7 - Die andere Hälfte der Komtess

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"Wir werden auf unserem Weg nach Himmelsboden über Hertzenstein reisen müssen, da wir aus Lortal kommen. Die Aufstiege, die direkt im Tal starten, sind um diese Jahreszeit zu gefährlich, also werden wir einen Umweg auf die andere Seite des Gebirges in Kauf nehmen müssen. Siehst du?"

Der Mann Ende Zwanzig strich über die zerknitterte Karte, auf der Himmelsboden als eine Ansammlung steiler Bergzüge eingezeichnet war. In einer Höhe, in der kaum noch Fauna und Flora aus den vier Königreichen zu finden war, lag das Zentrum der kleinen Grafschaft, die seit ihrem Entstehen um das Überleben in einer unwirtlichen Umgebung kämpfte. Von Gewittern und Stürmen im Sommer, bis hin zu Lawinen und Nahrungsnöten in den klirrenden Wintern, mit allem mussten die Bewohner rechnen. Noch dazu gab es in dieser Höhe nichts im Überfluss; und alles, das nach oben befördert werden sollte, musste einen steilen Aufstieg in Kauf nehmen.

Die raue Stimme des Mannes ertönte erneut, nachdem sein Finger den Abstieg aus Himmelsboden über das bergige Hertzenstein bis nach Lortal bewältigt hatte. "In diesem Gasthaus sollten wir uns mit Proviant für die letzten Tage der Reise eindecken, denn sobald wir den Aufstieg nach Himmelsboden beginnen, wird es keine Wirtshäuser oder Marktstände mehr geben. Die Frage ist nur, welcher Weg durch Hertzenstein der Klügste ist ..."

Theodor Fletchers dunkelblonde Augenbrauen waren dermaßen eng zusammengezogen, dass sie sich in der Mitte zu berühren drohten, und Elion betrachtete sein Mienenspiel amüsiert. Während sie im letzten Sommer noch ihre Hand ins Feuer dafür gelegt hätte, dass dieser Mann alles konnte und alles wusste, hatte sie die gemeinsame Zeit etwas anderes gelehrt. Selbst Fletcher, der in den kostbarsten Palästen und zwielichtigsten Gassen sein Brot mit den Geheimnissen anderer Leute verdiente, hatte Schwachpunkte. Einer davon war sein Orientierungssinn, der jede Reiseplanung zur Herausforderung machte.

"Möchtest du meine Hilfe?"

Ein Blick von Fletcher genügte, um Elion die Lippen aufeinanderpressen zu lassen.

"Es liegt an diesen verdammten Wäldern; wo ich aufgewachsen bin, hätte sich jeder andere verirrt und wäre in einer Steinschlucht verhungert. Aber solche Wälder gibt es in Himmelsboden nicht", knurrte Fletcher missgelaunt.

Es war offensichtlich, dass ihre Hilfe hier weder erwünscht noch gebraucht wurde, daher rutschte Elion von der mitgenommenen Tischkante und begann die Suche nach einer Mahlzeit für sich und ihren Begleiter. Die Taverne, in der sie heute nächtigen würden, war überraschend freundlich von innen; von außen hatten die beiden Reisenden eine muffige Spelunke mit mottenzerfressenen Vorhängen erwartet, doch der Wirt schien sich gut um die alten Räumlichkeiten zu kümmern. Nachdem sie einige müde Arbeiter und Reisende passiert hatte, die über ihren Krügen hingen, oder leise Gespräche miteinander führten, hatte die 17-Jährige endlich die Bar entdeckt.

"Guten Abend", rief sie, um die mollige Frau hinter dem Tresen auf sich aufmerksam zu machen. Mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht und einem dreckigen Lappen in den Händen kam die Wirtin näher. "Mein Begleiter und ich hätten gerne zwei Zimmer für die Nacht und etwas Warmes zu essen."

Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Elion eine Stoffbörse auf die Holztheke und strich darüber, sodass einige Goldstücke herausrollten. Dieser Teil des Geschäfts war längst Routine für die Komtess. "Wir wollen keine Aufmerksamkeit. Falls jemand fragt, waren wir nicht hier."

Für eine Sekunde blinzelte die Mittvierzigerin die junge Frau vor sich überrascht an; dann griff sie nach dem Sack und nickte. "Natürlich. Setzen Sie sich, meine Tochter wird ihnen zu essen und zu trinken bringen."

"Danke."

Sie griff sich mit einer fleischigen Hand in den Nacken, wo sie Mehlspuren hinterließ. "Aber, verstehen Sie, die Sache ist die, wir haben nur ein freies Zimmer. Sie müssten es mit dem Herren teilen."

KupferkindWhere stories live. Discover now