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5. Kapitel

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Autumn's POV:

Es war wieder einer dieser Momente gewesen, in denen wir in Rivers Auto gesessen hatten und als ein wirklich hübsches Mädchen an uns vorbeigegangen war und River zugelächelt hatte, hatte er erneut weggesehen. Gebannt fasste ich schließlich all meinen Mut zusammen und machte mich dazu bereit, die Frage, welche mir nun schon seit anderthalb Wochen auf der Zunge lag, auszusprechen.
„Ich weiß, dass du nicht schwul bist. Ich weiß auch, dass du mal eine Freundin hattest, aber warum tust du so, als würde jeglicher Kontakt, mit dem weiblichen Geschlecht zu Verbrennungen dritten Grades führen?„ Ich schaute River ahnungslos an und wartete gespannt auf eine Antwort oder auf irgendeine Reaktion.
„Erstens: Ernsthaft? Und zweitens: War das gerade ein indirektes Kompliment?", fragte er, während er mich hemmungslos auslachte.
Kopfschüttelnd verdrehte ich meine Augen."Das ist mein Ernst. Warum siehst du die meisten Mädchen nicht mal an? Du hättest mehr als genug Auswahl", stellte ich genervt klar. Dieser Junge war wirklich unverbesserlich.
„Ich sehe in einem Mädchen halt einfach mehr als ein Objekt sexueller Befriedigung", erklärte er und fuhr sich mit einer Hand durch sein dichtes, braunes Haar. Stur ignorierte ich die offensichtliche Attraktivität dieser Geste und konzentrierte mich voll und ganz auf unsere Konversation.
„Das habe ich auch gar nicht behauptet, aber es ist echt schräg, dass du keinem der vielen Mädchen, die dich anhimmeln, auch nur ein wenig Aufmerksamkeit. Du widmest nicht einmal einer einen nicht ganz so unschuldigen Gedanken", meinte ich skeptisch und vergrub meine Hände in den Taschen meiner dunklen Cordjacke.
„Vielleicht habe ich einfach noch nicht die Richtige für schmutzige Tagträume oder romantische Gesten gefunden", erklärte er und würde das gönnerische Grinsen auf seinem Gesicht nur halb so gut ausschauen, würde ich es liebend gerne wegwischen.
„Möchtest du denn die Richtige finden?", fragte ich mit nun deutlich weicherem Blick. Daraufhin kaute River bloß auf seiner Unterlippe herum.
„Natürlich. Wer nicht?„ Sein nachdenklicher Blick wanderte zum Fenster hinaus. Seit einer halben Stunde schon saßen wir nichts tuend mit einigen Müsliriegeln in seinem Rover und warteten darauf, dass unsere Freistunde vorüberging. Draußen regnete es in Strömen, genau wie an dem Tag, an dem wir uns kennengelernt hatten. Generell regnete es hier öfter, als mir lieb war. Stumm dachten wir über die Worte des anderen nach und schauten aus dem Fenster auf den platschnassen Asphalt. Und dann. Plötzlich, während ich so vor mich hin philosophierte, kam mir ein unverwechselbar genialer Einfall.
„Oh mein Gott! Riverlein, ich hatte gerade die Idee des Jahrhunderts", prophezeite ich grinsend und klatschte entschlossen in die Hände, entschlossener als Susan, wenn es um das Aussuchen neuer Vorhänge ging. Mein Vorschlag würde River absolut umhauen. Ob positiv oder negativ würde sich noch früh genug herausstellen. Skeptisch betrachtete er mich und runzelte die Stirn.
„Kleines, dein übermäßiger Enthusiasmus macht mir Angst. Das ist echt gruselig." Fordernd und mehr oder weniger bereit, sich meiner Idee zu stellen, verengte er seine Augen zu Schlitzen.
„Ich werde dich verkuppeln. Ich werde das perfekte Mädchen für dich finden!", verkündete ich freudestrahlend, nahm seine Hände in meine und rüttelte aufgeregt an ihnen.
„Jetzt mal ganz langsam, Kleines. Ich lasse mich ganz sicher nicht von dir verkuppeln", bremste er mich aus, doch ich ließ mich kaum aus dem Konzept bringen.
„Tja, meine Entscheidung ist aber bereits gefallen: Ich werde dich nicht nur verkuppeln, sondern dir auch Nachhilfe im Umgang mit Mädchen geben", erklärte ich breit grinsend.
„Herr im Himmel, womit habe ich das nur verdient?" sein flehender Blick schweifte zu dem Autodach über uns, so als könnte Gott ihn da oben bei all dem Regen hören.
„Das, mein Lieber, nennt man Karma. Das Universum hat dir deine kleine Düngerschlacht neulich, immer noch nicht verziehen." Mein Grinsen wurde immer breiter.
Einerseits wollte ich selbstverständlich, dass mein einziger richtiger Freund glücklich war. Und andererseits müsste dann nicht mehr ich mir die vernichtenden Blicke der anderen Mädchen antun müssen, sondern seine Freundin.
Es würde auch mich glücklich machen, ihn glücklich zu sehen. Oder?


Ungeduldig wartete ich vor den Umkleidekabinen der Sporthalle auf River. Nach dem Training dauerte es gefühlte Ewigkeiten, bis er fertig war. Dabei wurde das Trödeln immer uns Mädchen nachgesagt. Also summte ich gelangweilt vor mich hin und kickte mit der Sohle meiner schwarzen Docs einige Kieselsteine davon.
Es schüttete, bereits den ganzen Tag schon, immer noch wie aus Eimern, doch ich stand unter der Überdachung der Sporthalle. Das Prasseln des Regens auf dem Blech war so laut, dass ich beinahe nicht gehört hätte, als mich jemand ansprach, jemand, über dessen Gesellschaft River nicht besonders begeistert sein würde.
„Hey, du, hast du Feuer?" Plötzlich trat Rivers offensichtlicher Todfeind aus der Tür und gesellte sich ungefragt zu mir. Auch, wenn ich ihn nicht kannte, wusste ich sofort, dass er und River, sich nicht nur äußerlich erheblich voneinander unterschieden. Die Art wie Davis dort stand, mit den Händen in den Hosentaschen und einer Zigarette zwischen den Lippen, grenzte ihn sehr von River ab.
„Sorry, ich verstehe es, Krankheiten wie Lungenkrebs vorzubeugen. Außerdem finde ich, dass es dämlich aussieht, wenn gestandene Kerle an Papierröhrchen herumnuckeln", murmelte ich, ohne auch nur zu ihm aufzublicken, und checkte desinteressiert die Uhrzeit auf meinem Handy. Ein Wunder, dass er von meiner kalten Schulter keinen Gefrierbrand bekam.
„Autsch, der hat gesessen", gespielt verletzt kniff er die Augen zusammen,"auf den Mund gefallen bist du scheinbar nicht.„
„Da bin ich nicht die Einzige. Was mich von den anderen unterscheidet, ist, dass ich nicht nur nicht auf den Mund gefallen bin, sondern auch nicht auf den Kopf", merkte ich vielleicht etwas zu selbstsicher an und ertappte mich selbst beim Schmunzeln.
„Verstehe." Zustimmend steckte er die Zigarettenschachtel wieder in seine Tasche."Und wie heißt du?"
„Autumn." Mein Blick ruhte immer noch auf ein und demselben Bordstein vor mir, auf den ich bereits die ganze Zeit starrte, und ich fragte mich, warum ich überhaupt mit ihm redete. Machte man das nicht eigentlich so unter Freunden, dass man die Feinde des anderen aus Solidarität schon mied? Ich hatte nicht viel Erfahrung mit richtigen Freundschaften, aber da war ich mir tatsächlich ziemlich sicher.
„Was für ein schöner Name für ein so schönes Mädchen. Ich bin Davis." Sein vermeintliches Gentleman-Grinsen saß fehlerfrei. Und von dieser maßlos übertriebenen Höflichkeit wurde mir so schlecht, dass ich glatt überlegte, eine Vomex einzuschmeißen.
„Danach habe ich nicht gefragt." Ich wies ihn gekonnt zurück. Konnte River sich nicht ein wenig beeilen? Ich hatte wirklich keine Lust, kostbare Lebenszeit mit widersprüchlichen Flirtversuchen von Davis McGrinsekatze zu vergeuden.
„Du bist ziemlich zickig, weißt du das eigentlich?", fragte er amüsiert und rieb sich die Schläfe.
„Ist mir schon des Öfteren zu Ohren gekommen", gab ich mit regungsloser Miene zu
„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Aber wir können los, Kleines!" Mit einem warmen Lächeln auf den Lippen und noch feuchtem Haar kam River nun endlich um die Ecke.
„Musstest du dich noch irgendwie schminken oder so?„, fragte ich ironisch und machte einen Schritt auf ihn zu, von Davis weg.
„Nein, abe –" Sein Blick fiel auf Davis und verfinsterte sich.
„Was machst du hier Miller?", blaffte er Davis an, dessen Augen merklich dunkler wurden. Innerlich betete ich, dass die beiden nicht wie zwei Teeniemädchen beim Sommerschlussverkauf aufeinander losgehen würden.
„Ich habe mich nur mit ihr unterhalten", rechtfertigte Davis sich süffisant grinsend und deutete mit einer vagen Handbewegung auf mich.
„River, wir sollten jetzt los!", stoppte ich die beiden und zog River ohne Vorwarnung an seiner Hand durch den Regen mit mir zum Auto.
„Was sollte euer kleiner Krieg da gerade? Was habt ihr beide gegeneinander?", fragte ich fassungslos, als wir im Auto saßen und die Türen schlossen.
„Er ist ein verdammter Wichser, das ist alles. Und ich möchte nicht, dass du irgendetwas mit ihm zu tun hast oder nochmal mit ihm sprichst."  Der Klang seiner Stimme war rasiermesserklingenscharf und ich fragte mich, was bitte in der Vergangenheit zwischen den beiden vorgefallen sein musste, dass Davis' bloße Anwesenheit River so in Rage versetzte. Ruhe kehrte ein, aber die Atmosphäre war nach wie vor gespannt.
Rivers eiserner Blick, welchen er auf das stillstehende Lenkrad gerichtet hatte, sprach Bände und doch verstand ich nicht so recht, was er zu sagen versuchte. Ich wusste, innerlich schrie er, aber ich hörte keinen Ton, bis auf unseren stockenden Atem und die Milliarden von Regentropfen, die gegen das Auto prallten.
„Du kannst mir nicht vorschreiben, mit wem ich mich abgebe oder nicht", sprach ich in die Stille herein. Solche Bevormundungen ließ ich mir nicht gefallen, auch wenn ich River gerne hatte.
„Autumn. Ich will nur nicht, dass er dir wehtut." Seine Stimme klang wieder weich und gefestigt, wie immer, wenn er mit mir sprach und er nahm meine Hand in seine. Daraufhin lachte ich kurz dämlich auf.
„Was ist daran lustig?" Mein plötzlicher Stimmungsumschwung hatte ihn sichtlich verwirrt.
„Du hast Neandertalerhände und ich die einer Vierjährigen." Ich legte unsere Hände an den Handflächen aneinander, um den Unterschied zu verdeutlichen. Wir waren wirklich ein bisschen wie Tarzan und Jane. Nur war ich in diesem Fall Tarzan, wenn es um das unsensible Verhalten ging. Das war nämlich ein besonders Talent meinerseits.
„Mit dir kann man sich wirklich nicht streiten." Kopfschüttelnd und zugleich lächelnd stellte er das Radio an und lehnte sich in seinem Sitz zurück.
„Lass uns noch ein bisschen hier sitzen bleiben, bevor wir nach Hause fahren", schlug ich seufzend vor und machte es mir ebenfalls bequem. Kaum hörbar summte ich den Text der Musik mit, während er mit seinen Fingern, die er inzwischen von meinen gelöst hatte, auf dem Lenkrad herumtrommelte.
Weder er noch ich kannten den belanglosen Popsong, aber irgendwie kümmerte uns das in diesem Moment nicht. Gerade war alles gut so, wie es war.

Ein Mädchen Wie SieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt