Timing ist alles - haha! - Kapitel 3.5

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Timing ist alles – haha! - 3.5

Keine Minuten später flitze ich mit hastigen Schritten durch den Schulkorridor, um mein Mathebuch aus dem Spind zu kramen. Es überrascht mich nicht, dass ich kaum jemanden antreffe, denn die Stunde hat längst begonnen.

Mit klammen Fingern zerre ich das Schließfach auf. Irgendwo da drin muss das verflixte Buch - eigentlich eher verhasste Buch! - doch liegen. Jetzt ärgere ich mich, dass ich meine kreative Ablage gestern nicht entrümpelt habe. Chaosqueen lässt grüßen! Endlich erhasche ich zwischen einem alten Kaffeepappbecher (wie kommt der denn hier rein?) und einigen losen Blättern die Ecke des Buches. Schnell zerre ich es raus und schmettere die Tür zu.

Besser gesagt: Ich versuche sie zuzukriegen.

Sie klemmt.

Ausgerechnet JETZT. Timing ist alles – haha!

Natürlich ist es mir nicht egal, dass ich schon wieder zu spät komme, eigentlich ist es mir sogar richtig peinlich! Dafür ist es mir scheißegal, dass ich grade jetzt einen Höllenlärm fabriziere, indem ich die Tür immer wieder zuknalle. Schließlich werfe ich mich dagegen, aber das dumme Ding rastet einfach nicht ein.

Dann plötzlich: BAM!

Ich zucke zusammen, wirble herum und erkenne das breite Grinsen von Chris. Seine Faust verharrt auf meiner Spindtür.

»Himmel! Ich bin vor Schreck fast gestorben.«

»Stets zu Diensten, Chaosqueen«, grinst er.

Vermutlich ist er der einzige Schüler, der auf der Top-Ten-Liste im Zuspätkommen über mir steht. Im Eiltempo sammle ich Mathebuch und Schultasche auf und laufe gemeinsam mit Chris in hastigen Schritten den Korridor hinunter.

»Was würde ich nur ohne dich tun?«, sage ich übertrieben schmachtend, während wir gemeinsam den Klassenraum betreten.

»Na, wen haben wir denn da?«, fragt Herr Böckle, als ich mich hinter Chris versteckend zum Tisch flitzen möchte. »Zara und Chris, was für ein seltener Anblick! Soll ich raten? Oma ist zum dritten Mal gestorben, was?«, meint er trocken. Die Frage ist an Chris gerichtet.

»Nein, heute nicht«, grinst er unverfroren. »Ich musste lediglich einer wehrlosen Mitschülerin mit meiner Muskelkraft heldenhaft zur Seite stehen«, antwortet er, als wäre es das Normalste auf der Welt und zwinkert mir verschwörerisch zu. Dass er das Wort heldenhaft ganz besonders stark betont, entgeht mir keineswegs.

»Chris, bei dir ist echt Hopfen und Malz verloren.« Herr Böckle schüttelt den Kopf und tritt einen Schritt näher. »Und du?« Jetzt gilt die Aufmerksamkeit mir. Seine Adleraugen bohren sich in mein Gehirn und scannen es durch. »Eigentlich brauchst du keine drei Schritte bis zur Schule. Wie kommt es, dass du es dennoch schaffst, regelmäßig zu spät zum Matheunterricht zu erscheinen?«

Ich erwidere stumm seinen bohrenden Adleraugenblick.

»Da drängt sich mir der Verdacht allmählich auf, dass es an mir und meinem Unterricht liegt oder wie siehst du das?«

Ich unterdrücke erfolgreich den Impuls die Augen zu verdrehen, weil er mir diese Frage sicher zum tausendsten Mal stellt und es ist wohl keinem klarer als mir selber, dass mein Verschlafen keine Seltenheit ist. Viel eher könnte man es als lästige Angewohnheit bezeichnen. Und ja, komischerweise passiert es mir tatsächlich meistens, wenn Mathe auf dem Stundenplan steht.

»Vermutlich liegt es eher am Wochentag. Kurz vor dem Wochenende oder so ...«, versuche ich mich aus der misslichen Lage rauszureden.

»Brauchst du vielleicht einen lauteren Wecker?«

Wenn er wüsste. Damit entlockt er mir ungewollt ein Grinsen, weil ich dabei an meinen rabenkrächzenden Wecker denken muss. »Das wäre keine schlechte Idee«, stoße ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, um das Lachen, das mir bereits auf der Zunge liegt, zu unterdrücken.

»Geht an euren Platz«, sagt Herr Böckle und deutet mit dem Arm zu den Tischen, »die Unterbrechung war lange genug. Dann schlagt eure Bücher auf Seite sechsundachtzig auf.«

Ohne ein weiteres Wort eile ich an meinen Platz, winke kurz Lila und Isa zu und erstarre im selben Moment für einen Herzschlag, als ich neben Cilia den schwarzen Wuschelkopf entdecke. Den Neuen hatte ich komplett vergessen! Kein Wunder: Gestern hatte er sich nach Latein für den restlichen Tag nicht mehr blicken lassen. Ich zwinge mich das Buch aufzuschlagen und meinen Blick darauf zu lenken. Chris nimmt die Sache deutlich gemütlicher in Angriff. Während ich Heft und Stifte auspacke, kramt er im Vorbeigehen nach irgendetwas in seiner Tasche und macht es sich eine Reihe hinter mir bequem.

Und Herr Böckle? Der labert und labert. Es fällt mir unglaublich schwer seinen Worten zu folgen, die Augen offenzuhalten und zudem noch zu kapieren, was er uns da eigentlich vermittelt. Logarithmen. Wer zur Hölle braucht die?

Gerade als ich mir nichts sehnlicher wünsche, als wieder zurück in mein Bett unter meine kuschelige Decke zu kriechen, fliegt plötzlich ein zusammengeknülltes Papierknäuel auf mein Mathebuch.



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Gut, das wäre dann die 3 Teile, die ich euch heute online stelle.

Der nächste Teil (oder die nächsten Teile) folgt vermutlich gegen Ende der Woche.

Bin schon mächtig neugierig, wie euch diese Schnipsel gefallen werden ❤️ *winke*

Stadt der Verborgenen (Die Phoenicrus-Trilogie 1)Onde as histórias ganham vida. Descobre agora