Der Sohn

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Sie steht am Bahnhof.
Wartet.
Wartet auf ihren Sohn.
Ihren Sohn der es machen musste wie sein Vater.
Er musste Soldat werden.
Ihm zuliebe hat sie die Flasche weg gelegt.
Für ihn und für seine Schwester.
Weil ihre Kinder sie brauchen.
Jetzt wartet sie.
Stolz, weil sie die letzten Monate auf das Trinken verzichtet hat.
Sie wartet und der Zug hält.
Soldaten in Uniform ergießen sich über den Bahnsteig.
Sie wartet, sucht neugierig nach einem vertrauen Gesicht zwischen all dem Camouflage.
Aber all die Männer sind ihr fremd.
Sie gehen an ihr vorbei.
Begrüßen ihre Mütter, Frauen und Kinder.
Aber sie bleibt allein.
Der Bahnsteig leert sich und sie steht immer noch allein am Gleis.
Ein Mann kommt auf sie zu.
Er ist nicht ihr Sohn.
Seine Miene ist ernst.
Sie kennt diesen Ausdruck, und ihre Welt zerbricht.
Sie hört den Mann nicht reden.
Sie weiß auch so was er sagt.
Das kühle Metall der Kette brennt in ihrer Hand.
Er ist tot.
Schon wieder hat sie gegen den Krieg verloren.

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