Prolog

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"Hast du gehört, Kassandra?"

Taub und fern drückte Sareas Hand meine Schulter, als würde ich träumen. Ein Albtraum. Ich kauerte in der Asche unseres einstigen Dorfes. Sie haben zurückgeschlagen. Mein leerer Blick schweifte über die gruselige Szene, huschte schnell weiter, erschrak sich vor jedem Detail. Qualm stach in meinen Augen, bohrte sich tief in meine Lunge.

"Ich sagte, deine Schwester ist noch nicht verloren."

Meine Mentorin beugte sich zu mir herunter. Sie war hochgewachsen und sehnig, stets ein Fels in der Brandung. Jetzt spiegelten sich ihre über dreihundert Jahre Lebensspanne in ihrem hageren Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Hab sie noch nie so erschöpft gesehn. So fertig mit allem.

Gut, hab auch noch nie unser Dorf in Schutt und Asche gesehn. Meine Augen trauten sich auf den verbrannten Schatten vor mir, der einmal meine Schwester gewesen war. Zuckten sogleich wieder weg. Die Welt schimmerte feucht, meine Finger krallten sich in die tote Erde. Die ausgebrannten Gebäude um uns lehnten sich zu mir, schlossen mich ein, drohten mich zu ersticken.

"Sie wurde nur in eine fremde Sphäre gezogen. Wir können zu ihr kommen", versuchte Sarea es weiter, ihre stahlgrauen Augen mitfühlend wie selten.

Zwei lange Schatten streckten sich mir von den Überresten meiner Schwester entgegen, wie ausgestreckte Arme, festgebrannt für die Ewigkeit. Nicht einmal Knochen hatte die magische Explosion gelassen. Warum?

Warum waren wir zu spät? Warum ham sie das gemacht?

"Auf, heb dich." Sareas Stimme riss mich aus meinen Gedanken. "Ich weiß, auch du spürst sie noch. Wir finden sie. Koste es, was es wolle."

Mit runden Augen blickte ich hoch zu ihr, ein Anker inmitten des Chaos.

"Ich versteh nicht. Wie konnt das passieren?"

"Sie ham ohne uns angefangen. Ham den Überfall vorbereitet und das Portal geöffnet. Warum habt ihr nicht gewartet!?", zürnte sie in die Runde der Leichen. Es kam keine Antwort. "Die Voodoo-Priester ham vorgesorgt. Schätze, unsre Leute wollten schnell sein und den Feind überraschen. Stattdessen wurden sie überrascht. Die Voodoo ham durch unser eigenes Portal angegriffen. Sieht nach einem Albtraumfänger aus. Verteufeltes Vieh."

Ihr drahtiger Arm zeigte auf ein Totem, dass die Angreifer sich Zeit genommen hatten zu basteln. Triumphierend thronte es inmitten der Beschwörungsstätte. "Deine Schwester stand im Zentrum, sie sollte wohl helfen. Der magische Ausbruch war unkontrollierbar. Ihre Essenz wurde durch das Portal in eine andre Sphäre gezogen. Unmöglich zu sagen, welche."

Sarea strich durch ihre kurzen Haare. "Sie ist verloren in dieser Welt. Aber wir Abissaij lassen uns dadurch nicht aufhalten. Sie existiert weiter. Irgendwo. Der Rest", zog sie spöttisch die Braue empor, "Hatte nicht so viel Glück."

Ja, ohne Witz. Ausgebrannte Häuserruinen hatten sich dorthin geschlichen, wo noch vor kurzem das Gasthaus stand. Der Bäcker. Die Schmiede. Ich schmeckte bitteren Speichel. Bekannte und Freunde, flüsterte Trauer. Jeder ein Häufchen Asche oder geflohen. Entschlossenheit zischte dazwischen. Freunde. Warum mussten sie das Portal öffnen? Unbedingt die Voodoo angreifen?

Meine Augenbrauen zogen sich zu einer kleinen Sturmfront zusammen. Zur Tiefe mit dem Dorf. Und zur Tiefe mit den Voodoo. Mich kümmert nur noch meine Schwester. Sonst nix.

Sarea sah das neu erwachte Feuer in meinen Augen und stupste mich mit ihrem Stiefel an.

"Ich sagte, heb dich, Kassandra. Durch uns hat deine Schwester eine Chance. Wie ich sie kenne, sitzt sie nicht untätig herum. Sie wird von ihrer Seite aus helfen. Nimm dir ein Beispiel daran."

How To Kill A God - Step One: Tame The Demon [DE]Where stories live. Discover now