Kapitel 9

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~ Elyanor ~ 

„Hey", sagte er und blieb vor mir stehen. Hey? Das war wohl die unkonventionellste Begrüßung, die ich je von einem fast fremden erhalten hatte.

„Guten Abend", erwiderte ich in höflichem Ton.

Er räusperte sich. „Ich habe eine Verabredung mit dir", sagte er dann, was eigentlich unschwer festzustellen war.

„Ja, so weit war ich auch schon." Fragend hob ich die Augenbrauen. „Also. Was hast du dir ausgedacht?"

Er zuckte mit den Schultern und sah sich um. „Bisher noch nichts. Ich bin gern spontan. Was willst du machen?"

Überrascht trat ich einen Schritt zurück. Das hatte ich nicht erwartet. Auch wenn es Dashiell war, der vor mir stand. Er überraschte mich wirklich immer wieder. Ich überlegte.

„Ich würde gerne spazieren gehen", sagte ich schließlich.

„Irgendeine spezielle Route oder reicht für eure Hoheit der Schlossgarten aus?"

Ich legte den Kopf schief, als würde ich mich fragen, ob er das ernst meinte. „Ja, das reicht."

„Also dann." Er ging voraus und wollte das Schloss durch das Haupttor verlassen. Ich eilte ihm nach und hielt ihn auf.

„Halt. Ich weiß etwas Besseres. Komm mit."

Er fragte nicht nach, sondern folgte mir einfach in die entgegengesetzte Richtung. Ich nutzte beinahe alle Schleichwege, die ich kannte und führte uns zu einem Seiteneingang, der zu der Obstwiese vor der inneren Palastmauer führte. Dann stieß ich die Tür auf und trat nach draußen. Dashiell folgte mir.

„Was ist das hier?", fragte er und sah sich um. Über den rosa blühenden Apfelbäumen ging gerade die Sonne unter. Es war wunderschön.

„Von meinem Zimmer sieht es noch besser aus", sagte ich und drehte mich um.

„Soll das eine Andeutung sein?"

„Was?" Ich verstand, was er meinte, als ich die Frage stellte und wurde rot. Schnell suchte ich nach einem Themawechsel und sprach weiter. 

„Warum hast du dich eigentlich für die Selection beworben?"

Ich erntete ein schallendes Lachen und kräuselte verwirrt die Stirn. „Was ist denn?"

Er schüttelte leicht den Kopf und wandte sich dann wieder mir zu. „Es hat sich längst herumgesprochen, dass du jedem Kandidaten diese Frage stellst."

„Und welche Antwort hast du dir zurechtgelegt?", hakte ich nach. Eigentlich hätte ich es ahnen müssen, aber ich hatte nie darüber nachgedacht, was die Kandidaten so unter sich austauschten.

„Ich antworte auf diese Frage nicht. Das ist meine Antwort."

„Dann widersprichst du dir aber", stellte ich fest. „Du gibst eine Antwort."

„Besserwisser", murmelte er.

„Wie bitte? Wie hast du mich gerade genannt?", fragte ich entrüstet.

„Das war als Kompliment gemeint", ruderte er zurück.

„Als ob du mir jemals ein Kompliment machen würdest." Ich schnaubte und ging ein paar Schritte. „Was ist eigentlich dein Problem mit mir?"

„Ich habe kein Problem mit dir, Prinzessin", antwortete er, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hasste diesen Spitznamen, den er mir gegeben hatte.

„Ach ja? Und warum verachtest du mich dann schon seit der Sekunde, in der wir uns das erste Mal gesehen haben?"

Selection - ElyanorWhere stories live. Discover now