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1| 3-von-5-Sterne-Leben

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Prolog

Ich fasse euch mein Leben mal ganz kurz zusammen, damit mir jeder folgen kann.

18, ich wiederhole achtzehn Jahre habe ich in der Höllenanstalt, namens Mum und Dad überlebt. Und ihr könnt mir glauben, wenn ich euch sage, dass das eine Trophäe wert ist.

Dann bin ich einfach abgehauen, ohne wirklich einen Plan von irgendwas gehabt zu haben. Alles, was ich hatte, war die Uni und eine einzige Freundin.

Aber Gott meinte es anscheinend gut mit mir und das, obwohl ich nie in die Kirche gehe. Denn eine Freundin und die Uni reichten mir zum Überleben. Ich zog bei ihr ein und wir teilten uns die Miete. Die kleine Wohnung reicht für zwei Personen und liegt so, dass wir jeden Morgen locker mit der Bahn zur Universität kommen.

Alles schön und gut.

Jetzt kommt noch ein heißer Kerl dazu. Und so einer macht es dann meistens kaputt.
Mein Freund. Jetzt Ex-Freund.

Er war nicht das, was sich meine Familie unter dem Freund der Tochter vorstellten. Aber das ... hatte mich irgendwie ja auch nicht zu interessieren. Denn Alex war ein toller Kerl. Vielleicht nicht 'gut'. Aber er war einfach heiß.

Mein Leben war also eine solide 3 von 5. Natürlich stand noch die ein oder andere Klausur aus, aber im Großen und Ganzen konnte ich mich nicht beschweren. Und das war vollkommen genügend für mich.

Kara, meine beste Freundin, ist jetzt nicht mehr Teil meines Lebens. Ich hatte sie überredet mit mir in einen Pub zu gehen, immerhin werde ich ja nur einmal im Leben zwanzig. Kara ist ein bisschen prüde was das Feiern angeht. Das ist so ziemlich das, was mich wahnsinnig aufregt. Denn wenn es nach mir geht, dann wäre ich jetzt sicher nicht auf dem Weg in unser Apartment um sie abzuholen.

Denn dann befände ich mich jetzt schon längst in unserer kleinen Wohnung und man würde die laute Musik bis nach draußen hören. Ich will ehrlich sein, für eine gute Party bin ich immer zu haben.

Naja, ich kann mich wenigstens glücklich schätzen, sie überredet zu haben.

Also laufe ich gerade das Treppenhaus rauf, bis in den zweiten Stock, was zugegebener Maßen nicht viele Treppen sind und ich bin trotzdem schon außer Atem , als ich oben ankomme. Peinlich.

Ich krame in meiner Tasche, in die ich eben einfach alles hineingeworfen habe nach meinem Schlüssel, gleichzeitig verfluche ich mich für meine Unordnung.

Sobald ich die Wohnung aufgeschlossen habe und mittendrin stehe, habe ich das Gefühl, ich würde träumen. Halb so schlimm, denke ich mir. Reale Träume haben etwas Aufregendes an sich.

Aber das hier ist kein Traum. Wage nehme ich wahr, wie ich die Kontrolle über meine Gefühle verliere. Erschrocken halte ich mir den Mund zu und reiße die Augen weit auf.

Kara liegt auf der Couch. Allerdings befindet sich über ihr Alex, wie mein Freund Alex. Und sie küssen sich. Quatsch, die fressen sich auf, bemerken mich nicht einmal. Die Umrisse werden unschärfer und langsam komme ich mir vor, als wäre ich tatsächlich in einem Traum. In einem Albtraum.

Wie erstarrt stehe ich also da und habe keine Ahnung was ich sagen soll. Denn selbst wenn ich etwas sagen wollen würde, es käme nichts raus. Und mit einem Mal zerplatzt mein drei-von-fünf-Sterne-Leben und aus der drei wird eine glatte null.

"Was zum Teufel!?", entflieht es meinen Lippen dann doch, als ich sehe, wie sie sich beginnen auszuziehen.

Zwei völlig verwirrte Köpfe drehen sich zu mir um. Eigentlich ein ganz amüsanter Anblick, wenn mir nicht eiskalte, bittere Tränen über die Wange laufen würden.

Ich weiß nicht mal, warum ich überhaupt weine. "Ich kann das–", weiter kommt Kara nicht, weil ich schon in mein Zimmer gerannt bin und meinen Koffer unter meinem Bett hervorziehe.

Ich schmeiße alles, was ich gerade so in meinem Kleiderschrank finden kann hinein, selbst die Lichterkette an der Wand reiße ich ab und knülle sie in die Ecke des Koffers. Während ich jetzt auf dem Teil sitze und irgendwie versuche den Reißverschluss zuzuziehen, wische ich mir mit meinem Handrücken über meine Wangen und betrachte mich im gegenüberliegenden Spiegel.

Bei meinem Anblick könnte ich kotzen. Meine Mascara ist verlaufen und ich sehe einfach nur beschissen aus. Frustriert greife ich nach einer Bürste und schleudere sie meinem Spiegelbild entgegen. Er zerbricht und augenblicklich befindet sich eine Lache aus Scherben vor mir.

Ich greife nach dem Koffer, reiße die Tür auf und habe es mehr als eilig aus diesem Drecksloch zu verschwinden. Mittlerweile hat Alex auch wieder sein T-Shirt an. Sie stehen beide im Eingangsbereich. Kara kratzt sich am Hinterkopf und Alex starrt auf den Boden. Dieses scheiß Arschloch.

Ich schnappe mir meine Tasche, die auf dem Boden liegt, anscheinend habe ich sie eben vor lauter Schreck fallen gelassen.

"Evelyn, jetzt hör mir doch zu." Karas Stimme klingt belegt und ihr Blick ist schon fast flehentlich.

"Was? Wie willst du–" Ich unterbreche mich selbst, wische mir noch einmal diese verdammten Tränen aus dem Gesicht. "Wollt ihr das erklären? 'Es ist nicht das, wonach es aussieht' vielleicht? Ne, sorry. Die Tour zieht bei mir nicht."

Alex, der bisher noch nichts gesagt hat, meldet sich dann auch mal zu Wort. "Eve–"

"Eve, was?", unterbreche ich ihn und beginne hysterisch zu lachen, bevor ich einen Schritt auf ihn zu mache und ihm eine fette Backpfeife verpasse.

Kara zieht scharf die Luft ein.

"Ihr könnt mich mal." Kopfschüttelnd trete ich an ihnen vorbei und reiße die Tür auf. Den Koffer hinter mir herziehend versuche ich, ohne mir etwas zu brechen, die Treppen hinunterzusteigen. Meine Sicht ist verschwommen, was mir das Ganze nicht wirklich erleichtert.

Draußen regnet es. "Scheiße!" Ich raufe mir die Haare und werfe meine Tasche auf den Asphalt.

Fuck, fuck, fuck!

Ich lasse mich auf die Bank vor dem Gebäude fallen und überlege, wo ich jetzt hinkönnte. Aber verdammt, ich habe doch niemanden!

Mom und Dad haben die Beziehung mit Alex von vorne rein nicht unterstützt und da jetzt anzukriechen, wäre für sie doch nur die Genugtuung, die ich ihnen nicht geben will!

Und somit wird aus einer glücklichen Evelyn mit einer tollen besten Freundin und einem tollen Freund und vor allem einem Dach über dem Kopf, eine Evelyn ohne jegliche Freunde, ohne Freund und ohne einen Unterschlupf.

Mit anderen Worten, ich war sowas von gearscht.

FREAKSWhere stories live. Discover now