Der Körper [von ihm]

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Innerhalb der letzten Monate hatte es wohl bereits Hinweise dafür gegeben, dass die heutige Nacht nicht einfach nur unschuldig an ihnen vorüberziehen würde. Kleinigkeiten wie Vorwürfe verpackt in nette Komplimente, scharfe Blicke die er ihr zugeworfen hatte wann auch immer sie nicht aufmerksam genug gewesen war, selbst der Versuch seine eifersüchtigen Nachrichten hinter dem Bild eines besorgten Freundes zu verstecken. Sie hatte nie wirklich darüber nachgedacht, war davon ausgegangen das es einfach nur eine Phase seinerseits war die bald schon wieder vorüber wäre. Er war gestresst, schließlich wollten seine Eltern so viel mehr für ihn als er mit ihr bekam, und dennoch hatte er ihnen beweisen wollen das sie die Richtige für ihn war.

Das was es aber nicht. Diese Hinweise waren nicht einfach wieder verschwunden, und seine Launen hatten nicht ein weiteres Mal gewechselt. Sie erkannte ihn noch nicht einmal mehr wieder wenn sie darüber nachdachte wie er die letzten Monate mit ihr umgegangen war. Und wann auch immer sie ihn gefragt hatte was denn nun los war, hatte sie keine Antwort bekommen. Stattdessen hatte er ihr das Gefühl gegeben als hätte sie etwas falsch gemacht. Als hätte sie irgendetwas Wichtiges vergessen, oder als hätte sie ihm nicht genug Aufmerksamkeit gegeben. Als wäre sie Schuld an alle dem gewesen, hatte er sie behandelt als wäre sie dumm.

"Erzählen Sie mir woran Sie denken," erklang Katherine's Stimme nur wenige Zentimeter vor ihr und erfüllte den dunklen, kalten Raum in dem sie saßen.

Sie atmete tief ein, wollte den Mund bereits öffnen um damit zu beginnen zu erklären worüber sie nachdachte, ihre Stimme aber versagte immer noch. Es dauerte wohl eine Weile ehe dieser Schock vorübergezogen wäre, zwar hatte sie bereits Medikamente bekommen jedoch konnte sie nicht wirklich sagen wann sie zurück ins Krankenhaus durfte. Sie wusste nicht wann die Polizisten fertig mit ihr wären, sie war sich aber auch nicht sicher ob sie in ein Krankenhaus wollte. Dort würde man sie doch nur behandeln als wäre sie krank, oder als benötigte sie Hilfe. Es gab Menschen die diese Hilfe dringender benötigten als sie.
Sie gab sich selbst die Schuld an dieser Situation. Das hatte ihr Freund ebenfalls getan.

"Uhm, ich weiß nicht was heute passiert ist."
Ihre Stimme klang nicht halb so sicher wie die der Polizistin. Sie wat zittrig, leise und klang dabei so als hätte sie mehr Fragen als Antworten. Dem war auch so. Sie kannte den Grund für diesen plötzlichen Vertrauensverlust seinerseits nicht. Er hatte ihr immer vertraut, hatte gedacht sie würde nicht ein einziges Mal auch nur irgendwie darüber nachdenken ihn zu hintergehen, nun aber war er tot und sie konnte es einfach nicht erklären. Sie wusste noch nicht einmal was seine Eltern von ihr denken würden.

Sie konnte diese ganze Nacht nicht erklären, fand noch nicht einmal die richtigen Worte dafür um Katherine zu erzählen woran sie sich in diesem Moment nicht erinnern wollte. Vielleicht würde es für eine ganze Weile so bleiben und diese ganze Geschichtsstunde würde absolut nichts verändern, diese Frau aber wollte ihr helfen. Sie wusste es. Sie konnte es in ihren Augen sehen. Selbst ihre Körpersprache vermittelte ihr etwas Sicherheit und Wärme die sie in diesem Moment so dringend benötigte. Möglicherweise war es das was sie sich an eine schönere Zeit mit ihm erinnern ließ.
An eine Zeit in der sie glücklich gewesen waren - bis sich irgendetwas verändert hatte.
Bis er sich verändert hatte.

"Wie sehe ich aus?"
Mit einem unsicheren Lächeln auf den Lippen drehte sie sich um die eigene Achse um ihm ihr Endergebnis zu präsentieren:
Einmal. Zweimal. Dreimal.

Der dunkle Stoff des Kleides umhüllte ihren Körper, brachte jede Kurve zum Vorschein und präsentierte ihm ihren Körper in einem völlig neuen Licht. Sie mochte es seine Blicke auf sich zu spüren, mochte es zu wissen das sie der Grund für sein Lächeln war. Und auch heute war es so. Er lächelte, schien sprachlos darüber zu staunen wie anders sie in ihrem Kleid doch eigentlich aussah, denn für gewöhnlich trug sie einfache Alltagskleidung. Selbst wenn sie ausgingen hatte sie sich nie wirklich schick gemacht, trug viel lieber ein einfaches Sommerkleid oder irgendetwas zum Anlass passend. Im letzten Licht der Sonne das noch durch die Fenster drang, glänzte der Stoff rötlich und gab ihrer Haut eine völlig andere Farbe. Gebräunter. Gesünder als die Blässe die sie auch im Sommer trug.

Die Dunkelheit des AugenblicksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt