Fusseln und Visionen

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Die uralten Planke knarzten und schienen die Ankömmlinge willkommen heißen zu wollen. Sie entschieden, Orion erstmal in den Salon zu bringen, wo sie ihn an die Heizung fesselten.
In den nächsten Stunden dachte jedes Crewmitglied darüber nach, wie es jetzt weitergehen würde.
Alea stand wie so oft am Bug und blickte aufs Meer, während sie den Klängen lauschte, die Lennox mit seinem wunderschönen Gitarrenspiel am Heck erzeugte. Tess hängte Wäsche auf und summte vor sich hin. Tante Hildegard saß krächzend auf ihrer Schulter.

Im Deckshäuschen erklärte Ben Siska etwas über die Steuerung des Schiffes. Nur den Bandenjüngsten konnte Alea nicht entdecken, er war vor wenigen Minuten unter Deck verschwunden. Doch nun tauchte er mit seinem Zahnlückengrinsen wieder auf und streckte ihr eine kleine, unscheinbare Dose entgegen.

„Was ist das?“, fragte Alea neugierig. „Fusseln vom Goldumhang“, erklärte Sammy stolz. „Jetzt wo wir keine vom Silberumhangvision mehr haben, war die Dose leer und wollte gefüllt werden.“

Er strahlte sie an und Alea lächelte zurück. Dann begann sie in fast ehrfürchtigem Ton zu sprechen: „Darf ich deinen neugewonnenen Schatz benutzen, oh Drache?“
Sammy legte den Kopf schief, als müsste er angestrengt nachdenken. „Nur unter Deck! Nicht, dass wieder ein Faden abhanden kommt Schneewittchen!“ Alea versprach es und sie setzten sich auf ein Sofa im Salon.

Orion war noch immer an die Heizung gekettet und murmelte: „Was habe ich nur getan? Wie konnte ich das alles nur tun? Die Magischen, die Meermenschen, sie haben alle gelitten.“

All das wollte Alea seit Wochen aus seinen Mund hören. Offensichtlich zeigte das Ritual Erfolge. Mit feierlichem Gesicht hielt Sammy ihr die geöffnete Dose ins Blickfeld.
3 Fäden lagen darin. Alea nahm einen in die Hand und ihr Blick richtete sich nach innen.
Wie aus Nebelschwaden stieg eine Vision auf. Sie lag in der Vergangenheit und war somit unveränderlich. Deshalb war sie auch echter und intensiver.

Sie sah Orion. Er stand in einer Bucht am Wasser, die Alea sofort erkannte, denn im Hintergrund befand sich die Villa Konungur. Orion hatte sein altbekanntes, hinterlistiges Lächeln im Gesicht.
Nun beugte er sich vor und hielt seine Hand ins Wasser, als wollte er etwas... aussetzen?
Da begriff sie es, es war der Moment, in dem Orion den Virus ausgesetzt hatte. Der Moment, der das Schicksal der Meermenschen besiegelt hatte.
Obwohl es in der Vergangenheit lag, bekam Alea eine Gänsehaut.
Doch vielleicht würde es diesen Virus schon bald nicht mehr geben. Ihre Mutter hatte sich zusammen mit Aleas Vater und McDonnahall, einem tapferen Kobold, in Orions Villa geschlichen und arbeitete seitdem an einem Gegenmittel.

Alles wurde schwarz. Die Vision war vorbei.

Alea öffnete die Augen. Sammy blickte sie erwartungsvoll an. „Was hast du gesehen?“ Sie erzählte ihm alles und andächtig nickte Sammy. „Nelani wird es schaffen, ich bin mir sicher!“

Ein warmes Gefühl machte sich in Alea breit. Diese Tatsache und Sammys weise Worte gaben ihr Hoffnung und Zuversicht.

Plötzlich stürzten Ben, Tess, Siska und Lennox herein. Erschrocken fiepte Sammy und Alea sprang auf. „Was ist los?“

Die vier wirkten erschrocken und Ben war kreidebleich. Tess und Lennox wirkten äußerst besorgt.

Da machte Siska ein Zeichen, nur ein einziges, das Alea das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Darkoner!

Mein Alea Aquarius 9  Der Gesang der WaleWhere stories live. Discover now