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4. Kapitel

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Autumn's POV:

Da River nach unserer täglichen Einheit Gartendienst noch Footballtraining hatte und ich keinerlei Lust darauf, mich auf dem Heimweg zu verlaufen, saß ich nun neben dem Footballfeld auf einer Tribüne und beobachtete eine Horde oberkörperfreier Jungs beim Joggen und Taktiken durchgehen. Zugegeben, es gab deutlich tragischere Schicksale.
„Nicht schlecht, oder?" Ein Mädchen gesellte sich zu mir und setzte sich direkt neben mich. Sie war scheinbar etwa in meinem Alter und hatte einen wirklich interessanten Kleidungsstil. In einem Ohr trug sie einen großen Federohrring. Sie hatte dunkle Augen und dunkles, fließendes Haar. Ihr Teint erinnerte mich irgendwie an Vollmilchschokolade, nicht besonders dunkel, aber gut gebräunt. Wohlmöglich würde man sie in einem Südstaatendrama aus den sechziger Jahren als lächerlich groß bezeichnen. Jedoch befanden wir uns in Springsnow, Wyoming, im einundzwanzigsten Jahrhundert. Und so war sie einfach nur ziemlich groß, neben ihr sah ich wahrscheinlich aus wie einer von Susans Gartenzwergen.
Irgendwie erschien sie mir auf Anhieb sympathisch, mit dem herzlichen Lächeln auf ihren Lippen und den zahlreichen Pins an ihrem Rucksack.
„Ja, ich würde behaupten hier einen guten Platz erwischt zu haben", lächelnd stimmte ich ihr zu und ließ meinen Blick über das Spielfeld wandern, bemüht, auch ja nicht zu lange an River hängenzubleiben.
„Ich bin übrigens Eva, Chris' Steifschwester", stellte sie sich vor und plötzlich tat sie mir echt leid. Chris war Rivers sehr offensiv flirtender Freund.
„Ich heiße Autumn, mein Beileid", gespielt mitfühlend legte ich ihr eine Hand auf die Schulter. Chris war sicherlich kein so schlechter Kerl, sonst wäre River nicht mit ihm befreundet.
„Danke. Du bist Rivers Freundin, oder?„ Mit leuchtenden Augen erkundigte sich dieses Mädchen, das ich erst seit zwei Minuten kannte, verdächtig interessiert nach meiner Beziehung zu River. Seit ich hier lebte, war mir durchaus aufgefallen, wie sich die Mädchen nach ihm umsahen und so wunderte mich Evas Interesse kaum. Vermutlich fragte auch sie sich gerade, was River wohl in mir, dem Mädchen mit dem modischen Gespür einer depressiven Dreizehnjährigen, sah.
„Freundin im Sinne von Kumpel. Also er gehört ganz dir", beschwichtigend hob ich die Hände und konzentrierte mich dann wieder vollkommen auf die Jungs. Dieses schienen langsam sichtlich erschöpft zu sein.
„Oh Gott, ich will echt nichts von River. Ich habe den Typen schon in Windeln gesehen. Ausfragen wollte ich dich auch nicht. Ich habe dich nur schon des Öfteren mit ihm gesehen und fand ihr würdet süß zusammen aussehen. Außerdem brauche ich die Bestätigung, dass du noch nichts mit meinem Bruder hattest, um diese Konversation zu vertiefen", erklärte sie versöhnlich lächelnd und unwillkürlich musste ich ebenfalls grinsen.
„Kein Problem, ich dachte nur, du bist eine von Rivers Verehrerinnen, von denen ich tagtäglich, seit ich auf diese Schule gehe, telepathische Morddrohungen erhalte. Und ich hatte übrigens auch noch nichts mit deinem Bruder." Beim letzten Teil meines Satzes mussten wir beide lachen.
„Na dann ist ja gut", stellte sie erleichtert fest und wischte sich die nichtvorhandenen Lachtränen weg."Ich kann hier kaum noch Freundschaften eingehen, immerhin möchte ich nicht mit einer Verflossenen meines Bruders abhängen. Die Gefahr, intime Details zu erfahren, ist mir dann doch zu groß.„
„Ich verstehe das zu gut. Ich weiß kaum, wem ich hier trauen kann. Immerhin möchte ich mir nicht bei einer Übernachtungsparty nachts die Augen ausstechen lassen, weil ich mit ‚dem River Smith', dem süßesten Typen seit Zac Efron, befreundet bin." Mit der bittersüßen Andeutung eines sarkastischen Lächelns, beobachtete ich, wie River Liegestütze machte und sich ab und an den Schweiß von der Stirn wischte. Er und seine Teamkollegen sollten sich schleunigst T-Shirts anziehen, sonst würde der Kreislauf der hormongesteuerten Neuntklässlerinnen, die ein Stückchen unterhalb von uns platzgenommen hatten, nicht mehr lange mitmachen. Ich konnte ihr aufgeregtes Quietschen sogar bis hier oben hören.
„Es überrascht mich ein wenig, dass ihr scheinbar so gute Freunde seid. Normalerweise lässt er die meisten Mädchen nicht besonders nah an sich ran." Nachdenklich überschlug Eva die Beine und fuhr sich durch das lange, dunkle Haar.
„Wie meinst du das? Ich habe ihn selbst noch mit keinem einzigen Mädchen reden gesehen", stimmte ich ihr stirnrunzelnd zu.
„Das wundert mich nicht. Es gab da sogar mal ein Mädchen, aber das ist eine lange Geschichte", nun hatte Eva mein endgültiges Interesse geweckt.
„Also ich habe Zeit", grinsend legte ich meinen Kopf ein wenig schief.
„Es ist jetzt zwei Jahre her. Gott, wie er darunter gelitten hat. Raven hieß sie–",begann Eva zu berichten, doch wurde vom schrillen Klang der Trillerpfeife und dem darauf folgenden Johlen der Footballmannschaft unterbrochen. Das Training war beendet und die Spieler prügelten sich nahezu in die Umkleide.
„Autumn, ich muss noch kurz duschen, dann können wir los!„, rief River mir von unten zu und verschwand dann in Richtung der Kabinen.
„So viel Zeit haben wir wohl doch nicht mehr. Aber, hey, wir sehen uns bestimmt später im Diner." Ohne auf eine Antwort zu warten, machte sie sich aus dem Staub.
Dabei interessierte mich doch brennend, was es mit dieser Raven auf sich hatte.


„Nochmal danke für's Warten, Kleines", River strahlte mich mit müden Augen an, während wir uns anschnallten.
„Eva hat mir von irgendeinem Diner erzählt." Rivers schwarzer Rover setzte sich gerade in Bewegung, als ich zu ihm hinübersah. Er trug ganz klischeehaft einen grauen Kapuzenpullover, auf dem groß das Logo der Schule zu sehen war.
„Freitags treffen sich die meisten Seniors in dem alten Diner am Stadtrand. Das ist sozusagen Tradition. Wenn du möchtest können wir hin", schlug er vor und warf einen flüchtigen Blick zu mir.
„Klar, unseren Hausarrest haben unsere Eltern scheinbar sowieso schon vergessen." Schulterzuckend schaute ich aus dem Fenster und er konzentrierte sich weiter auf die Straße.
Und auch wenn ich sein Gesicht in diesem Moment nicht sah, wusste ich, dass er ganz sicher grinste.



Das Diner war uralt und so klischeehaft eingerichtet, dass ich das Gefühl nicht loswurde, ich war in einem Teenie-Musical gefangen.
Mit beigem Leder bezogene Sitzbänke, ein langer Tresen und viel zu freundliche Bedingungen. Hier stand ich nun mit dem Quaterback der Schulmannschaft und fragte mich ernsthaft, worauf ich mich da wohl eingelassen hatte.
„Hey, Leute." River begrüßte eine Gruppe Leute. Unter ihnen machte ich auch ein paar seiner Teamkollegen sowie Chris und Eva aus.
„Ich weiß nicht, ob ihr sie schon alle kennt, aber das ist Autumn. Das Mädchen, mit dem ich den Chemiesaal abgefackelt habe", stellte er mich vor und ich kniffte ihn für seine Randbemerkung leicht in die Seite.
Eva lächelte mich wissend an, während die meisten anderen mich entweder skeptisch musterten oder desinteressiert das Innere ihrer Kaffeetassen studierten. Dann stellte River mir alle namentlich vor und ehrlich, ich versuchte wirklich, mir alle Namen zu merken, aber das war so gut wie unmöglich. An den Tischen um unseren herum saßen weitere Seniors, aber von diesen wurde ich – Gott sei Dank – verschont. Das eigentliche Problem jedoch tauchte auf, als River und ich uns setzten wollten. Auf der Sitzbank fand sich nur noch ein einziger freier Platz und auch sonst waren alle umliegenden Stühle besetzt. Stehen war dämlich und so landete ich letztlich total verkrampft und permanent die Luft anhaltend auf Rivers Schoß. Dieser schien sich aufgrund des übermäßigen Körperkontakts ähnlich unbehaglich zu fühlen und ich hätte schwören können, dass sein rechtes Bein unter meinem Gewicht einschlief.
Wenigstens saß ich direkt gegenüber von Eva, sodass wir uns unterhalten konnten. Zwar nicht über Raven, aber immerhin.
„Wo kommst du eigentlich her?„, mischte sich ein dunkelhaariger, recht gutaussehender Typ, Phillip vielleicht, ein, als Eva und ich uns gerade angeregt über das Comeback von One Republic unterhielten und River dazwischenquatschte.
„Indianapolis", antwortete ich knapp und nippte an meinem Kaffee. Das war nicht ganz richtig. Eigentlich kam ich aus Kalifornien, ich hatte schon überall gelebt, aber Indianapolis war mein letzter fester Wohnort gewesen. Nun war ich offensichtlich in Wyoming gelandet. Außerdem verspürte ich nicht gerade das Bedürfnis, allen meine Lebensgeschichte zu verklickern.
„Cool. Ein echtes Großstadtkind also. Du hattest bestimmt ein interessantes Leben", bohrte dieser Phillip weiter nach und ich begann mich unwohl zu fühlen.
„Willst du damit sagen, ich habe jetzt kein interessantes Leben mehr?„, hakte ich grinsend nach.
„Nein, so war das nicht gemeint. Jemand wie du kann doch gar nicht langweilig sein." Er zwinkerte mir scheinheilig zu und nun fühlte ich mich wirklich unwohl.
„Versuchst du gerade etwa, mit mir zu flirten?„ Gespielt empört hob ich meine Augenbrauen und sah kurz zu Eva, die das Geschehen interessiert mitverfolgte.
Bei dem Wort flirten spürte ich, wie River sich unter mir anspannte und den Griff um den Henkel der Kaffeetasse in seiner Hand verfestigte. Unbehaglich rutschte ich auf seinem Schoß herum.
„Nein. Ist doch klar, dass du River gehörst", bestritt Phillip breit grinsend und wartete vergeblich auf Zustimmung der anderen. Mit zusammengekniffenen Augen räusperte ich mich.
„Ich gehöre auch nicht River. Denn ich bin ein freier Mensch und gehöre niemandem", erklärte ich streng, während ich innerlich fast schon über dieses steinzeitliche Verhalten lachte.
„Schon verstanden, musst ja nicht gleich so überreagieren", entgegnete Phillip und erhob sich von der Bank. Eva ließ ihn grinsend passieren und ich blickte ihm kurz hinterher, als er sich daraufhin zu seinen Freunden am Nebentisch gesellte.
„Und das, meine Damen und Herren, passiert wenn ihr ungefragt mit Autumn White flirtet", verkündete River stolz. Nun begannen wir alle zu lachen. Darin, Typen zu vergraulen, war ich schon immer gut gewesen. Ich hatte keinen Kopf für irgendwelche Teenie-Romanzen und Dates mit unreifen Kerlen, ich hatte schon genug Drama in meinem Leben.
Die anderen rückten auf und so rutschte ich nicht besonders elegant von Rivers Schoß auf die weich gepolsterte Bank und seufzte erleichtert. Wortlos klaute ich mir Rivers Cookie und biss genüsslich hinein.
Dieser ließ es einfach geschehen mit den Worten:"Ist ja auch ein freier Cookie.„
Dann machten Eva und ich uns eine Weile über diesen überaus schlechten Witz lustig und zugegeben, ich hatte eine ziemlich gute Zeit mit diesen Leuten, die so anders waren, als ich geglaubt hatte.



River's POV:

Ein Mädchen Wie SieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt