Kapitel 2

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Lana erwachte, als der Wagen, in dem sie saß, über einen Stein fuhr.

Moment mal!

Wie kam sie in einen Wagen? Und wohin fuhr er?

Erschrocken setzte sie sich auf und sah sich Immi gegenüber, die noch blasser war, als sonst.

"Wo sind wir?", fragte sie schlaftrunken und rieb sich über die Seide des Kleides.

Seide?

Sie hatte ein schlichtes Gewand aus Baumwolle angehabt, als sie ins Bett gegangen war. Sie hatte nicht einmal ein Seidenkleid besessen, als sie noch bei ihrem Vater lebte. Und nun trug sie ein schlichtes, aber dennoch sehr wertvolles Kleid aus dieser edlen Faser, als ob sie etwas Besonderes wäre.

Immi knetete nervös ihre Hände.

"Die Schwestern haben dir einen Schlaftrunk gegeben, weil sie wussten, du würdest nicht zum Schloss wollen."

Lana keuchte.

"Bitte was? Ich bin auf dem Weg ins Schloss? Warum?"

Immi umschlang ihren Oberkörper mit ihren Armen und holte zitternd Luft.

"Ich kenne mich nicht in den Auswahlverfahren aus, aber wir wurden offenbar ausgewählt. Nur wir beide. Diejenigen, die man für unpassend hielt."

Lana schüttelte den Kopf.

"Nein! Das kann nicht sein. Wir sind wirklich nicht dafür geeignet, die Frau eines Drachen zu sein. Du bist ruhig und gehörst in den Tempel. Ich bin aufmüpfig und kann mich nicht unterordnen. Es muss doch bessere Mädchen geben."

Immi zuckte mit den Schultern.

"Noch ist es nicht entschieden. So wie ich es verstanden habe, werden eine Menge Mädchen im Schloss sein."

Lana grinste.

"Vielleicht haben wir Glück?"

Sie sah Immi an, dass sie mehr wusste, als sie bisher gesagt hatte. Schnell kniete sie vor ihrer Freundin und nahm eine Hand in ihre. Sie war eiskalt.

"Du hast etwas gesehen?"

Immi nickte.

"Ich werde nicht in den Tempel gehen."

Wieder zitterte sie.

"Ich habe Angst, Lana. Ich habe ihn gesehen. Der Drache, der für mich bestimmt ist. Er ist..."

Bevor sie weiter reden konnte, hielt der Wagen an und der Wagenschlag wurde geöffnet.

"Meine Damen, wir sind am Schloss angekommen. Bitte kommen Sie heraus. Unser König will alles schnell hinter sich bringen."

Lana schnaubte.

"Ich bin noch nicht einmal richtig wach.", beschwerte sie sich, aber die Diener hatten dafür kein Verständnis.

Zuerst wurden sie in eine Kammer gebracht, wo sie sich wenigstens etwas frisch machen konnten, doch dann führte man sie auf eine Terrasse.

Es waren eine Menge Menschen anwesend, aber die sechs Männer, die alle in einer bestimmten Farbe gekleidet waren, fielen sofort auf.

Lana runzelte die Stirn.

"Wenn das die Drachen sein sollen, fehlt aber einer.", murmelte sie.

Immi nickte.

"Der weiße Drache.", flüsterte sie.

Lana war das eigentlich egal. Sie wollte das alles nur schnell hinter sich bringen und dann wieder von hier verschwinden. Schnell zog sie Immi mit sich und stellte sich etwas Abseits zu den Mädchen, die Lana schon jetzt mit ihren dämlichen Gekicher nervten. Einige schienen sich sogar schon den Drachenprinzen auszusuchen, den sie am liebsten haben wollten. Natürlich schauten sie alle auf den Mann in Gold, der in der Mitte der Prinzen stand und reichlich genervt aussah. Mehr als einmal warf er den Kichernden einen bösen Blick zu, was aber nicht unbedingt viel half. Es sah so aus, als ob er darauf hofft, dass ja keiner von den kichernden Frauen die Seine werden würde. Beinahe könnt sie sogar Mitleid mit ihm haben.

Die Drachen von Wikuna - Calarion  (Band 1)Where stories live. Discover now