Kapitel 16 - Der Junge, der mit der Sonne tanzt

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Kapitel 16

Der Junge, der mit der Sonne tanzt


~Mile~

Mile starrte aus der Schiessscharte des Südwestturmes.
Winter.
Wie sollte er ihn vertreiben, Väterchen Frost.
»Na komm schon!«, flüsterte Red und ihre sanften Augen musterten ihn liebevoll.
»Ich weiss, dass du das schaffst!«
Mile biss sich auf die Lippe und stapfte weiter die Treppe hoch.
Oben angekommen, kroch ihm sofort der kalte Wind in die Glieder.
Nun war er allein mit Red. Der König hatte sie allein hinaufgeschickt, um das Schauspiel vom Hofe aus zu beobachten.
»Wie soll ich das nur machen? Ich habe doch keine Ahnung, wie man den Sommer herbei beschwört!«, rief er und Panik stieg in ihm auf.
Red stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft.
»Nun mach schon! Lass dich von deinem Instinkt leiten. Du bist der Lichterlord, Mile! Du kannst das! Es ist deine Bestimmung!«, hauchte sie.
Miles Herz trommelte gegen seine Brust, als er auf die Zinnen zuging.
Red hatte es mal wieder geschafft. Wieder hatte sie dieses wunderschöne Gefühl in seiner Brust ausgelöst.
Mile atmete tief ein. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf eben diese Wärme.
Er liess sie wachsen, zu Hitze anschwellen. Heisse Lava sprudelte durch seine Adern. Er spürte seine Feuerhaare, wie sie zischten und fauchten. Rauch strömte aus Nase, Mund und Ohren.
Dann öffnete Mile die Augen.
Seine Haut leuchtete golden.
Mile liess seinen Flammenden Blick über das Land unter ihm streichen.
Er konnte die goldene Rüstung des Königs in der Sonne glitzern sehen.
Und da viel es ihm wie Schuppen von den Augen.
Die Sonne!
Mile konzentrierte sich und liess seine Hand in die Hosentasche seiner nun verdreckten und leicht angekohlten Jeans wandern.
Er zog den Kompass seines Vaters heraus.
Er strich über die auf dem Deckel eingravierte Sonne.
Das Metall begann zu glühen und die Sonne löste sich vom Deckel. Sie schwebte langsam gen Himmel, schwoll an und ihr Licht wurde immer greller und greller, bis Mile die Augen schliessen musste, um nicht geblendet zu werden.
Nach einer Weile wagte Mile wieder, die Augen zu öffnen und riss sie sogleich weit auf.
Das zuvor schwache Licht der Sonne hatte sich in ein grelles Leuchten verwandelt.
Sie Sonne schien heiss und unerbittlich. Und er stand mitten in den Sonnenstahlen, die über seine Haut tanzte, als hätte sie es lange vermisst, endlich auf die Welt hinab zu scheinen.
Sommersonne!
Red jauchzte und fiel ihm um den Hals.
»Mile! Du hast es geschafft!«, jubelte sie.
Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und zog seinen Kopf nach unten.
Dieser Kuss war anders als der von gerade eben. Vorher war der Kuss sanft gewesen. Nun presste sie ihre Lippen innig auf die seinen. Voller Leidenschaft...


~Sabrina~

Sabrina starrte hinauf in den Himmel. Die Sonne brannte erbarmungslos herunter.
Sie fühlte sich so Elend wie noch nie.
Der König jubelte und schrie seinen Rittern irgendwas von „Krieg" und „die Dunklen platt machen" zu.
Eril trat neben sie. Seine Augen leuchteten.
»Er hat es tatsächlich geschafft! Nach all den vielen, vielen Jahren! Endlich ist es wieder Sommer!«, rief er und küsste ihre Stirn. Sie war so baff, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte.
Ein Zwergenritter kam angerannt. An seinem Gürtel hing eine Streitaxt und in der Hand hielt er eine mit schwarzem Blut verkrustete Spitzhacke. Wer hat jemals was von "unschuldigen Kindermärchen" gesagt?
»Drosselbart! Die Truppen der Dunklen ziehen sich zurück! Sie fliehen!«, rief er und stellte sich vor den König.
Die sieben Zwerge keuchten und schmissen sich vor dem Zwerg in Rüstung auf den Boden.
»Ach lasst das! Ich hasse diese Formalitäten!«, knurrte der Zwerg und lehnte sich an seine Spitzhacke.
»Wer ist das?«, zischte Sabrina Eril zu.
Eril machte grosse Augen und fragte ungläubig: »Du weisst nicht wer das ist? Das ist König Orion! Der Zwergenkönig. Sein Volk wurde aus den Bergen im Nordwesten vertrieben. Nun sinnt er auf Rache. Das Ondor Gebirge diente den Zwergen seit Urzeiten als zuhause. Sie haben dort unglaubliche Städte gebaut. Wunderschöne Steinmetzkunst. Und ihre Schmiedekunst ist der der Elfen ebenbürtig!«
»Ich würde schon fast behaupten überlegen, junger Elf!«, brummte König Orion aber sein Tonfall hatte nichts unfreundliches.
»Dafür müssen wir uns natürlich eurer Schnitzkunst beugen! Nichts geht schliesslich über einen von Elfen gemachten Bogen!«
Sabrina wurde langsam richtig übel. Sie sah schwarze Pünktchen vor ihrem Sichtfeld tanzen und ihre Knie wurden weich.
»Was ist mit dir?«, keuchte Eril als Sabrina beinahe umkippte und sich an seiner Schulter festklammern musste.
»Ich weiss nicht... Es liegt wohl an der Sonne...«, keuchte sie.
»Sehr interessant...«, knurrte König Drosselbart und kam auf Sabrina zu.
Er hob ihr Kinn an und sah ihr ins Gesicht.
»Ich habe das schon einmal erlebt. Damals bei deinem Vater! Nachdem deine Mutter den Winter einberufen hatte, sah dein Vater genauso aus wie du. Ganz käsig. Irgendwie fühlte er sich krank. Das kann mal passieren, wenn die Umstellung von den Jahreszeiten zu heftig ist, hatte Ignatzius, dein Vater damals gesagt.
Es sollte mit der Zeit aber aufhören... Am besten bringen wir sie rein. Eril, Kayden, Arillis«, brummte der König und deutete auf Sabrina.
Eril, ein weiterer Elf und eine Menschenfrau traten auf sie zu.
Eril und die Frau, die Arillis sein musste, stützten sie, während Kayden, der Elf, ihnen den Weg frei machte.
Schuppige, haarige, alte und junge Gesichter musterten sie neugierig und immer wieder konnte Sabrina ein Wort deutlich aus dem Getuschel heraushören.
Eisprinzessin.

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt