Bärtige Dozenten

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Unsicher betrat ich den Raum, vielleicht war das hier verrückt, vielleicht hätte ich etwas anderes studieren sollen, doch nun war es zu spät.
Als ich mich umsah stellte ich fest, dass ich wohl eine der letzten war, fast alle Plätze in dem Atelier waren bereits besetzt, leise setzte ich mich in die erste Reihe, meine Hoffnung allein zu sitzen wurde zerstört, als sich ein Kerl neben mich setzte.
Ich musterte ihn aus den Augenwinkeln, dunkelblonde Haare, braune Augen und etwas kräftiger gebaut, ein Durchschnittstyp.
"Brad", er Strecke mir seine Hand entgegen, was wohl bedeutete, dass er meine Musterung bemerkt hatte.
"Angelina", sein Händedruck war fest und als ich das schmunzeln auf seinem Gesicht sah, konnte ich nicht anders als zu lächeln.
Er lehnte sich zurück und ließ seinen Blick an mir runter wandern, "also, Angelina, warum hast du dich für Kunst entschieden?"
Grade als ich antworten wollte, öffnete sich die Tür und ein Kerl in einer zerfetzten Jeans, Hemd und Lederjacke kam herein.
"Willkommen in diesem Semester" an seiner Jacke steckte ein Button, der ihn als Dozent auswies.
Stirnrunzelnd musterte ich ihn, seine Haare waren zerstrubbelt und er hatte sich scheinbar länger nicht rasiert, so hatte ich mir meinen Dozenten nicht vorgestellt.
"Ernsthaft?", Brad legte die Stirn in Falten und betrachtete ihn abschätzig.
"Ja, ernsthaft mein Freund", lachend setzte sich unser Dozent vor uns auf das Pult.
"Also, ich bin ernsthaft euer Dozent,  Benjamin."
Sein Blick lag auf mir, "wie wäre es, wenn ihr alle mal kurz euren Namen sagt. Nicht, dass ich sie mir merken werde, aber ihr merkt sie euch vielleicht. Also, wie gesagt, ich bin Benjamin white."
Er nickte mir zu, "du bist, redhead."
Es dauerte ein paar Sekunden bis ich begriff, dass er auf meine roten Haare anspielte.
"Angelina Solis."
"Brad Becker"
...
Als jeder sich vorgestellt hatte, erhob Benjamin sich von seinem Pult und sah uns an.
"Bevor wir beginnen habe ich eine Frage, was ist Kunst?"
Im Raum herrschte Schweigen, auf sowas waren wir nicht vorbereitet gewesen. 
Schließlich hob Brad seine Hand, Benjamin nickte ihm kurz zu und Brad sagte: "Kunst besteht aus vielen Komponenten,Musik, Literatur, Malerei und so weiter."

"Und so weiter also", Benjamin lächelte und sah dann mich an, "was sagst du, was ist Kunst?"
Unsicher verschränkte ich meine Hände in meinem Schoß, "Kunst kann ich nicht wirklich beschreiben, natürlich, Literatur, Malerei, Musik, Bildhauerei, all das ist Kunst, aber Kunst ist auch so viel, dass wir nicht erfassen können "
Benjamins Blick ruhte noch kurz auf mir, dann wanderte sein Blick durch die Reihen.
"Ich sage, wir alle sind Kunst."
Die Aussage schwebte kurz im Raum, als ich mich umsah blickte ich in erstaunte Gesichter, mit Ausnahme von Brad, gelangweilte hing er neben mir auf dem Stuhl.
"Wusste schon immer, dass ich was besonderes bin, ein Masterpiece." Er blickte zu mir rüber und lachte.
"Das stimmt schon, aber du bist nicht besonderer als alle anderen in diesem Raum. Wir alle sind Kunst, was wir sehen ist Kunst, so wie ich das sage, klingt das recht vage. Aber wir werden uns die nächsten Stunden damit beschäftigen. Übrigens", seine Mundwinkel zuckten, " so toll wie glaubst bist du nicht und mit deinem Gehabe beeindruckst du Angelina nicht."
Ich spürte wie mir das Blut in die Wangen schoss, was sollte das denn.

Einige im Kurs begannen zu lachen, was das ganze noch unangenehmer machte.
Brad neben mir knirschte mit den Zähnen, sagte aber nichts mehr.

Benjamin beendete die Stunde und wir strömten in die Gänge.
Als ich durch den Gebäudekomplex irrte, auf der Suche nach dem richtigen Hörsaal überkam mich eine Verlorenheit, die ich so nicht kannte, ich war schon immer eher ein Einzelkämpfer gewesen, aber hier, zwischen all den lachenden und sich unterhaltenen Menschen kam ich mir vor wie der einsamste Mensch auf der Welt.

Als ich meinen Saal gefunden hatte war ich schon fast erleichtert, als ich Brad vor den großen Flügeltüren stehen sah.
Ich stellte mich neben ihn, er unterhielt sich mit einer Gruppe anderer Jungs, aber so stand ich wenigstens nicht alleine rum.

"Angelina, warum sagst du denn nichts?"
Lachend stellte er mich der Runde vor; "das ist Angelina, wir haben Kunst zusammen und wie es aussieht wohl auch Literatur."
"Ja", ich lächelte, "studierst du auch Kunst, Literatur und Sprache?"
"Jap, was ist dein drittes?"
"Ich hab noch Germanistik."
"Ah, ok, ich hab Anglistik."
Grade als ich noch etwas sagen wollte öffneten sich die Türen, wir wurden in Saal gedrängt und Brad verschwand im Gedränge. Ich war wieder allein.
Ich setzte mich neben ein Mädchen in die letzte Reihe, so hatte ich mir meinen ersten Tag nicht vorgestellt, von meiner Begeisterung auf die Uni zu gehen war nichts mehr übrig.

Ich verbrachte meine Zeit während der Lesung damit, in meinem Blog herum zu kritzeln, den Folien vorne folgte ich nur halbherzig.
"Das sieht echt gut aus."
Das Mädchen neben mir lehnte sich zu mir rüber und zeigte auf das Gesicht, dass ich grade malte, es war Brad.
"Danke."
"Nichts zu danken, ist deine Haarfarbe eigentlich echt oder gefärbt?"
"Echt."
"Ich finde rote Haare so toll, meine sind blond, richtig langweilig, früher wollte ich sie immer lila färben, mal gucken, vielleicht mache ich das die Wochen mal. Ach ja, ich bin übrigens Sabrina."
"Angelina", grade als ich etwas sagen wollte, redete sie schon weiter, " ich studiere hier Literatur und Germanistik, ist also mein erster Tag und wow das ist alles so beeindruckend, ich bin so froh mich für diese Uni entschieden zu haben, sie erinnert mich ein bisschen an Hogwarts."
Die ganze restliche Zeit redete sie fast durchgängig und von dem Vortrag bekam ich fast gar nichts mehr mit, dafür hatte ich wohl sowas wie eine neue Freundin gefunden.
Kurz bevor die Dozentin ihren Vortrag schloss, kritzelte sie mir noch Ihre Handynummer auf meinem Blog und meinte, ich solle mich unbedingt melden.

Ich gehörte zu den glücklichen, die nach diesem Vortrag gehen konnten, ich verließ das Gebäude um zu dem Wohnblock zu gelangen, als ich mit jemandem zusammenstieß. Benjamin White.
Genervt bückte ich mich nach meinen Sachen und sah dann zu ihm hoch, "Danke für die Hilfe"
Lachend strich er sich durch den Bart, "ich lade dich dafür auf einen Kaffee ein, was hältst du davon?"
"Ist das denn erlaubt?"
Erneut begann er zu lachen, "ich spendiere dir einen Kaffee vom Kiosk und bitte dich nicht mich zu heiraten."

Genervt verdrehte ich die Augen, "nein, Danke, ich glaube ich gehe lieber auf mein Zimmer."
Ich drehte mich um und lief weiter Richtung Block F.
"Wie du willst, kann ja niemanden zu seinem Glück zwingen."
Idiot.

Der Beginn der Unendlichkeit Where stories live. Discover now