10- "Wir sind kein Paar."

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"[...] Waldelfen fallen in Ohnmacht um das Mitleid argloser Jünglinge anzulocken. Sind dabei allerdings mäßig erfolgreich, da sie ihre Augen nicht geschlossen halten können. Oder den Mund. Wer auf sie herein fällt hat es auch nicht anders verdient. [...]"

- (Auszug aus einem von Lyas Aufsätzen in Wesenskunde. Bewertet mit 'Eher schlecht' wegen mangelhaftem Einfühlungsvermögen für Menschen in misslichen Lagen.)

✥✥✥

           Lewi saß auf einem moderigem Baumstamm und starrte hoch zu den Bergen im Norden. Auf ihren Spitzen hatten sich die ersten Schneekappen ausgebreitet. Im Licht der untergehenden Sonne glitzerten sie in warmen Farben. Nicht mehr lange und sie würden auch uns erreichen.

Mit einem leichten Zucken bemerkte er meine Anwesenheit, drehte jedoch nicht den Kopf. Er saß vollkommen zusammen gesunken dort, als wäre er vor Stunden in dieser Haltung eingefroren.
Was auch der Grund war, warum ich ihn in seiner Einsamkeit störte.
„Ist es merkwürdig, dass ich mich um zwei Menschen sorge, die nicht meine Eltern sind?"

Der Satz trieb mir Tannennadeln ins Herz. Er dachte wirklich, dass er nicht mehr Teil unserer Familie war.
Mit einem schmerzvollen Seufzen kam ich näher und schob ihn vorsichtig zur Seite, um neben ihm auf dem Holz Platz zu nehmen. Der Ausblick war wundervoll. Ich hatte in den letzten Tagen kaum Zeit gefunden, ihn richtig zu schätzen. Lewi dagegen hatte schon immer ein Auge für die Schönheiten der Natur gehabt. Und ihre Grausamkeit.

„Nur weil wir nicht blutsverwandt sind, würde ich dich niemals etwas anderes als meinen Bruder nennen", versuchte ich meine Gedanken wieder auf das näher liegende Problem zu konzentrieren.
„Ich mache mir auch Sorgen um sie. Und um Ravn."

Das stimmte tatsächlich. Er hatte- trotz meiner Bitte- keine Nachricht geschickt. Keinen Raben, keine Eule und auch ganz sicher keine Taube. Entweder man hatte ihn auf seinem Weg festgenommen oder Beanna hatte ihm Feuer gemacht. Ich wusste nicht, was von beidem angenehmer war.

Lewi schenkte mir ein gequältes Lächeln. Seine kühlen Finger fanden meine und drückten sie einmal, als sprächen sie eine deutlichere Sprache als wir. Wenn jemand die Ungerechtigkeit der Welt in seinen Augen einfing, dann er.
„Wie steckst du das weg? Nach allem was passiert ist, warum hast du nicht aufgegeben?"

Die Verletzlichkeit, die mein Bruder sonst hinter einem selbstgefälligen Lächeln verborgen hatte, hätte nicht klarer in sein Gesicht gemeißelt werden können. Es gab nichts mehr, hinter dem er sich versteckte.

Und ich tat so, als sehe ich es nicht, damit er mit der Illusion noch ein paar Tage heilen würde.
„Ich habe noch viel mehr Angst davor, was mich einholt, wenn ich erst sitzen bleibe."

Sein fragender Blick ließ meine Mundwinkel zucken.
„Ravn zum Beispiel."

Die Nase meines Bruders kräuselte sich, als wolle er mir in Erinnerung rufen wie wenig er von meinen Scherzen hielt. Er gab mir einen leichten Knuff mit dem Ellenbogen in die Seite und widmete sich wieder seiner Studie der Berge.

Jagd der Verfluchten Kinder- Der Königssohn IIWhere stories live. Discover now