5 - Ein möglicher Ausweg

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Das Ticken der Standuhr in der Ecke stand im Einklang mit dem ruhigen Herzschlag des Kronprinzen, der soeben seine Unterschrift auf das letzte Dokument auf seinem Stapel setzte. Müde strich er sich eine Haarsträhne aus der Stirn und legte die Feder beiseite. Jonathans Schultern knackten, als er sich im Sessel aufrichtete und streckte, die Erschöpfung aus seinen Gliedern vertreiben wollend. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er noch ein paar Minuten vor dem Abendessen Zeit hatte, um seiner Frau einen Besuch abzustatten. Seit der Ankunft der Delegation aus dem Goldenen Königreich versank er in Arbeit und fand kaum die Zeit, das dringend ausstehende Gespräch mit Viktoria zu führen. Das Wissen, dass die Ungereimtheiten zwischen ihnen noch nicht ausgeräumt waren, störte ihn, der es nicht gewohnt war, Dinge unerledigt zu lassen. Zu seinem eigenen Unmut konnte er sich schlecht konzentrieren, wenn in seinem Hinterkopf stets das Bewusstsein um nicht gelöste Angelegenheiten sein Unwesen trieb. Und gerade jetzt konnte er nicht zulassen, dass seine Aufmerksamkeit und sein Fokus getrübt wurden.

Im Aufstehen warf er einen Blick auf den Kammerdiener, der in der Ecke des Arbeitszimmers Stellung bezogen hatte. "Bringen Sie diesen Stapel bitte nach unten. Die Briefe müssen sofort verschickt werden."

„Jawohl, Eure Hoheit." Gregor verbeugte sich eilig, während der Kronprinz mit wenigen ausgreifenden Schritten das Zimmer durchquert hatte und auf den Gang trat.

Der dicke Teppich schluckte jegliche Schritte, und so waren es bloß Jonathans Gedanken, die lautstark um Aufmerksamkeit eiferten.

Die Verhandlungen mit dem Goldenen Königreich gingen im Schneckentempo voran, und Cam erwies sich als weitaus sturköpfiger als gedacht. Wenn sein kleiner Bruder doch nur einsähe, dass es um das Wohl des ganzen Königreichs ging. Was war eine strategische Heirat im Vergleich zu einem möglichen Krieg? Das persönliche Glück seines Bruders war, wie Jon es auch drehte und wendete, keine hunderttausend Leben wert. Natürlich wünschte er sich, dass es eine andere Lösung gäbe, doch nach gründlichem Abwägen aller Möglichkeiten war dies die einzige, die eine große Katastrophe abzuwenden vermochte. Er selbst hatte geheiratet, um den Einfluss der Krone innerhalb des eigenen Reiches zu stärken, und nun war es an Cambriel, Gefahren von außerhalb mit seiner Heirat abzuwenden. Kopfschmerzen kündigten sich an, wenn er daran dachte, später beim Abendessen erneut dafür sorgen zu müssen, dass Cam niemanden vor den Kopf stieß und das gesamte Unterfangen gefährdete. Auch Viktoria musste endlich ihre Rolle als zukünftige Königin einnehmen. Zwar konnte sie keinen Skandal erzeugen, solange sie zu den Mahlzeiten erschien und antwortete, wenn das Wort an sie gerichtet wurde, doch ihrer Präsenz fehlte es an Lebendigkeit. Ein weiterer Grund, mit ihr zu sprechen und noch einmal zu verdeutlichen, wie wichtig es war, dass sie sich angemessen verhielt. Letzten Endes war es nicht ihr Fehler, dass sie nicht wusste, was bei Hof verlangt war; und er hatte ebenfalls gewusst, worauf er sich mit der Heirat mit einer Landadeligen einließ. In Gedanken bei dem letzten Gespräch, dass sie unter vier Augen geführt hatten, zögerte er kurz an den Türen zu ihrem Salon, bevor er sich seiner vermeintlich gerechten Position entsann und energisch klopfte.

Das blasse Gesicht eines jungen Mädchens in Zofentracht blickte ihm aus dunklen Augen entgegen, als die Tür geöffnet wurde.

„Eure königliche Hoheit." Das Mädchen knickste, blieb jedoch halb hinter der Tür verborgen. „Ihre Hoheit kann Euch gerade nicht empfangen."

Unheilvolle Falten bildeten sich auf Jonathans Stirn und die Zofe schluckte schwer, hin- und hergerissen zwischen den Anweisungen ihrer Herrin und dem offensichtlichen Unmut ihres zukünftigen Königs.

„Ich-"

„Hoheit?" Ungehalten schnellte Jonathans Kopf zu dem eben dazugestoßenen Bediensteten, der, leicht keuchend und vornübergebeugt, soeben versuchte, zu Atem zu kommen.

KupferkindWhere stories live. Discover now