jule x kai {2/3}

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julian brandt x kai havertz

dream 2/3

idee: von mir:)

knüpft direkt an den vorherigen oneshot an 

📍dortmund

TW: tod

pov. jule

Zitternd stand er auf, stockdunkel war es draußen. Leicht taumelnd vor Müdigkeit tapste er zu der kleinen Kommode, der unsichtbaren in der Ecke mit zwei Schubladen; seinem kleinen Schrank. Weinend ließ er sich davor nieder, strich über die Kanten, jede Ecke und verweilte so. Nichts nahm er wahr, das einzige, was zählte, war dieser Schrank. Er wusste nicht, wie lange er so saß, aber irgendwann suchten seine zittrigen Finger den Griff einer Schublade. Zuerst vorsichtig, dann fest, so als hätte er Angst, den Griff zu verlieren, hielt er ihn fest.

Er wusste, wie es damals war. Er dachte daran, wie er sich diese Griffe ausgesucht hatte, kleine Fußbälle. Das glückliche Grinsen, das unverkennbare, das Markenzeichen, die Sache, die er am meisten geliebt hatte, war auf seinen Lippen gelegen; heute wusste er, dass es alles nur Schein gewesen war. Gemeinsam hatte sie die Griffe an diesen kleinen unauffälligen Schrank, ja eigentliche Kommode geschraubt, ohne Hilfe und nur sie beide. Er war zufrieden gewesen, hatte sich gefreut, weil er sich gefreut hatte. Wieder dachte er daran, dachte an viele andere Erinnerungen und wieder kam der Reflex. Der antrainierte Reflex, den er so sehr hasste, obwohl er wichtig war. Der Reflex, der ihm jeden Tag den größten Schmerz zubereitete, der ihn aber auch vor einem noch größerem Schmerz bewahrte. Und Julian ließ es zu, ließ die Mauern fallen, widerstand dem Reflex und die Gedanken strömen in seinen Kopf, ungeordnet und wild; voller Erinnerungen an ihn.
Vorsichtig öffnete er die Schublade, zog sie heraus und betrachtete den Inhalt. Tränen strömten über seine Wangen, verließen seine Augen unkontrolliert. Zitternd, sachte und langsam griff er nach dem Briefumschlag, dem gewellten; gewellt vor Tränen. Dem ungelesenen, ohne Adresse oder Absender. Das einzige, was das blütenweiße Blatt durchkreuzte, war das kleine J, das in der Mitte stand. Ansonsten nichts; rein gar nichts. Den Brief in der Hand haltend, saß er dort, starte ihn an, fühlte, und die nächsten Tränen fielen auf den Umschlag. Unkontrolliert schluchzte er, als er ganz langsam das Blatt, eng beschrieben auf beiden Seiten, herausholte. Es war seine Handschrift, unverkennbar und einzigartig. Die erste Träne tropfte auf die Buchstaben und die Tinte verlief. Lange brauchte er, um es aufzufalten, so in die Hand zunehmen, dass er lesen konnte. Einige Buchstaben waren verwischt, einige seine Tränen berührten das Papier. Trotzdem begann er zu lesen; zum ersten Mal.

Hey Juli,
Ich weiß ehrlich gesagt nicht wirklich, wie ich beginnen soll. Eigentlich war das doch bei uns nie ein Problem, jeder hat einfach gesagt und es ist so viel Scheiße dabei rausgekommen. Weißt du noch, einmal im Urlaub? Wir haben beide bei Leverkusen gespielt, waren zusammen auf Ibiza in der Winterpause. Das war das letzte Mal, danach bist du zum BVB gewechselt und das Jahr drauf mit den Jungs aus Dortmund weggeflogen. Wir hatten eine Yacht, wir dachten, wir wären die krassesten. Nur du und ich, Jannis und ein paar Freunde außerhalb des Fußballs. Es war schön, ich würde sogar fast sagen, mein bester Urlaub im Leben. Vielleicht erinnerst du dich daran, vielleicht hast du es vergessen, ich weiß es nicht; wir haben eines Abend gespielt, Trinkspiele. Alle waren betrunken, du auch. Keiner hat gemerkt, wie es mir ging, auch du nicht. Das ist kein Vorwurf, aber ich denke, das war der Anfang. Nach diesem Urlaub waren wir noch ein bisschen in Leverkusen, du bist nach Dortmund und ich ein Jahr später nach England. Es war schrecklich ohne dich, schrecklich nicht zu wissen, was du machst und ob du auch an mich denkst. Die ganze Zeit, die ganze lange Zeit hab ich immer an dich gedacht, beim Aufstehen, beim Spielen, beim Essen. Und irgendwann wurde es mir zu viel, die Gedanken wurden zu viel. Ich hatte Druck, musste gut sein, das Wunderkind aus Leverkusen. Ich wusste, dass meine Familie stolz auf mich war, dass du es warst, aber ich war es nicht. Ich wollte keine Schlagzeilen, keine Berichte, keine schlechten Noten von Spielen. Ich wollte die Nationalmannschaft, ich wollte die Champions League und am liebsten wollte ich dich. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich in der Badewanne saß, meine Arme waren rot vor Blut und die Klinge lag kurz über meinem Handgelenk. Ich wusste es nicht anders, ich wusste nicht, wie ich gegen die Gedanken ankommen sollte. Der Druck war zu viel, es gab keine Pause. Die ganze Saison Höchstkonzentration, ich hab mich angestrengt, alles gegeben. Trotzdem gab es Artikel, Spekulationen. Ich hab alles bekommen, ich dürfte in der Nationalmannschaft spielen, ich hab die Champions League gewonnen. Ich hab auch dich bekommen, das war der schönste Tag meines Lebens. Ich hab mir geschworen, jetzt aufzuhören, jetzt wieder ein normaler Mensch zu sein. Solange du da warst war alles gut, mir ging es gut, ehrlich. Ich war glücklich, so glücklich wie nie sonst. Ich hab gelebt, ich hab soviel gemacht, was ich alleine nie durchgezogen hätte. Ich hab dich geliebt, mehr als alles andere. Ich hab es für dich gemacht, bin für dich aufgestanden und trotzdem ging es irgendwann nicht mehr. Die Gedanken hörten nicht auf, wir rutschten in der Tabelle ab. Nichts funktionierte und wieder saß ich dort. Wieder saß ich in der Badewanne, war kurz davor. Dann wurde es irgendwann besser, du bist zu mir geflogen und mir ging es gut. Ich habe dir gesagt, dass ich zurück zu Leverkusen wechseln werde, du hast genickt und gelächelt. Gefragt warum hast du nie. Ich will es dir trotzdem sagen. Es war nicht wegen dir, nicht, weil ich näher bei dir sein wollte. Es war, weil wir uns einmal geschworen haben, das zu enden wo alles begonnen hatte. Ich bin zu Leverkusen gewechselt, weil ich wusste, dass es nicht mehr lange geht. Und dann war es so, es lief gut, trotzdem flachte die Welle an Artikeln über mich nicht ab. Ich konnte nie die Wahrheit sagen, nie sagen, wieso ich wirklich zurück gewechselt war. Sie bezeichneten mich als Loser, als Talentlos, als Schisser, weil ich nicht eine Saison ohne große Erfolge durchstehen kann. Ich war alles davon. Ich wusste es und trotzdem hatte ich keine Kraft mehr. Ich hab gekämpft, aber am Ende waren die Gedanken stärker als ich. Und deshalb bin ich diesen Weg gegangen, ich weiß, dass es schwer zu verstehen ist, aber bitte versuch es. Ich hab das nicht wegen einem bestimmten Mensch getan, schon gar nicht wegen dir, sondern ganz allein wegen mir. Es waren meine Gedanken, denen ich nicht standhalten konnte und mir tut es unfassbar leid, dass ich dir sowas angetan habe. Vielleicht hätte ich weitermachen müssen, aber ich war am Ende; ich konnte einfach nicht mehr. Bitte Juli, mein Schatz, gib dir nicht die Schuld dafür, du bist derjenige, der dafür am aller wenigsten kann. Du hast mir so oft gezeigt, dass das Leben lebenswert ist, dass ich auch etwas wert bin. Und doch habe ich mich dafür entschieden, ich hab es einfach nicht mehr ausgehalten.
Versprich mir eins Juli. Versuch weiterzuleben, geb dein bestes bei allem was du tust. Spiel weiter, lass dich nicht unterkriegen, finde neue Freunde und lerne neue Menschen kennen. Gründe eine Familie, werde glücklich, aber bitte vergiss mich nicht. Lass die Gedanken zu, verdränge sie nicht und mache nicht die gleichen Fehler, die ich gemacht habe. Denk an mich in manchen Situationen, denk an uns. Und bitte vergiss nie, dass ich dich immer mehr als alles andere geliebt habe und lieben werde, du bist ein wunderbarer Mensch und es tut mir leid, was ich mit dir gemacht habe. Ich wollte dich schützen, wollte dich nicht belasten und dir schon gar nicht weh tun. Das ich das hiermit alles gemacht habe, ist mir bewusst. Es tut mir leid mein Schatz. Vielleicht verzeihst du es mir irgendwann, ich hoffe es auf jeden Fall.
Bleib so wie du bist, du schaffst das und ich bin immer stolz auf dich. Ich passe auf dich auf von hier oben und irgendwann wird es besser, anders. Irgendwann kannst du nicht mehr weinen, irgendwann wirst du wieder glücklich sein.
Ich liebe dich so sehr, vergiss das nicht.
In Liebe,
Dein Kai

Der Zettel rutschte aus seiner Hand und Julian bracht zusammen; auf dem Boden vor seiner Kommode, wo auch Kai gelegen hatte.

oneshots || footballWhere stories live. Discover now