Kapitel 44: Nichts zu verlieren

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Mit Eris an meiner Seite lief ich über das Schulgelände. Die Hände in den Umhangtaschen blickte ich zum Himmel auf, an dem die Sonne schien.

Obwohl es erst März war, war es ungewöhnlich warm und die meisten Schüler hielten sich, genauso wie ich, draußen auf, um den ersten Frühlingstag zu genießen.

Ich hatte gerade Arithmantik gehabt und nach einem anstrengenden Schultag wollte ich den Tag zusammen mit Eris ausklingen lassen.

Unsere Beziehung war immer noch nicht perfekt, aber inzwischen genoss ich seine Anwesenheit.
Der Kniesel vermied es zwar immer noch, mir irgendeine Art von Zuneigung zu zeigen, doch ich merkte, dass er in meiner Anwesenheit nicht mehr angespannt die Ohren spitzte oder mich böse anstarrte. Inzwischen schien er mir zu vertrauen.

Auf einmal verschnellerte er sein Tempo und rannte los, um daraufhin hinter einem Hügel zu verschwinden.
Unter Kontrolle hatte ich ihn wohl trotzdem noch nicht.

"Eris!", rief ich und lief hinterher. Was war nur in ihn gefahren?

Nach wenigen Schritten erreichte ich den Hügel, hinter dem der Kniesel abgetaucht war und stellte fest, dass dahinter ein relativ steiler Weg zu Hagrids Hütte führte.
Waren wir schon so weit gelaufen?

Eris lief über das feuchte Gras hinab und sprang daraufhin durch die offene Tür in die Hütte hinein.

Ich biss die Zähne zusammen. Warum hatte der Wildhüter auch seine Tür offen stehen lassen!? Jetzt musste ich meine Katze wieder einsammeln und bekam womöglich Ärger dafür, dass ich ihn hatte herumstromern lassen!
Hatte er das mit Absicht gemacht, um mich in Ärger zu bringen?

Mir schauderte bei dem Gedanken, einem wütenden Hagrid gegenüberstehen zu müssen, doch meine Füße trugen mich bereits die Senke hinab.

Hagrids Hütte war im Gegensatz zu unserem Waisenhaus, geschweige denn zu Hogwarts selbst ziemlich klein, doch größer als die Heulende Hütte und scheinbar auch groß genug für einen Halbriesen. Außerdem befand sich Hagrid ja eh die meiste Zeit draußen.

Der Weg flachte ab und ich verlangsamte meinen Schritt, als ich mich dem Eingang näherte.

Das Innere der Hütte war dunkler als draußen, weshalb ich aus dieser Entfernung durch die Tür nicht viel erkennen konnte.
Ich lief die letzten Meter zur Tür heran und blieb im Eingang stehen.

"Hallo?", fragte ich unsicher in den Raum hinein, ohne genau hineinzusehen. Ich wollte nicht unhöflich sein.

"Sam, nich' wahr?", ertönte sogleich Hagrids donnernde Stimme und hätte ich jetzt in das Innere der Hütte blicken wollen, wäre mir die Sicht vom Bauch des Halbriesen verdeckt worden. Er stand direkt vor mir.

Eingeschüchtert ließ ich meine Augen nach oben wandern und starrte in das Gesicht des Wildhüters, welches zur Hälfte von seinem buschigen Bart verdeckt war.

"Äh...ja", brachte ich heraus.
Eigentlich wusste ich ja, dass Hagrid ein netter Kerl war. Trotzdem hatte ich immer noch großen Respekt vor ihm, durch sein hünenhaftes und grobschlächtiges Aussehen. Und zugegeben- ich hatte auch schon schlecht hinter seinem Rücken geredet und mich über seinen langweiligen Unterricht beschwert.

Bis jetzt hatte ich nur einmal direkt mit ihm geredet und das war gewesen, als ich Tintenfeder gegenüber gestanden hatte.

"Was gibt's?", fragte Hagrid, nachdem ich ihn einige Augenblicke stumm angesehen hatte.

"Ich- äh", setzte ich an, "Eris- mein Kniesel ist hier rein gelaufen. Ich wollte-"

"Ach, der gehört dir!", polterte Hagrid und trat zur Seite.
"Der hat's sich gemütlich gemacht, komm rein!" Er machte eine einladende Geste in die Hütte hinein.

She Who Can Not Be Named Where stories live. Discover now