7- Ein neuer Alpha

556 38 5
                                    

Als ich am nächsten Morgen mit heftigen Kopfschmerzen erwachte, konnte ich schon die Anspannung des ganzen Rudels spüren. Irgendetwas musste passiert sein und sofort richtete ich mich auf.

"Ah, verdammt!", zischte ich und griff mir an meinen schmerzenden Kopf. Doch augenblicklich verdrängte ich die Schmerzen und lief zur Tür.

Da das ganze Rudel auf einer seltsamen Art miteinander verbunden war, konnte ich spüren, dass etwas in der Luft war. Ich spürte Angst und Anspannung bei jedem Wolf im ganzen Territorium.

Doch als ich kurz davor war, die Zimmertür zu öffnen, blickte ich nach unten. Meine beiden Füße waren über und über mit getrockneten Schlamm bedeckt und verkrustetes Blut klebte an meinen Knöcheln. Meine blaue Pyjamahose war am Saum komplett zerrissen.

Geband starrte ich nach unten, als sich die Tür öffnete.

"Bremy! Bist du etwa draußen gewesen?", fragte mich Doktor Franklin. "Dir hätte sonst was passieren können!"

Weiter ging sie nicht darauf ein, da es für mich normal war, zu Schlafwandeln. Aber noch nie vorher hatte ich zerissene Hosen oder getrocknetes Blut an meinen Zehen und Knöcheln gehabt.

"Doktor Franklin?", fragte ich verwirrt und schaute zu ihr auf, nachdem ich mich wieder gesetzt hatte. "Was ist denn los? Warum sind alle so angespannt?"

Sie kniff die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen und schien mit sich zu ringen. "Das ist schwer zu erklären, Bremy.", sagte sie nach einer gefühlten Ewigkeit und lief zum Fenster, um es zu schließen.

Ich wurde von Sekunde zu Sekunde panischer. Was zum Teufel ist denn so schlimmes passiert, so dass Doktor Franklin es mir nicht sagen wollte?

"Bitte. Ich werde es so oder so bald erfahren.", drängte ich sie. "Also bitte sagen Sie mir es gleich. Wenn es das ganze Rudel betrifft, dann habe ich auch ein Recht es zu erfahren."

Sie seufzte schwer und drehte sich dann zu mir um. "Es scheint, als wäre ein neuer Wolf in unseren Territorium."

"Ein Rouge?", fragte ich verwirrt. "Aber das ist doch schon oft vorgekommen."

Dr. Franklin schüttelte den Kopf. "Das ist nicht nur irgendein Rouge, Brem. Es ist ein Alpha."

Ich schluckte. Ein Alpha? Hier in unseren Territorium? Das konnte echt nichts Gutes bedeuten.

"Wer ist er? Wo kommt er her und was möchte er hier?", fragte ich und wollte noch weitere Fragen stellen, wurde aber von Dr. Franklin unterbrochen.

"Wir wissen es nicht. Keiner hat ihn gesehen und keiner hat eine Ahnung, wo er hin ist.", meinte sie.

Doch ich verstand nur Bahnhof. "Wie hat man dann von seiner Existenz erfahren?"

"Im gesamten Rudeldorf kann man die Dominanz des Alphas riechen. Nicht jedoch verfolgen oder gar erkennen, wem der Geruch gehört. Alpha Ben hat sich schon mit anderen Alphas aus dem umliegenden Rudeln unterhalten, doch niemand hat einen fremden Wolf gewittert und auch keine Rouges wurden gesichtet. Auch nicht auf dem Land, welches von kein Rudel beansprucht wird.", erklärte sie mir und setzte sich auf den Bettrand. "Keiner weiß, wo er sich versteckt und was sein Ziel ist. Genau deswegen ist es von nun an gefährlich, draußen rumzulaufen." Ihr Blick fiel auf meine dreckigen Füße.

"Der Alpha war hier im Rudeldorf?", rief ich entgeistert.

Normalerweise sichtete man fremde Wölfe in der Stadt, wo die Menschen leben oder gelegentlich im Wald, wenn es Rouges schafften, an den Grenzposten vorbeizukommen. Doch um als fremder Wolf in unser kleines Dorf zu kommen, brauchte man die Genehmigung von Alpha Ben und unangekündigt kommt man schon gar nicht rein. Die Grenzpatrouille lässt niemanden umbefugt vorbei. Sollte es doch mal jemanden gelingen, dann würden die Grenzwölfe allerdings Alarm schlagen und in wenigen Minuten wären die feindlichen Wölfe umstellt, sodass es wirklich keiner bis ins Rudeldorf schafft.

Dr. Franklin nickte. "Genau. Und keiner hat ihn kommen sehen.", sagte sie leise. "Das einzige, was er hinterlassen hat sind riesige Kratzer."

"Kratzer?"

"Ja.", sagte sie und deutete aus dem Fenster. "Sieh selbst."

Ich stand auf und taumelte zum Fenster. Was ich da sah, verschlug mir fast dem Atem.

Da ich von meinen Krankenzimmer aus das ganze Dorf überblicken konnte, könnte ich ebenfalls das Rudelhaus sehen. Die Fasade unter einem der Fenster zeigten meterhohe Risse von Krallenspuren, welche bis zur zweiten Etage reichten. Es sah fast so aus, als hätte der Alpha versucht, die Wand hochzuklettern, es aber nicht geschafft.

"Was hat er nur gewollt?", fragte ich leise mehr zu mir selbst.

Dr. Franklin schüttelte den Kopf. "Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Fakt ist, wir müssen jetzt ganz vorsichtig sein. Die Wachen an den Grenzen wurden verdoppelt. Niemand darf nachts mehr das Haus verlassen." Sie seufzte. "Die arme Elena."

Sofort wurde ich hellhörig, als ich den Namen meiner Mate hörte. Mein Kopf schoss ruckartig zu der Ärztin. "Was ist mit ihr?"

Sie deutete auf das Rudelhaus. "Sieh doch, die Kratzer sind direkt unter ihrem Fenster. Angeblich ist sie in der Nacht wach geworden, weil etwas an ihren Fenster gekratzt hat. Sie hat den Schock ihres Lebens bekommen.", erklärte sie mir und ich konnte sie nur geschockt angucken.

'Mate!', knurrte plötzlich Brian in meinen Kopf und eine rasenden Eifersucht durchströmte mich.

Wie kann ein fremder Wolf es wagen, unserer Mate nachzustellen?

Doch wie erwartet antwortete Brian mir nicht. Langsam fing es an, mich zu nerven, dass Brian manchmal da war und sich manchmal wiederum zurückzog. Konnte er sich nicht langsam mal entscheiden?

"Sie hat ihn leider auch nicht gesehen. Dafür war es zu dunkel."

Ich nickte nur und tappste zurück zum Bett. Dabei versuchte ich mich zu zwingen, nicht sofort loszusprinten und nach Elena zu sehen. Ich machte mir große Sorgen um sie. Ging es ihr gut? Hatte sie einen Schock? Sollte ich zu ihr gehen und sie trösten?

Doch das ging nicht. Elena hatte uns gestern eindeutige klargemacht, dass sie nicht an uns interessiert war. Der Gedanke an dem vorherigen Tag schmerzte sehr und ich schloss die Augen.

"Alles in Ordnung?", fragte mich Dr. Franklin, die mein schmerzverzerrtes Gesicht musterte. "Du siehst gar nicht gut aus. Leg dich lieber wieder hin, Bremy."

Mit dieses Worten ließ ich mich wieder in die Kissen gleiten.

Ich verbrachte die gesamte nächste Woche auf der Krankenstation und machte mir Gedanken über den Alpha. Man hatte ihn nicht mehr gewittert und auch sonst fehlte von ihm jede Spur. Die Anspannung war im gesamten Rudel zu spüren. Jeder hatte Angst, denn keiner wusste, was das zu bedeuten hatte.

Alpha Ben war für einen Alpha schon ziemlich alt. Er und Luna Tatjana haben lange gebraucht, ehe sie ein Kind bekommen haben. Und dazu war es ein Mädchen und kein Junge geworden. Demnach wird mit großer Wahrscheinlichkeit Elena zwar die nächste Luna werden, aber solange noch nicht feststand, wer ihr Mate ist, war das Rudel quasi schutzlos.

Es gingen sogar einige Gerüchte rum, dass der fremde Alpha Elenas Mate sein soll und dieser nun gekommen ist, da er gemerkt hat, das Elena bald Geburtstag hat und somit bereit für die Matebindung war. Auch dass er Kratzer unter ihrem Fenster hinterlassen hat, deutete darauf hin. Doch keiner konnte sagen, ob -wenn der fremde Alpha wirklich ihr Mate war- er ein guter oder ein böser Wolf war und genau das machte jedem Angst.

Sie wusste allerdings nicht, dass Elena meine Mate war und sagen konnte ich ihnen das auch nicht. Von daher blieb mir nichts weiter übrig, als abzuwarten, bis Elena Geburtstag hatte.

Be my Mate Where stories live. Discover now