Der erste Frost

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Viktoria

Fahles Licht fiel von draußen herein, sodass es wie Nachmittag wirkte, obwohl wir gerade erst am Frühstückstisch saßen. Ich kaute appetitlos an einem trockenen Croissant herum und hoffte, dass sich das mulmige Gefühl in meinem Magen bald wieder legen würde. Vielleicht hätte ich gestern so spät abends doch keinen Streuselkuchen mehr essen sollen.

Mein Blick glitt zu Jonathan, der aus seinem Häferl heiße Schokolade trank und abwesend aus dem beschlagenen Fenster sah. „Wann kehrt dein Vater zurück?"

Er wandte sich zu mir und lächelte, doch die Falte zwischen seinen Augenbrauen blieb. „Nächste Woche, denke ich."

Ich dankte dem Dienstmädchen, das mir Tee nachschenkte, bevor ich mich an meinen Gemahl wandte, der erneut in Gedanken versunken war. „Möchtest du heute etwas unternehmen?"

„Ich fürchte, dazu fehlt mir leider die Zeit." Bedauernd fiel sein Blick auf die große Standuhr an der Wand und er schob seinen Sessel zurück. „Es tut mir leid, aber ich verspreche dir, es wiedergutzumachen."

Ein federleichter Kuss an meiner Stirn war alles, was ich zu bekam, bevor Jonathan auch schon durch die Türen verschwand, zweifellos in Gedanken bereits bei dem Stapel an Briefen und Papieren, unter dem sein Schreibtisch verschwand. Seufzend lehnte ich mich in meinem Sessel zurück, nippte an meinem Tee und nahm mein Frühstück alleine ein.

***

Warmes Feuer prasselte im Kamin, als ich mein Zimmer betrat. Ich schickte die Zofen weg, um etwas für mich zu sein. Nun, da ich Jonathans Frau war, machten sie erheblich mehr Aufhebens um mich, woran ich mich erst gewöhnen musste. Der schwere Rock meines Kleides streifte den Boden, als ich mich an den kleinen Sekretär setzte. Wenigstens würde ich die freie Zeit nutzen können, um Gretas langen Brief zu beantworten. Meine tugendhafte Schwester hatte zwar seitenlang über alle anderen geschrieben, die spannendsten Neuigkeiten allerdings in wenigen Sätzen zum Schluss verpackt. Beim Gedanken daran, dass sie sich mit Jakob verlobt hatte, musste ich immer noch staunend den Kopf schütteln. Das hätte ich nun wirklich nicht erwartet. In meiner Antwort bat ich sie, mehr Einzelheiten zu verraten, da ich es unmöglich bis zum Winterfest aushalten würde, wo ich sie wiedersehen würde. Momentan hatte der Winter noch nicht Einzug gehalten, doch es war Anfang Dezember und es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, bis die ersten Schneeflocken fielen und auch liegen blieben. In einigen Wochen würde meine Familie anreisen, um uns zu besuchen und das Winterfest mit uns zu verbringen. Marianne hatte bereits in ihrem letzten Brief davon geschwärmt und ich konnte mich nur zu gut an Ravens Erzählungen der Festlichkeiten erinnern, die auch in mir den Wunsch geweckt hatten, einmal dabei sein zu können.

Als nächstes widmete ich mich Elions Brief, der gestern angekommen war. Der Umschlag war gewellt, als wäre er in den Regen geraten, an einer Seite leicht angerissen und mit einem Fleck verziert, der verdächtig nach einem Glasrand aussah. Wer wusste, aus welchem Winkel des Königreiches er angereist war. Elions Geschichten lasen sich wie Abenteuer, doch am meisten freute es mich, dass sie einen Weg gefunden hatte, der ihre Stiefmutter und Ostwald nicht miteinschloss. Zweifellos sah sie nun mehr von der Welt, als sie es sonst je getan hätte. Ich verfasste eine kurze Antwort, hatte jedoch keine große Hoffnung, dass sie sie erreichen würde – bis der Brief ankam, wäre sie bestimmt bereits weitergezogen. Um meine Korrespondenz zu erledigen, schrieb ich auch Charlotte zurück, die wieder bei ihrer Familie in Klinmaere war und mir von ihrer Langeweile klagte. Kurzerhand lud ich auch sie zum Winterfest ein. Bei der Menge an Gästen und Vorbereitungen würde eine Person mehr auch keinen Unterschied machen und ich vermisste es, keine Freunde hier zu haben. Generell war das Schloss momentan wie ausgestorben. Der König war auf Reisen – ein ungemütlicher Zeitpunkt, so knapp vor dem Wintereinbruch, aber es hatte sich wohl nicht aufschieben lassen – und mit ihm war ein ganzer Stab an Betreuern und Bediensteten ausgeflogen. Zwar reiste er mit einem kleinen Gefolge, doch als König bedeutete auch das eine ansehnliche Entourage. Cambriel dagegen war im Westlichen Königreich, um die Hochzeit mit Raven zu planen, die im Frühling stattfinden sollte, wohl nicht zuletzt deshalb, weil die Prinzessin das kalte Wetter in Walestein hasste und den Winter nicht hier verbringen wollte. Da sonst keine Gäste auf Silbermeer verweilten, hatten die Bediensteten dementsprechend wenig zu tun, denn auch die Vorbereitungen fürs Winterfest standen noch nicht an. Ich genoss die Ruhe und die Tatsache, dass abgesehen von der Dienerschaft keine neugierigen Augen auf mir lagen. Es reichte, dass meine Zofen, wenn ich morgens aus Jonathans Schlafzimmer in das angrenzende Kabinett trat, um mich anzukleiden, nur allzu genau wussten, was hinter verschlossenen Türen vor sich ging. Ich spürte, wie die Röte in meine Wangen stieg beim Gedanken an die erste Nacht, die ich nach der Hochzeit in diesem Zimmer verbracht hatte. Im Versuch, meine Nervosität und Unsicherheit loszuwerden, hatte ich es mit dem köstlichen Herbstwein, der serviert worden war, etwas zu gut gemeint, und als Jonathan und ich uns spätnachts zurückzogen, war ich so müde gewesen, dass ich direkt eingeschlafen war. Als ich am Morgen von Jonathans Kuss geweckt worden war... nun ja... Nachlässigkeit oder ein Mangel an Pflichtbewusstsein war das Letzte, das man ihm vorwerfen konnte.

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⏰ Última actualización: May 05, 2020 ⏰

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