Kapitel X

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„Professor?", fragte Hermine in den großen, dunklen Raum hinein. Ihre Stimme hallte von den Wänden wieder, obwohl sie nur sehr leise sprach.

Das Büro war leer und still, nicht einmal eine Kerze brannte - es schien komplett verlassen. Hermine holte ihren Zauberstab heraus und ging mit erleuchtetem Stab in den Raum hinein, die Tür leise hinter sich schließend.

Sie fand die Schulleiterin an einem der großen Fenster sitzend. Ihre Haare waren nicht streng zu einem Dutt gebunden wie früher, sondern lagen komplett wirr, und ihre Beine baumelten vom Fensterbrett herab. In der Hand hielt sie eine bereits halbleere Flasche Feuerwhiskey. Das Glas, das sie vorher noch benutzt hatte, lag scheinbar schon eine Weile auf dem Tisch. Langsam wagte Hermine sich weiter vor und stand schlussendlich etwa einen Meter von ihr entfernt.

„Professor McGonagall?", fragte sie erneut, um die Aufmerksamkeit ihrer ehemaligen Lehrerin zu erlangen.

Hermine, als Gryffindor durch und durch, ging noch näher und legte der Schulleiterin eine Hand auf die Schulter und setzte sich leise neben die Frau, zu der sie stets aufgesehen hat.

„Es ist wunderschön, nicht?"

Ihre Stimme war leise, nur wenig mehr als ein Flüstern. Sie redete von dem weitläufigen Schulgelände. Die aufgehende Sonne tauchte den See in leichte Orange- und Rosatöne. Die Stille, die über dem Schloss lag, wurde nur ab und an von einem Vogelruf gestört.

„Atemberaubend", flüsterte Hermine, nachdem sie den Eindruck hat auf sich wirken lassen.

Die ältere Hexe schniefte kaum merklich und stand mit der Flasche in Händen auf und ging zu der kleinen Couch in der Ecke ihres Büros mit Hermine dicht auf ihren Fersen.

„Wie kann ich Ihnen helfen, Miss Granger?"

Ihre Stimme klang fragil, gebrochen. Von ihrer ehemaligen Stärke und Schärfe war nicht mehr übrig geblieben. Hermine erinnerte sich an die Professorin, die kämpfte für alles, was ihr wichtig war. Sie erinnerte sich an die Professorin, die von allen respektiert und von einigen sogar gefürchtet wurde. Die Frau, die nun neben ihr saß, hatte kaum etwas mit ihr gemein. Statt Minerva McGonagall sah Hermine eine alte und zutiefst gebrochene Frau vor sich, eine Frau die viel zu lange stak war.

„Was ist los, Professor. Severus und ich – wir machen uns Sorgen. Sie verlieren nie die Kontrolle, nicht so. Sie sind immer da, wenn jemand ein offenes Ohr braucht -scheinbar ist es an der Zeit, dass auch Ihnen Gehör geschenkt wird. Sie sind nicht allein, nie."

Hermine griff nach der Hand ihrer Lehrerin, um sie etwas aufzubauen und schenkte ihr ein kleines Lächeln.

„Ich weiß Ihre Geste sehr zu schätzen, Miss Granger – aber ich denke, Sie sollten sich nicht mit meinen Problemen beladen", antwortete die ältere Hexe, deren Augen glitzerten mit Tränen, die drohten zu fallen.

„Professor, auch wenn Sie immer stark und mutig waren – jeder Mensch braucht jemanden zum Reden. Ich habe Sie immer für Ihre Stärke bewundert, Sie waren nie schwach und der Fakt, dass Sie es jetzt sind, macht Sie nur noch bewundernswerter in meinen Augen."

„Vielen Dank dafür, dennoch finde ich nicht, dass Sie sich meiner annehmen sollten. Ich schätze Ihr Engagement und Ihre Sorge wirklich sehr, doch Sie sind immer noch meine Schülerin, wenn auch nicht im traditionellen Sinne. Sie sollten besser nachsehen, ob Severus die kleinen Monster schon aus dem Astronomieturm gehalten hat bei seinem Temperament manchmal. Ich bleibe währenddessen hier und höre Albus zu, wie er sich weigert, gemalte Zitronenbonbons zu essen."

Sie lächelte und tätschelte die Hand ihrer Schülerin.Die braunäugige junge Frau stand traurig auf und verließ das Büro durch den Kamin mit den Worten: „Wie Sie wünschen, Schulleiterin."

FreiWhere stories live. Discover now