6- Herzschmerz

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Den gesamten nächsten Tag verbrachte ich auf der Krankenstation. Ich ging am Morgen zum Kindergarten, welcher sich im anderen Teil des Hauses befand, wurde dann aber wieder von der Ärztin zurückgeholt, da niemand so genau wusste, was ich hatte. Daher wollte niemand ein Risiko eingehen, da ich sonst jemanden mit meiner Krankheit anstecken könnte.

Ich nahm es niemanden übel, dass sie mich wegschickten, da ich für keinen eine Gefahr darstellen wollte. Doch da ich so oft den kleinen Welpen beim Spielen zusah und den ganz jungen Kindern bei ihrer ersten Verwandlung, machte es mich dennoch ein klein wenig traurig, dass ich nun nichts mehr hatte, was ich machen könnte.

Mir ging es im Moment wieder besser, was aber noch nichts zu sagen hatte. Die Schmerzen treten ganz plötzlich auf und verschwinden dann meist wieder. Und wenn sie dann wieder kamen, dann umso heftiger.

Doch die Schmerzen waren nicht am schlimmsten, sondern die Tatsache, dass ich die Kontrolle über meinem Körper verlor. Aus meinen Fingern wurden langsam Krallen, meine Augen glühten auf und meine Zähne wurden immer spitzer.

Ganz hatte ich mich bis jetzt noch nicht verwandelt und ich hoffte, das würde auch so bleiben.

Als ich nun in den kleinen Bad in meinem Zimmer stand, betrachtete ich mich im Spiegel. Irgendwas war anders. Mein Kiefer war irgendwie... breiter. Ich hätte zwar schon immer sehr markante Gesichtszüge, aber nun wirkte es so, als hätten sie etwas ihre Form verändert. Ich sah immer noch aus wie Ich und gleichzeitig wie eine andere Version von mir.

Doch nicht nur mein Gesicht hatte sich verändert, der Rest meines Körpers ebenfalls. Ich hätte ziemlichen Muskelkater und es fühlte sich einfach so an, als hätte man meinen Körper mit Gewalt zerrissen und neu wieder zusammengesetzt. Ich fühlte mich größer und breiter.

Langsam ließ ich meine Schultern kreisen, um die steifen Muskeln etwas zu lockern. Zwar wusste ich nicht, warum mein Körper sich so veränderte, aber schlimm fand ich das nicht. Schließlich ist das gar nicht so schlecht, wenn ich jetzt noch etwas muskulöser bin.

"Wir sind stärker!" Sagte Brian in meinen Gedanken. "Ich kann es spüren!"

"Aber warum? Warum sind wir jetzt so anders?", fragte ich ihn, erhielt aber keine Antwort.

So ging es schon die ganze Zeit. Mein Wolf zog sich seit dem gestrigen Tag zurück und sprach nur noch selten zu mir. Das machte mich etwas traurig, denn mit Brian fühlte ich mich wenigstens nicht ganz so einsam, auch wenn er und ich eigentlich nur eine Person sind.

Ich verließ das Badezimmer und setzte mich wieder auf das Bett. Die Uhr verriet mir, dass wir es schon halb Vier hatten.

Sofort schoss mein Kopf in die Höhe und Brian regte sich in mir. Ein paar Sekunden später öffnete sich auch schon die Tür und ein Mädchen mit glatten, brauen Haaren und einer stark sonnengebräunten Haut kam herein.

'Mate!' rief Brian. 'Markieren wir sie!'

Vergiss es, Brian! Wir würden sie nur erschrecken und dann hasst sie uns!

'Aber sie gehört uns!'

"Hallo... Brem.", sagte Elena und trat in den Raum.

Ich konnte nichts anderes tun, als sie anzustarren. Ihr Geruch machte mich verrückt und Brian drehte fast durch. Ich hatte Mühe, ihn unter Kontrolle zu halten.

Meine Hände umklammerten fest das Bettlaken. "Elena.", presste ich hervor. Ich versuchte ruhig zu atmen, denn ich merkte plötzlich, wie der Schmerz zurück kam und sich diesmal langsam in meine Glieder ausbreitete.

Verdammt, hatte der Schmerz etwa was mit ihr zu tun?

Sie stieß die Luft aus und man konnte ihr deutlich anmerken, wie ungern sie hier war. "Wie es scheint, geht es dir ja wieder gut.", meinte sie und schaute mich vorwurfsvoll an. Was konnte ich denn dafür, dass es mir etwas besser ging? Auch wenn ich mich gerade ziemlich anstrengen musste, um nicht vor Schmerz das Gesicht zu verziehen.

Es war diesmal nicht so, wie die anderen Male. Dieses seltsame Gefühl war zwar unangenehm, doch es war aushaltbar. Stattdessen merkte ich, wie ich mich wieder anfing zu verwandeln.

Meine Finger wurden wieder zur Klauen und ich merkte, wie die Bettdecke riss.

'Küss sie!' schrie Brian mich an. 'Mach schon! Sag ihr, dass wir Mates sind. Sag ihr, dass sie uns gehört!'

"Alles okay?", fragte sie mich, als ich nicht antwortete. Eine Sorgenfalte erschien auf ihrer Stirn. "Du wirkst nervös."

'Jetzt!'

"Du machst mich nervös.", erwiderte ich und schluckte. Was wird sie wohl darauf sagen?

Sie schüttelte kurz den Kopf und trat einen Schritt zurück. "Weshalb?"

Ich merkte, wie sich Brian die Kontrolle erkämpfte und ohne dass ich es wollte, sprang ich auf und stand in weniger als einer Sekunde direkt vor ihr.

"Spürst du es denn nicht?", knurrte Brian.

Ich sah, wie Elena erschrocken die Augen aufriss und sie sich ängstlich an die Wand presste. Sie wusste, dass Brian mit ihr sprach und nicht ich.

Es kommt sehr selten vor, dass unser Wolf die Kontrolle übernahm, aber wenn er es tat, dann musste es etwas sehr Ernstes sein.

"W-was meinst du? Brem, du machst mir Angst!", wisperte Elena mit ängstlicher Stimme.

Brian - ich - kniff die Augen zusammen. "Das brauchst du nicht. Ich würde dir niemals etwas antun.", sagte Brian und schob eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. "Dafür bedeutest du uns zu viel, kleine Mate."

Elena riss erschrocken die Augen auf und starrte mich an. Sofort erkämpfte ich die Kontrolle über meinem Körper zurück und schaute sie ebenfalls erschrocken an. Der Schmerz war in diesem Moment vergessen.

"Oh Gott, Elena, es tut mir so leid! Ich wollte dir keine Angst machen, er hat einfach die Kontrolle übernommen...", versuchte ich mich zu rechtfertig.

"Mate? Was soll das Brem! Du hast mir Angst gemacht!", rief sie vorwurfsvoll und schubste mich zurück. "Nenn mich nicht Mate! Ich bin nicht deine Mate und ich will auch nicht deine Mate sein!"

Brian fing an zu winseln und ich konnte das deutliche Knacken meines Herzens hören. Wiedermal.

"Aber es ist wahr...", flüsterte ich. "Du bist meine Mate..."

"NEIN! Nein, das bin ich nicht. Luke ist mein Mate, verdammt!"

Ihre warmen Augen funkelten wütend. Sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt und atmete schnell. Es war unschwer zu erkennen, dass sie ganz und gar nicht zufrieden mit der Situation war.

Aber was hatte sich Brian nur dabei gedacht?

Was zum Teufel sollte das, Brian? Du hast sie verschreckt!

Doch Brian antwortete nicht, er hatte sich zurückgezogen.

Toll, was sollte ich jetzt tun? Aus dieser Situation würde ich niemals heil rauskommen. Aber aufgeben konnte ich jetzt auch nicht.

"Nein, sonst hätte Luke dich doch schon längst erkannt.", versuchte ich mit weicher Stimme auf sie einzureden.

Ich merkte, wie sie sich langsam beruhigte, aber in ihrer Stimme lag noch immer etwas Hysterie. "Du weißt genau, dass sich das auch erst an meinem Geburtstag entscheiden kann, Brem."

"Du wirst an dem Tag merken, dass ich dein Mate bin, Elena. Und nicht Luke.", versuchte ich sie zu überzeugen. Doch meine Worte erschreckten sie nur noch und sie wurde wieder panisch.

"Vergiss es, Bremy!", schrie sie nun ängstlich. "Und wag es nicht, jemanden davon zu erzählen, sonst kannst du was erleben!"

Mit diesen Worten stürmte sie aus meinem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

Verletzt ließ sie mich zurück und ich taumelte zurück zum Bett. Die Schmerzen, welche ich erfolgreich unterdrückt habe, machte sich nun wieder bemerkbar, aber das war mir egal.

Der Schmerz den Elena hinterlassen hatte, war viel schlimmer.

Be my Mate Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt