befahl ich mir, atmete tief ein und aus, setzte ein Lächeln auf und rannte los.

Wir liefen nicht mehr so schnell, wie wir konnten, doch immerhin so schnell, dass ich, als ich unser Versteck zwischen den Bäumen entdeckte, ziemlich aus der Puste war.

Luis und Coco schien es ähnlich wie mir zu gehen, nur Ben sah noch ziemlich fit aus.

„Beeilt euch, wir sind fast da", grinste er und lief lässig neben uns.

„Pah", knurrte ich, konnte jedoch nicht ganz verhindern, dass sich ein Lächeln auf mein Gesicht schlich.

Das Laub knirschte unter meinen Füßen bei jedem Schritt, doch ich war fast sicher, dass unser Keuchen das sowieso übertönen würde.

„Eigentlich hätten wir auch gar nicht so rennen müssen", lachte Luis und holte tief Luft.

„Stimmt", sagte ich und hielt an. Durch unseren Sprint hatten wir unser sicheres Versteck ziemlich schnell erreicht.

„Ich geh zuerst", seufzte Coco und ließ sich auf den Bauch fallen, um durch die Öffnung hineinzukriechen. Sie war gerade halb darin verschwunden, sodass nur noch ihre Beine hinausschauten, als ich ein Rascheln hörte. Ein unangenehmes Prickeln machte sich auf meinem Rücken breit und ich wirbelte im gleichen Moment wie Luis herum. Hinter uns auf dem Hügel standen fünf Personen, ein Mädchen und vier Jungen. Jeder trug ein dunkelbraunes T-Shirt und eine dunkelgrüne Hose.

„Jäger!", rief ich entsetzt, bevor ich mir die Hand vor den Mund schlagen konnte.


Hier ist das Ende der Leseprobe. Wenn Ihr neugierig geworden seid und euch das Buch bisher gefallen hat, würde es mich riesig freuen, wenn Ihr das E-Book kaufen würdet! Damit würdet Ihr mir einen riesigen Gefallen tun.

Ganz liebe Grüße

Tomoons

Gefährliche JagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt