Chris

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Ein Pfiff gellte durch die Halle. Tom stand mit Chris auf der Brüstung und beide tranken noch den letzten Schluck Kaffee aus dem Becher vom Automaten. "Sag mal, Tom, hat Billy keine Schmerzen? Ich habe ja nun schon einiges von ihm mitbekommen und wundere mich, daß er das Training durchhält.", sagte Chris auf dem Weg raus aus der Halle. Sie warfen die leeren Kaffeebecher in den Mülleimer an der Eingangstür und traten hinaus in den Sonnenschein. Tom setzte sich auf eine Bank: "Doch, er hat Schmerzen. Immer. Ich habe ihm vor zwei - oder sind es nun schon drei? - Jahren vier gebrochene Wirbel in der Brustwirbelsäule operiert. Seither sind die Wirbel steif und durch cages miteinander verbunden. Die Reha damals bestand aus der Wiederherstellung der Beweglichkeit und des Bewußtseins, daß er sich bewegen kann und auch soll. Er war schon ziemlich down damals. Die Schmerzen waren beinahe unerträglich und auch jetzt kaufe ich ihm das nicht ab, wenn er sagt, daß es ok ist. Ich sehe, wie er ständig die Zähne zusammenbeißt. Manchmal, wenn er bei uns ist, redet er mit meiner Frau. Sie haben ein gutes Verhältnis und Billy erzählt ihr viele Dinge, die ich nicht weiß. Ich frage sie nicht, was er gesagt hat. Wenn er soweit ist, wird er schon mit mir reden." Chris stand die ganze Zeit neben der Bank und hörte aufmerksam zu. "Das ist verrückt. Billy war schon oft im Krankenhaus - mal als Patient, mal als Dein Besucher - aber was da alles hintersteckt ... das muß ich erstmal verdauen.", überlegte Chris. Die Tür der Sporthalle schwang auf. Billy kam heraus.

Sein Gesicht verriet, daß irgendetwas nicht in Ordnung ist. "Tom, hast du gleich Zeit für mich?", fragte er seinen Bruder, schaute dabei aber Chris an. In Chris stieg Unbehagen auf und er trat verlegen von einem Bein auf das andere. "Ok," sagte Chris so beiläufig wie es nur ging, "dann wird das nichts aus unserem gemütlichen Feierabendbierchen nachher?" Ohne darauf zu reagieren sagte Billy: "Ich bringe dich nach Hause, Chris. Tom? Bis später?" Tom erhob sich und nickte: "Du weißt wo Du mich findest." Die drei Männer gingen wortlos zu ihren geparkten Autos. Während Tom vom Parkplatz brauste, schmiss Billy seine Sporttasche in den Kofferraum und sagte grob zu Chris: "Einsteigen!" Nachdem auch er eingestiegen und angeschnallt war, lies er den Motor an und fuhr los in Richtung Innenstadt. Chris Herz pochte ihm bis in den Hals. Seine Hände begannen zu schwitzen und er überlegte, was Billy vorhatte. Ob er was gemerkt hat? An der dritten Kreuzung, wo sie eigentlich links abbiegen hätten müssen, fuhr Billy geradeaus, um in eine kleine Seitenstrasse rechts einzubiegen. Er hielt am Strassenrand, stellte den Motor aus, verstaute seine Sonnenbrille in der Mittelkonsole und nachdem er sich abgeschnallt hatte, drehte er sich zu Chris. Während er ihn eindringlich musterte, presste er seine Lippen auf einander. Chris wurde es mulmig zumute, er stotterte: "Was ehm ... wolltest Du mich nicht nach Hause bringen? Was ist denn los?" Tom verzog seine Augen zu Schlitzen und sagte ganz ruhig: " Sag mal, Chris, willst Du mich verarschen? Glaubst du, ich merke nicht, was Du für ein Spiel spielst? Raus aus meinem Auto! Sag' Mike, daß wenn ich nochmal mitbekomme, wie Du mit ihm telefonierst und über mich sprichst, ich Dir die Finger breche, mit denen Du seine Nummer gewählt hast" Er nahm seine Sonnenbrille aus dem Fach, setzte sie auf und schnallte sich wieder an. Eine Hand über das Lenkrad gelegt, schaute er durch die Windschutzscheibe nach draußen. Chris schluckte und ohne ein Wort schnallte er sich ab und stieg aus. Durch die Scheibe beobachtete Billy, wie Chris nervös an seiner Jacke fummelte und wohl darauf wartete, daß er losfuhr. Das tat er aber nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit setzte Chris sich in Richtung Hauptstrasse in Bewegung. Tom verfolgte ihn durch den Rückspiegel und wußte, daß das der Anfang einer erneuten kleinen Schlacht gegen Mike war.

Tom und BillyWhere stories live. Discover now