Kapitel 78 - Und wenn sie nicht gestorben sind...

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Kapitel 78

Und wenn sie nicht gestorben sind...


~Mile~

»Das Schicksal zerstören?« Mile lachte. »Sonst noch etwas?«
Die Augen des Teufels verengten sich zu Schlitzen. »Ja, das Schicksal. Denkt nach, Mile. Was hat das Schicksal Euch alles angetan. Es nahm Euch Eure Eltern, Eure Freunde. Es hat Euch auf einen Weg, gepflastert mit Tod und Leid, geschickt. Ihr hattest keine andere Wahl, als Euch zu fügen.«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht das Schicksal nahm sie mir. Du warst das. Du und die anderen Antagonisten dieser Welt.«
Rumpelstilzchen schüttelte den Kopf. »Ihr wisst wenig über Twos, Mile. Das Schicksal entscheidet für Euch und Ihr habt keine andere Wahl, als ihm zu folgen. Eure einzige Chance besteht darin, Euch gezielt zur Wehr zu setzen.«
»Warum sollte ich das tun? Ich bin auch kein Freund des Schicksals, aber es muss nun einmal geschehen, was geschehen muss!«
Der Teufel lächelte. »Ihr wisst nichts.« Er stampfte auf wie ein trotziges Kind und brüllte: »Gar nichts!« Einen Moment hielt er inne, scheinbar um sich zu beruhigen. »Ihr hasst das Schicksal nicht, weil es Euch noch nicht genug genommen hat. Fragt Eure Schwester, sie versteht das. Sie hat schliesslich ihren süssen Einarmigen verloren, nicht wahr?«
»Kein Wort mehr über sie oder Falk, klar?«
»Die Familie, die Liebe...« Er tippte mit seinem Stock auf den Boden. »Es tut weh, wenn sie leiden. Es tut mehr weh, wenn sie sterben. Ich weiss das. Ich habe beides verloren. Mein Kind und dessen Mutter, die ich mehr liebte als mich selbst, sie sind tot.«
»Soweit ich weiss, habt Ihr mit dem Orakel Marie ein Kind gezeugt, das es niemals hätte geben dürfen.«
»Warum nicht? Warum ist es verboten, zu lieben? Warum darf ein Kind nicht leben? Sagt mir, warum, Lichterlord.«
Mile zuckte die Schultern. »So sind die Regeln. Ihr wusstet das.«
Der Teufel lachte erneut. Freudlos. Wütend. »Regeln, die damit gerechtfertigt sind, dass dieses Kind ein Trickster geworden wäre, ein Wesen, das fähig ist, sich dem Schicksal entgegenzustellen. Aber wisst Ihr was, Herrscher? Marie ist tot. Mein Kind ist tot. Und der Trickster, der bin nun ich.«
»Dann wollt Ihr das Schicksal zerstören, um Euch zu rächen?«
»Das und vieles, vieles mehr...« Er deutete mit dem Stock an Miles Kopf vorbei auf die korrumpierte Wache. »Lass ihn los, er würde es ohnehin nicht wagen, die Hybridin zu gefährden.«
Der Druck auf seinen Nacken verschwand, die falsche Garde liess ihn los, trat neben den Teufel und richtete seine gespannte Armbrust auf Aruna. Erst versuchte Mile, durch das aufgeklappte Visier etwas zu erkennen, doch das war gar nicht nötig, denn die Wache hob die Hände und zog sich den Helm vom Kopf.
»Du? Stehst du jetzt etwa auf seiner Seite?«
Erillion Aquèlliere verzog keine Miene. Er hob nur auf die typisch elfische Art das Kinn und erklärte: »Er hat recht, weisst du? Mit dem Schicksal und allem. Arillis war schwanger mit meinem Kind. Auch sie sind nun beide tot. Auch ich will das Schicksal zur Verantwortung ziehen.«
Mile schüttelte den Kopf. »Wie kam es zu dieser Allianz?« Er nickte in Erils Richtung. »Hast du einen Pakt mit ihm geschlossen?«
»Er tauchte bei mir auf und machte mir ein Angebot. Mehr brauchst du nicht zu wissen.«
Mile musterte den Elf genauer. Er sah anders aus. Er hatte etwas von seiner Arroganz verloren, war nervöser... und trauriger. Eril war gebrochen. Was hatte der Teufel ihm angeboten, damit er ihm nun folgte? Was auch immer es war, Mile wusste, dass er es im Moment nicht aus Eril rausbekommen würde. Nicht so lange Rumpelstilzchen bei ihm war. Stattdessen sagte er: »Dann haben sich der Teufel und die Krähe verbrüdert, um das Schicksal zu vernichten.«
»Und der Löwe muss den Preis für das Leben des Wolfs zahlen.« Der abtrünnige Hüter lächelte. »Und dafür den Hirsch töten.«
Mile wurde heiss. Das Blut begann in seinen Adern zu kochen. »Wer spielt in dieser Metapher den Hirsch?«
Der Teufel kniff die Augen zusammen und riss den Mund weit auf, als er lauthals loslachte. »Denkt Ihr etwa, ich meine Eure Schwester? Unsinn! Wir sind ja keine Monster.«
Mile entspannte sich ein wenig. Dieser Gedanke war ihm tatsächlich gerade gekommen. Was für ein schrecklicher Gedanke, sich zwischen Sabrina oder Aruna entscheiden zu müssen. »Wenn Ihr Hirsch nicht als Metapher gemeint ist, dann... wollt Ihr, dass ich Cernunnos töte?« Er schüttelte den Kopf, warum waren nur alle so auf diesen Hirsch versessen? Erst die Orakel, dann die Dunklen und nun auch noch der Teufel... »Warum?«
»Weil«, säuselte der Trickster, »er der Schlüssel ist, genau wie Falk. Versteht Ihr? Zwei Schlüssel für zwei Türen. Auf welche die Wahl fällt, bestimmt, ob das Schicksal erfüllt wird oder nicht. Deren Ziel ist es, dass das sogenannte Übel dieser Welt, die Gaben des Kupferkönigs, weiterhin weggesperrt bleiben. Darum durfte der Hirsch nicht sterben, darum musste er am Leben bleiben.«
»Aber die Wahl ist bereits gefallen. Die richtige Tür wurde bereits geöffnet. Falk ist nun die Büchse der Pandora.«
»Ja, aber das bedeutet nicht, dass man die andere Tür nicht trotzdem öffnen kann oder die andere wieder abschliessen. Typisch für den Schicksalsschmied, die grössten Fehler baut er immer am Ende ein, da er sich nach der Erfüllung seines geliebten Schicksals nicht mehr vorstellen kann, dass noch etwas schiefgehen könnte.«
»Der Schicksalsschmied?«
Der Teufel grunzte. »Nur eine Metapher.«
Mile runzelte die Stirn. Metapher? Pha. »Und Ihr glaubt, indem Cernunnos stirbt, geht diese... Tür auf. Und das wird dem Schicksal schaden?«
»Indem seine Ziele zunichtegemacht werden, ja. Ihr werdet das tun, was es zu verhindern versuchte, indem es all dies inszeniert hat.«
Mile schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht, da habt Ihr dem falschen Herrscher eine Falle gestellt.«
Eril schob unterdessen eine Hand unter sein Gambeson und zog einen in Leder gebundenen Gegenstand aus seinem Kragen. Er reichte ihn seinem Komplizen.
»Nicht ganz«, brummte dieser und wickelte den Gegenstand aus. »Dafür haben wir ja das...«
Mile hatte ihn noch nie zu Gesicht bekommen und doch wusste er sofort, was der Teufel da in Händen hielt. Eine gefrorene Klinge, durch das Handwerk eines Meisters an einen silbernen Griff geheftet. Unendlich in Wänden, der Decke und den Fliesen spiegelte sich der Tränendolch...

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt