Kapitel 29

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27.08.2020, Spa, Belgien

„Bereit?", fragt Pierre und stellt sich mit Blumen in der Hand neben mich. Ein Strauß weißer Lilien.

Nickend festige ich meinen Griff um meinen eigenen Strauß, bevor ich mich ihm und Charles zuwende. Wir werden zu dritt zu der Unfallstelle von Anthoine fahren und Blumen niederlegen. Es war Pierres Idee, dass wir Blumen hinlegen. In ein paar Tagen jährt sich sein Tod auch schon wieder zum ersten Mal, kaum zu glauben. Wo ist die Zeit hin?

Wir haben uns drei Räder besorgt und mit denen fahren wir dann langsam die Strecke ab, während wir die Blumen halten. Schon während dem Fahren hab ich immer wieder Tränen in den Augen, aber ich kann sie noch zurückhalten. Seit kurz nach der Beerdigung war ich nicht mehr bei seinem Grab, da sich leider nicht mehr die Möglichkeit für mich ergeben hat.

Dieses Jahr gabs keine Sommerpause, da sich ja die ganze Saison nach hinten verschoben hat, aber das ist nicht schlimm. So kann ich wenigstens zuhause nicht zu viel nachdenken. Über Lando zum Beispiel. Seit unserem Kuss haben wir nicht mehr richtig miteinander gesprochen, was mich schon verletzt. Ich hab das Gefühl, ich hab ihn verloren. Das ist kein schönes Gefühl.

An der Unfallstelle angekommen, lehnen wir unsere Bikes an die Wände und legen unsere Blumen ab. Pierre bleibt einen Moment am Boden knien, bevor er wieder aufsteht und zu uns kommt. Ich lege den beiden jeweils einen Arm um die Taille und wir drei stehen still da. Das hier erinnert mich irgendwie daran, wenn wir zu dritt zu Jules Grab fahren.

"Es wird irgendwann besser", sage ich leise, bevor wir uns umdrehen und mit unseren Bikes den letzten Rest der Strecke abfahren. Wieder am Paddock angekommen, setze ich mich mit meinem Laptop hin und bereite den nächsten Blogeintrag schon mal vor.

Die Jungs sind den restlichen Tag ziemlich beschäftigt mit dem Mediatag und ich treffe sie erst wieder am Abend, als wir ins Hotel zurückfahren.

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Ein grinsender Charles steht mir gegenüber, bereits mit einem Helm auf dem Kopf und hält mir meinen hin. Ich werde mit ihm heute die 'Start-Stopp-Challenge' machen und ich bereue es jetzt schon wenn ich ehrlich sein soll. Wir werden abwechselnd fahren, während der Fahrer fragen stellt, die der Beifahrer beantworten muss.

Hinter uns steht ein Ferrari F8 Tributo. Ich durfte vorhin schon eine Proberunde fahren, damit ich als unerfahrene Fahrerin ein bisschen ein Gefühl für die Strecke und das Auto bekomme. Das wird trotzdem interessant werden.

"Wer beginnt?", frage ich nervös und sehe Richtung Team, aber die zucken nur die Schultern. "Stein, Schere, Papier?"

Charles nickt und wir machen 'Stein, Schere, Papier', was er gewinnt.

Lachend steigt er ins Auto und ich setze mich neben ihn. Ich vertraue ihm normalerweise, aber nicht wenn er mit einer extremen Geschwindigkeit über eine Rennstrecke fährt und ich neben ihm sitze. Nachdem ich noch ein Kreuzzeichen mache, lege ich mir den Sicherheitsgurt an.

"Fertig?" Charles sitzt mit einem breiten Grinsen neben mir.

"Nein, aber fahr sonst steig ich wieder aus", sage ich und er tritt sofort aufs Gas. Augenblicklich werde ich in den sitz gedrückt und voller Panik greife ich nach dem Halteriemen am Dach des Autos. "Oh mein Gott, stelle endlich eine Frage!"

"Oh richtig. Wann und wo hab ich meine ersten Punkte in der F1 eingefahren?" Mit einem Lachen fährt er um die erste Kurve.

"Oh ähm das war in Aserbaidschan", rufe ich. "Ähm, 2018!"

Voller Kraft tritt er auf die Bremse und ich werde in den Gurt geworfen. "Du bist!"

Auf zitternden Knien steige ich aus dem Auto aus und gehe rum, während Charles einfach über die Mittelkonsole klettert. Auf dem Fahrersitz schnalle auch ich mich an, bevor ich aufs Gas steige. Und wie ich direkt fahre! Das Auto gleitet super über die Straße, es ist ein unglaubliches Gefühl. Charles neben mir greift dieses Mal an die Halterung und klammert sich fest.

You were there for me - Lando Norris FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt