Mary von Athos

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»Alles hat seinen Preis, 
erst recht ein Leben wie das unsere.«

Die schönste Braut 
Über die Stille der sevalschen Königin


»Es hat doch etwas Erheiterndes, finden Sie nicht?« Der Graf wandte sich der Fürstin zu, die mich mit tödlicher Nichtachtung strafte. Ich ignorierte sie, den Blick auf den Rücken des westhamschen Königssohnes geheftet. Das Licht der Kerzen spiegelte sich bei jeder Bewegung in seinen Arm- und Beinschienen. Als sei er dem Feuer selbst entsprungen.

»Erheiternd? Ich finde es abstoßend! Man sollte meinen, Kronprinz Duncan sei dieser Zirkus zuwider, wo doch seit Wochen feststeht, wen er heiraten wird.«

Inoffiziell, fügte ich still hinzu. Denn erst heute sollte es verkündet werden.

»Aber, aber, meine Liebe«, tadelte die Baronin gönnerhaft. »Ihr wisst, dass es Tradition ist, alle ledigen Frauen zur Verlobungsverkündigung einzuladen, um zumindest den Anschein zu wahren, jede Frau könne die königliche Braut werden, gleich welchem Stand sie angehört.«

»Eine alberne Tradition.«

Insgeheim stimmte ich zu.

»Soweit ich weiß, hat der Kronprinz höchstpersönlich auf ihre Einhaltung bestanden«, teilte die Gattin irgendeines Grafen mit. Sie beugte sich vor, die Wangen hochrot. »Meine Cousine hörte, dass der Wüstenkönig mit der Tradition brechen wollte, um den Ball kleiner zu halten und seiner Trauer Ausdruck zu verleihen. Der Kronprinz aber widersprach vehement und veranlasste sogar, dass jedes ledige Mädchen unter Strafandrohung zu erscheinen habe, um ihm persönlich vorgestellt zu werden!«

»Nein!«, riefen die Fürstin und die Baronin wie aus einem Munde und blinzelten in meine Richtung. »Jedes ledige Mädchen soll ihm persönlich vorgestellt werden?«

»Jedes«, bestätigte sie flüsternd.

Jedes, hallte es in mir wider – und zugleich: unmöglich.

Duncan hatte entgegen der Einwände meines Vaters auf die Einhaltung der traditionellen Bälle bestanden, sich jedoch darauf eingelassen, die Verlobung während des frühen Abends zu verkünden – bevor eine jede Dame vorgestellt wurde. Es war schlicht überflüssig. Er und ich würden heiraten – zwar nicht aus Liebe, doch Duncan hatte versprochen, dass sie mit der Zeit gedeihen und letztendlich erblühen würde wie die Wüste. Er hatte es unter dem Rosenbogen versprochen. Während des Kusses.

Eines meiner Lider zuckte. Einmal, zweimal.

Meine Wangen spannten sich, das Lächeln bröckelte.

Das Gesicht der Fürstin hingegen erstrahlte vor entzückter Empörung. »Wie ungeheuerlich«, rief sie aus. »Man stelle sich nur vor, wie er meiner Köchin die Hand küsst oder gar der Schweinemagd.«

»Zügelt Eure Worte, Bridget«, warnte die Baronin. »Man könnte Euch hören.«

»Ich werde ja wohl meinen Missmut ausdrücken dürfen. Ich finde es unsäglich!« Sie klappte ihren Fächer auf, den Blick über die schwarzen Federn fest auf mich gerichtet. »Dieser Ball sollte ausschließlich für den Wüstenadel bestimmt sein.«

»Sagt, Fürstin«, tönte da der Graf, der meine Demütigung wohl nicht länger ertragen konnte, »besitzt Euer Vater noch diesen beschaulichen Hof im unteren Viertel? Was verkauft er noch – gepökelte Schweinehälften?«

Ich verschluckte mich erneut am Wein, die Augen der Baronin verengten sich, während die Fürstin erbleichte. »Wie könnt Ihr ...«

Rasch erhob ich mich mit den Worten »Ich brauche frische Luft« und lehnte dankend ab, als der Graf mir seine Begleitung anbieten wollte. Meine Kehle brannte, das Lächeln saß felsenfest auf meinen Zügen. Es war stets mein Schutz auf Veranstaltungen wie diesen, heute brauchte ich es mehr denn je. Hocherhobenen Hauptes floh ich aus dem Bereich des Adels, in dem die Fürstin einzig aufgrund ihrer vortrefflichen Ehe saß. Die Diener hielten irritiert inne, als ich an der blauen Kordel vorbeieilte und das bürgerliche Büfett ansteuerte. Abfälliges Raunen wanderte durch die Reihen des Wüstenadels. Niemand von ihnen wagte sich je unters gemeine Volk, zu groß waren die Unterschiede zwischen den Ständen. Die Bürger ihrerseits wichen vor mir zurück, als fürchteten sie, allein eine Berührung mit der fremden Prinzessin könnte ihnen die Todesstrafe einbringen. Was der Wahrheit viel zu nah kam. Vater war über die attischen Grenzen hinaus für seine Härte berüchtigt.

Winters zerbrechlicher FluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt